Mit ein paar Tagen Verzögerung schwappte die Kältewelle in den vergangenen Wochen von Mitteleuropa auch nach Spanien. Während die Temperaturen fielen, schossen die Strompreise in die Höhe. Am Mittwoch (25.1.) erreichten die Tarife mit über 100 Euro pro Megawattstunde den Höchststand seit 2013. Energieminister Álvaro Nadal geht davon aus, dass die durchschnittliche Stromrechnung für die Haushalte in diesem Jahr um 100 Euro höher ausfallen könnte.

In der Strombranche macht man dafür die außergewöhnlichen Umstände in diesem Winter verantwortlich. Die Kältewelle in ganz Europa treibt den Konsum in die Höhe. Frankreich hat ein Viertel seiner Atomkraftwerke zur Sicherheitsüberprüfung stillgelegt und muss Strom von den Nachbarn importieren. In Spanien verschlechtern zudem meteorologische Bedingungen die Situation: Da es zuletzt sehr trocken war und wenig Wind wehte, ist der Anteil von Wasser- und Windkraft an der Energieproduktion deutlich gefallen. „Es ist eine Frage von Angebot und Nachfrage", erklärte Eduardo Montes, der Vorsitzende von Unesa, dem Verband der Stromwirtschaft.

Doch die Verbraucher, die von dem Preisanstieg betroffen sind, und die Oppositionsparteien wollen sich mit dieser marktwirtschaftlichen Erklärung nicht zufriedengeben, und auch die Regierung ist auf den Plan getreten. Die Ursachen des Anstiegs auf den Strommärkten werden untersucht, Minister Nadal will Maßnahmen ergreifen. Denn die Verbraucher in Spanien zahlen mit die höchsten Strompreise in Europa, obwohl das Land bei erneuerbaren Energien zu den Vorreitern zählt. Der Rest - Öl, Gas, Kohle - muss komplett importiert werden. Die Unternehmen verweisen aber darauf, dass der Großteil der Rechnung auf andere Abgaben entfällt.

Ein Viertel der Endabrechnung sind Steuern. Im Gegensatz zu manchen Ländern in Europa hat Spanien keinen ermäßigten Satz auf Strom und Gas, sondern erhebt die volle Mehrwertsteuer plus einer Energieabgabe. Etwa 35 Prozent der Rechnung entfallen auf staatlich festgelegte Abgaben, die vom Verbrauch unabhängig sind, etwa die Nutzung der Stromnetze und anderer Infrastruktur. Über diesen Teil der Abgaben werden auch viele andere Dinge finanziert, wie die teure Stromerzeugung auf den Kanarischen Inseln, die Subventionen für Ökostrom und Zuschüsse für sozial schwache Familien. Die Industrie wirbt seit Langem dafür, einige dieser Dinge über die allgemeine Staatskasse und nicht den Stromkunden zu finanzieren.

Die eigentlichen Energiekosten machen also nicht einmal die Hälfte der Rechnung aus, doch sie sind für die Schwankungen verantwortlich. Nach dem Aufruhr über den letzten großen Preisanstieg im kalten Winter 2013 hatte die Regierung ein neues System eingeführt. Seitdem fährt der Markt zweigleisig. Etwa 54 Prozent der Haushalte zahlen einen festen Stromtarif, der einmal im Jahr auf der Basis von Durchschnittswerten festgelegt wird (mercado libre). Der Rest, etwa zwölf Millionen Haushalte, zahlt die genauen Tarife zu jeder Stunde nach den jeweiligen Preisen, die am Großmarkt ermittelt werden (mercado regulado). Und es sind eben diese Preise, die nun in den Himmel geschossen sind.

Obwohl es sich eigentlich um einen reinen Marktmechanismus handelt, kommt in Spanien immer wieder der Verdacht auf, dass es bei diesem Geschäft mit einer sehr überschaubaren Zahl von Teilnehmern nicht immer mit rechten Dingen zugeht. Die Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung der Preisexplosion in diesem Winter eingeleitet. Minister Nadal, der auch für Tourismus zuständig ist, meldete eine Prüfung bei der Marktaufsichtsbehörde CNMC an. Er will nun einen stärkeren Wettbewerb bei der Preisbildung im entscheidend wichtigen Gasmarkt erzwingen, der von Gas Natural und Endesa beherrscht wird. Diese beiden Stromkonzerne machen gemeinsam mit Iberdrola gut 90 Prozent des Energiemarktes in Spanien aus und schreiben Jahr für Jahr hohe Gewinne.

Die Konzerne stehen daher seit Längerem unter Generalverdacht in weiten Teilen der Öffentlichkeit und bei den linken Parteien. „Das hier hat nichts mehr mit freiem Markt zu tun, sondern damit, dass wir ein ineffizientes Oligopol haben", sagte Íñigo Errejón, die Nummer zwei von Podemos, zur Entwicklung am Strommarkt. Der Verdacht wird erhärtet durch das Phänomen der sogenannten Drehtüren (puertas giratorias). Die Konzerne beschäftigen seit Jahren immer wieder ehemalige Minister, Staatssekretäre und gar Regierungschefs in ihrer Führungsetage oder als Berater, darunter auch zwei frühere Ministerpräsidenten, den Sozialisten Felipe González (Gas Natural) und den Konservativen José María Aznar (Endesa).

Die Privatisierung von Endesa, dem führenden Stromversorger des Landes, war ein Fiasko, was selbst Politiker der konservativen Volkspartei unter der Hand eingestehen. Der frühere Staatskonzern, der nach milliardenschweren Investitionen auch zur Nummer eins in Lateinamerika aufgestiegen war, wurde in zwei Schritten unter González und Aznar verkauft und landete nach einigen Übernahmegefechten in der Hand der italienischen Enel, die paradoxerweise zu knapp 25 Prozent dem Staat gehört. Die Italiener verleibten sich das lukrative Lateinamerikageschäft ein und legten fest, dass in den kommenden Jahren 100 Prozent des üppigen Reingewinns von Endesa an die Aktionäre ausgeschüttet werden, anteilsgemäß also 70 Prozent an Enel, wovon dann das italienische Finanzministerium profitiert.

Vom linken Spektrum kommt daher der Ruf nach einer Verstaatlichung der Stromversorger. Soweit wird die Regierung selbstverständlich nicht gehen, aber zuletzt haben die Konservativen aufgrund des öffentlichen Drucks einige Maßnahmen gegen die Interessen der Branche getroffen. So etwa das Verbot, sozial schwachen Familien im Winter den Strom oder die Heizung einfach abdrehen zu können.