Auch im Urlaub hat Simone Peter Zeit für Themen wie die Energie­politik: Nach Kontakten auf der Weltklimakonferenz in Marrakesch 2016 hat sich die Bundesvorsitzende der Grünen am Dienstag (18.4.) mit ihren mallorquinischen Parteikollegen von Més per Mallorca getroffen. Für die MZ hatte die 51-Jährige am Dienstag nach einem Mittagessen im Carrer Blanquerna in Palma Zeit, zu dem unter anderem der Més-Abgeordnete David Abril und die deutsche Stadträtin Alice Weber aus Inca gekommen waren.

Welchen Eindruck nehmen Sie von der Nutzung der erneuerbaren Energien auf der Insel mit?

Ich komme häufiger nach Mallorca und frage mich, warum die erneuerbaren Energien in dieser sonnen- und windverwöhnten Gegend nicht sichtbarer sind. Vieles steht und fällt mit dem gesetzlichen Rahmen. In Deutschland haben wir im Jahr 2000 das Erneuerbare-Energien-Gesetz auf den Weg gebracht, das den Anteil sauberer Energie im Strombereich auf 30 Prozent gehoben hat. Mit dieser Förderung ging es richtig voran - im Gegensatz zu den Initiativen davor. Auch hier in Spanien sollte es wieder eine Einspeisevergütung geben.

Private Fotovoltaikanlagen spielen bislang auf Mallorca lediglich eine geringe Rolle, große Projekte für Solarparks stoßen wegen des Landschaftsschutzes auf massiven Widerstand. Wie stehen Sie dazu?

Diese Debatte kenne ich sehr gut aus Deutschland. Es braucht den Dialog mit den Bürgern. Es ist verständlich, dass die Menschen auf Mallorca kritischer sind, weil es sehr viele Eingriffe in die Landschaft gab. Man muss deswegen für solche Projekte werben und auch auf die Folgen des ­Klimawandels aufmerksam machen, etwa die zunehmende Trockenheit auf Mallorca. Zudem sollten Kleinanlagen besser gefördert werden.

Und wie wäre es mit Windrädern in der Tramuntana?

Ich kann verstehen, dass die Debatte darüber auf einer kleinen Insel wie Mallorca zurückhaltend geführt wird. Sicher werden hier kaum große Anlagen entstehen. Aber es gibt auch effiziente kleine Anlagen. Auf Mallorca stehen viele kleine Windmühlen, an diese Tradition kann man anknüpfen.

Inwieweit ist es möglich, sich in der derzeitigen politischen Debatte in Deutschland mit klimapolitischen Themen zu positionieren, wenn alle fast nur über Flüchtlinge reden?

Man kann diese Themen verbinden. Wenn wir heute nicht in den Klimaschutz investieren, wird die Zahl der Flüchtlinge, die vor Dürren oder Stürmen fliehen, weiter zunehmen. Es geht aber auch um zukunftsfähige Jobs - in Deutschland entstanden 350.000 Stellen im Bereich erneuerbarer Energien.

Kann man mit rationalen Argumenten in der derzeitigen überhitzten Debatte punkten?

Die Grünen haben immer für den Erhalt der Lebensgrundlagen gekämpft. Dafür streiten wir weiter. Wir wollen das Thema aber an die derzeitigen Debatten andocken. Rund ein Zehntel der Deutschen kümmerte sich um Flüchtlinge. Diese riesige Solidarität muss es auch mit nachfolgenden Generationen geben.

Sie wurden angefeindet, nachdem Sie das Vorgehen der Polizei in Köln in der Silvesternacht infrage gestellt hatten. Wie haben Sie diesen Shitstorm in den sozialen Netzwerken erlebt?

Das war sehr heftig und hat mich verletzt, es war eine neue Qualität. Ich frage mich, was diese Menschen umtreibt. Wir brauchen unbedingt eine Debatte, wie wir miteinander umgehen, und wirksame Maßnahmen, um Rassismus und Ausgrenzung zurückzudrängen.

Auf Mallorca wurde für die Aufnahme von mehr Flüchtlingen demonstriert. Würden Sie lieber hier Politik machen?

Es gab auch Demonstrationen für Flüchtlinge bei uns, als Flüchtlingsheime angegriffen wurden. Ich hoffe, dass das Engagement der Zivilgesellschaft in Deutschland ein Bollwerk gegen rechte Gruppen bleibt.

Haben Sie analysiert, was in der EU-Flüchtlingspolitik schief­gegangen ist, dass in Deutschland reihenweise Sporthallen als Notunterkünfte fungieren, in Spanien aber kaum Flüchtlinge ankamen?

Die Europapolitik der vergangenen Jahre ist geprägt von Bevormundung, gerade von deutscher Seite. Wer anderen Ländern einen harten Sparkurs aufdrückt und das als oberste Prämisse ausgibt, dem schlägt das bei der Flüchtlingsverteilung zurück. In Deutschland suchten 2016 rund 750.000 Menschen Asyl - bei 83 Millionen Einwohnern ist da Integration möglich. Es gab natürlich nicht akzeptable Zustände, wenn Flüchtlinge über Monate in Turnhallen leben mussten und Schüler sie nicht nutzten konnten. Aber das ist behoben und von der Integrationsleistung profitieren wir letztendlich alle.

Wird die Flüchtlingsdebatte Ihnen Stimmen bei den Bundestagswahlen kosten?

Wir wollen die Wahlen zur Richtungsentscheidung darüber machen, wie wir zusammen leben. Wir werben für ein weltoffenes, sozial gerechtes, zukunftsfähiges Land, da mache ich mir um den Zuspruch keine Sorgen.

€Themen, die gerade auch ganz stark der SPD-Spitzenkandidat Martin Schulz besetzt €

Da habe ich wenig Befürchtungen. Martin Schulz hat auch die Sparpolitik von Merkel und Juncker mitgetragen, er steht für umstrittene Handelsabkommen wie CETA oder die EU-Flüchtlingspolitik im Mittelmeer.

In Frankreich stehen die Präsidentschaftswahlen an. Wo positionieren Sie sich?

Wir hatten mit Yannick Jadot einen grünen Kandidaten im Rennen, der aber zugunsten von Benoît Hamon verzichtet hat. Ich finde es gut, dass die demokratischen Kräfte zusammenstehen, um die rechtsextremistische Kandidatin Le Pen zu verhindern. Deshalb könnte Emmanuel Macron sie bereits im ersten Wahlgang schlagen.

Brexit, Trump - wir haben eine Reihe populistischer Entscheidungen erlebt, dann kamen die Wahlen in den Niederlanden. War das die Trendwende?

Man darf den Populismus nicht kleinreden, aber er ist besiegbar. Das hat auch der knappe Sieg von Alexander Van der Bellen bei den Präsidentschaftswahlen in Österreich gezeigt. Aber die Autoritären in Europa sind keine Eintagsfliege, die antieuropäischen Stimmungen verstärken sich seit Jahren. Auch mit Blick auf Trump, Putin oder Erdogan braucht es hier eine deutliche Sprache.

Welches Verhalten ist gegenüber Erdogan angebracht?

Wir müssen klar machen, dass wir auf der Seite derjenigen stehen, die für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit kämpfen. Waffenlieferungen sollten beendet und der Abzug der Bundeswehr angeordnet werden.

In der Politik wird immer stärker personalisiert. Sind die Grünen mit ihrer Doppelspitze und der Ämtertrennung noch zeitgemäß?

Angesichts der Machtkonzentration in zunehmend mehr Staaten ist das zeitgemäßer denn je. Wir Grünen können Macht teilen, und unsere Wähler wählen uns in erster Linie aufgrund unserer Inhalte. Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt sind im Übrigen zwei bekannte Personen, gehen entschlossen voran und werden von der ganzen Partei getragen.

Wie wäre es mit Wahlkampf auf Mallorca?

Die Menschen kommen zum Urlaub hierher. Wenn sie nebenbei mein Interview in der Mallorca Zeitung lesen, ist mir das recht. Aber sie sollten vom Alltag abschalten können.