Nur noch der Schriftzug an der Fassade erinnert an das altehrwürdige Schreibwarengeschäft, das hier mehr als 150 Jahre bestand, bis vergangenes Jahr. Die Rollläden von Casa Roca sind heruntergelassen, Arbeiter haben in den vergangenen Tagen verbliebene Regale abgeholt. Die 72-jährige Besitzerin Catalina Torrents, die das Geschäft schweren Herzens in der vierten Generation aufgab, hat nicht lange gebraucht, um einen Käufer für das dreistöckige Gebäude zu finden.

Die Geschäftsaufgabe war ein Schlag für den kriselnden traditionellen Einzelhandel in Palma. Doch zumindest optisch dürfte sich der Schaden in Palmas Innenstadt in Grenzen halten. Wie inzwischen bekannt geworden ist, hat ein Brite die Immobilie erworben. Er plant, im Erdgeschoss ein Café sowie in den oberen Stockwerken ein Boutiquehotel zu eröffnen. Davon abgesehen, dass Fassade wie Innenräume des Gebäudes inzwischen unter Denkmalschutz stehen, leben die Boutiquehotels vom Charme der historischen Bausubstanz - vielleicht bleibt sogar der Schriftzug „Almacenes Casa Roca" erhalten.

Die Pläne reihen sich ein in eine längere Liste von Stadthotels, die in der nahen Zukunft in Palmas Innenstadtgassen eröffnen werden - wobei Javier Vich, Vorsitzender der Hoteliersvereinigung von Palma, gegenüber der MZ nicht von einem Boom, sondern vielmehr von einer inzwischen einsetzenden Konsolidierung spricht. „Vor sieben Jahren war das noch ein Experiment, man hatte damals Zweifel an der Rentabilität der kleinen Hotels", so Vich. Die konnten scheinbar ausgeräumt werden: Sehr bald eröffnete ein Hotel nach dem anderen - ein Rhythmus, der auch in 2017 noch anhalte. Ab kommenden Jahr aber, so Vich, werde der Boutiquehotel-Hype wieder abflauen.

Derzeit gibt es insgesamt 19 von ihnen in Palma, letzter Neuzugang war vor rund drei Monaten das Hotel Bosch im Gebäude der gleichnamigen Traditionsbar am Borne-Boulevard. Die kleinen, individuellen Hotels mit in der Regel nicht mehr als 15 bis 20 Zimmern machen somit bereits mehr als ein Drittel aller 54 registrierten Stadthotels in Palma aus.

Die neuen Projekte

Einschließlich der Casa Roca sind derzeit fünf neue Projekte bekannt, die als Boutiquehotels eingeordnet werden können und mit deren Eröffnung in diesem und im kommenden Jahr gerechnet wird. Hinter den meisten Projekten stünden mallorquinische Unternehmer, so Vich.

Seinen Schatten voraus wirft vor allem das 4-Millionen-Euro-Projekt der Cappuccino-Gruppe auf Palmas Plaça Cort. Von dem ehemaligen Wohnhaus gegenüber dem Rathaus hat nur die historische Fassade überlebt. Nachdem die Bauarbeiten wegen archäologischer Funde ins Stocken geraten waren, soll nun das erste Hotel der Kaffeehaus-Kette in Palma bis Ende dieses Jahres eröffnen, inklusive einem weiteren Cappuccino - dem inzwischen elften auf der Insel - im Erdgeschoss.

Gleich zwei Projekte im Fünf-Sterne-Bereich gibt es im Carrer Sant Jaume, einer Gasse in der nördlichen Verlängerung des Borne-Boulevards. Hinter dem einen steht der Unternehmer Miguel Conde. Er hat sich bereits mit den Hotels Sa Calatrava und Can Cera einen Namen gemacht sowie mit dem komplett renovierten und unter Denkmalschutz stehenden Altstadtpalast Can Alomar am Borne, in dem sich auch die Edelboutiquen Louis Vuitton und Relojería Alemana befinden. Hinter dem zweiten Projekt steht die Gruppe Cabau Hotels, die neben Mallorca auch auf Ibiza und Gran Canaria Häuser betreibt.

Luxus verspricht auch der Name des Projekts von Hotelierspräsident Vich selbst: Súmmum The Prime Boutique Hotel soll der restaurierte Altstadtpalast mit Gebäudeteilen aus dem 15. und 18. Jahrhundert heißen, der etwas versteckt im Carrer Concepció zwischen Einkaufsstraße Jaume III., Passeig Mallorca, Avenidas und Blumen-Rambla liegt. Ab September können dann die Gäste unter gotischen Rundbögen in einem der 44 Zimmer schlafen und im früheren Pferdestall essen. Auch ein Spa ist vorgesehen.

Und dann wäre da der 3,5-Millionen-Euro-Neubau eines Fünf-Sterne-Hauses direkt neben der historischen Stadtmauer Baluard del Príncep am Innenstadtring, hinter dem die Eigentümer des Hotels La Pérgola in Port d´Andratx stehen. Auch hier wird es historische Elemente geben: Bei Ausgrabungen fanden sich auf dem Gelände Reste einer früheren Gerberei. Laut den Auflagen der Denkmalschutzkommission müssen diese nicht nur restauriert werden, sondern auch für jedermann einsehbar sein.

Selbst im Februar fast voll

Dass bei so viel neuer Konkurrenz am Ende nicht genügend Gäste für alle bleiben könnten, sei nicht zu befürchten, glaubt Ilka Karl, Direktorin des vor knapp zwei Jahren eröffneten Boutiquehotels Sant Francesc am gleichnamigen Platz in der Altstadt: „Jedes Hotel wird seine Gäste finden, zumal sie in unterschiedlichen Preissegmenten angesiedelt sind." Gemeinsam sei den Gästen der Hotels aber, dass sie oftmals keinen Mietwagen bräuchten, sondern die Stadt erkundeten, nicht nur Geld in den Eisdielen ließen wie die Kreuzfahrt-Touristen, und Mallorca auch gerne im Winter besuchten. „Wir haben eine durchschnittliche Auslastung von 80 Prozent im Jahr", so Karl - sogar jetzt im Februar liege man leicht darüber. Die individuellen Hotels hätten eine neue Zielgruppe erschlossen - und zwar nicht nur unter den viel zitierten Nordeuropäern, sondern auch unter US-Amerikanern, Brasilianern oder Chinesen, „das geht rund um die Welt". Auch Karl geht allerdings von einer nun anstehenden Konsolidierung aus.

Trotz der Sorgen um die immer stärkeren Touristenströme in der Innenstadt sieht man im Rathaus die Eröffnung der Boutiquehotels wohlwollend - schließlich ist die Zahl der Gäste vergleichsweise klein, ihre Kaufkraft in der Regel groß und der Nebeneffekt der Investitionen in den Denkmalschutz willkommen. Eine Lizenz werde in der Regel innerhalb von sechs Monaten ausgestellt, meint Hotelierspräsident Vich - auch wenn es zwischendurch schon mal drei Monate länger gedauert habe.

Es geht auch größer

Und nicht alle Neueröffnungen in Palma sind klein und schnuckelig. Mal abgesehen vom Meliá Palma Bay, das an den neuen Kongress­palast angeschlossene Hotel, das im April eröffnen soll, entsteht in der Nähe des Passeig Mallorca derzeit das Naisa der Gruppe Protur. Es soll rund hundert Zimmer haben - und darf sich deswegen nicht Boutiquehotel nennen.

Dass der Boom der Boutiquehotels ausläuft, macht Javier Vich auch an den Immobilienpreisen in Palmas Innenstadt fest, die sich bald auch die Hoteliers nicht mehr leisten könnten. Die stiegen so rasant, dass es gerade im Fall kleinerer Häuser immer länger dauere, das investierte Geld zu erwirtschaften.