Speziell im Frühjahr vergeht auf Mallorca praktisch keine Woche, in der die Bergrettung nicht einen verunfallten Wanderer aus der Serra de Tramuntana retten muss. Meistens bleibt es bei Fleischwunden oder Brüchen, in manchen Fällen kommt die Hilfe aber zu spät. Im Sommer verlagert sich das Einsatzgebiet der Retter dann an die Strände, wo allein vergangenes Jahr auf den Balearen 320 Menschen vor dem Ertrinken gerettet wurden. Der Generaldirektor der balearischen Rettungsleitstelle 112, Pere Perelló, beobachtet regelmäßig, wie vor allem Urlauber das Gebirge und das Meer auf die leichte Schulter nehmen. Die MZ hat ihn in seinem Büro zum Gespräch getroffen.

Herr Perelló, jedes Jahr kommen in den Bergen der Insel Menschen zu Tode. Woran liegt das?

Wir werden Unfälle nie ganz verhindern können. Aber auf ­Mallorca geschehen viele Unglücke, die sehr leicht zu verhindern wären. Vor allem Urlauber brechen viel zu häufig unvorbereitet zu einer Wanderung im Gebirge auf. Man sollte auch nie bei Dunkelheit in den Bergen herumklettern, schon gar nicht allein.

Hat sich noch nicht herum­gesprochen, dass es hier mehrere über 1.000 Meter hohe Berge gibt?

Offenbar noch nicht überall. Viele Touristen, und da schließe ich alle Nationen ein, kommen als Strandurlauber nach Mallorca. Sie steigen dann mit kleinen Kindern, ohne Wasser, ohne Sonnenschutz und ohne die nötige Ausrüstung wie etwa Seile, den Torrent de Pareis hinunter. So, als würden sie ans Meer gehen. Und es ist ja sogar so: Am Ende des Torrent gibt es ja wirklich einen Strand.

Informieren sich viele Urlauber vor der Exkursion nicht über den Schwierigkeitsgrad?

Das möchte ich den meisten gar nicht absprechen. Aber wir haben auch immer wieder Leute, die einfach losgehen. Ein großes ­Problem sind Websites, teilweise auch von professionellen Anbietern, auf denen ein falsches Bild von den Touren vermittelt wird. Da steht dann, dass die Tour statt sechs nur drei Stunden dauert, oder dass es eine einfache Wanderung ist, obwohl man klettern muss. Beim Torrent de Pareis kommt hinzu, dass die Tour sehr einfach wirkt, weil so viele unterwegs sind.

Versuchen Sie, gegen diese Fehlinformation anzugehen?

Ja, wir machen das mittlerweile ganz gezielt. Wenn wir auf einer Website auf falsche Angaben stoßen, bitten wir den Betreiber, die Angaben zu korrigieren.

Was machen Sie, wenn Urlauber bei einem Notfall nicht sagen können, wo sie sich befinden?

Dank der Handydaten können wir sie heutzutage zum Glück meistens ganz gut orten. Aber es gibt immer wieder auch Fälle, in denen wir suchen müssen, weil es keinen Empfang gibt und die Betroffenen keine Ahnung haben, wo sie sind. Um diese Fälle in Zukunft zu verhindern, stellen wir in ein paar Tagen ein Formular auf unserer Website 112ib.es auch auf Deutsch und Englisch online. Dort kann sich jeder Wanderer vor der Tour registrieren, die genaue Route eingeben, die Zahl der Wanderer, die Handynummern und so weiter. Wir bitten die Wanderer, uns anzurufen, wenn sie losgehen und wenn sie wieder am ­Ausgangspunkt sind. So haben wir alle wichtigen Informationen und können schneller Hilfe leisten.

Glauben Sie wirklich, die Leute rufen zweimal bei Ihnen an, wenn sie eine Wanderung machen?

Wir hoffen es und werden in der nächsten Zeit Werbekampagnen fahren, um auf die Seite aufmerksam zu machen. Denn es nützt ja nichts, wenn sie existiert, aber niemand von ihr weiß.

Ist das nicht ein Riesenaufwand, diese Anrufe entgegenzunehmen?

Ein Einsatz Samstagnacht im Gebirge ist unendlich viel aufwendiger, glauben Sie mir das.

Auch eine 112-App gibt es. Was hat es mit der auf sich?

Wer uns über diese App anruft, übermittelt automatisch die GPS-Daten seines Standorts an uns. Wir können dann mit einer Genauigkeit von 20 bis knapp 100 Metern sehen, wo sich der Hilfesuchende aufhält.

Vom Berg ans Meer: Sie koordinieren auch die Notfälle an den Stränden. Ist das einfacher?

Es ist natürlich leichter, das Einsatzgebiet räumlich einzugrenzen. Die schiere Zahl der Badegäste sorgt andererseits für mehr Zwischenfälle. Nach unseren Schätzungen halten sich an Sommertagen etwa 450.000 Menschen an den Stränden der Insel auf. Das ist jeder Vierte. Wir haben also 27 Millionen Badegäste in der Hochsaison. Mit etwa 40 Badetoten pro Jahr stehen die Balearen statistisch sehr gut da. 320 Menschen wurden 2016 aus dem Meer gerettet.

Auffällig ist, dass die meisten Badetoten ältere Herrschaften sind.

Die ganz große Mehrheit ist zwischen 65 und 75 Jahre alt. Und: Es sind fast alles sehr gute Schwimmer. Sie sind ihr ganzes Leben geschwommen, aber plötzlich kommt der Moment, in dem sie aus körperlichen Gründen nicht mehr gegen die Strömung ankommen oder einen Infarkt im Wasser erleiden. Viele überschätzen einfach die eigenen Fähigkeiten, speziell im Alter.

Was tun Sie, damit weniger Menschen im Meer ihr Leben lassen müssen?

Wir haben in diesem Jahr an einigen Stränden, wie etwa in Calvià, die Zeiten verlängert, in denen Rettungsschwimmer anwesend sind. Außerdem rüsten wir nach und nach die Strände mit Defibrilatoren aus. Da sind die Balearen weit voraus. Immer wieder kommen Kollegen aus anderen Regionen in Spanien, um von uns zu lernen.

Auch die Waldbrände sind Ihr Metier. Die Balearen sind in den vergangenen ein, zwei Jahren von schweren Feuern verschont geblieben. Ist das purer Zufall?

Zu einem gewissen Prozentsatz schon. Aber wir haben natürlich auch aus früheren Brandkatastrophen gelernt. Inzwischen behandeln wir jedes Feuer so, als sei es das größte Inferno. Wenn der Brand nicht nach einer Stunde gelöscht ist, bieten wir alles an Hubschraubern und Löschtrupps auf, was verfügbar ist. Denn wenn es erst einmal ein paar Stunden brennt, bekommt man das Feuer kaum noch unter Kontrolle.