Klein gedruckte Schrift auf Informationstafeln im Rathaus, komplizierte Beamtensprache in Dokumenten, die für die Öffentlichkeit bestimmt sind, und Fernsehnachrichten ohne Untertitel oder Gebärdensprachenübersetzer - mit alledem will die balearische Landesregierung auf Mallorca Schluss machen. Das neue „Ley de Accesibilidad Universal", das das Balearen-Parlament Ende Juli verabschiedet hat, soll Barriere­freiheit auf eine neue Stufe heben. „Wir wollen erreichen, dass Menschen mit den verschiedensten Behinderungen oder Einschränkungen trotzdem ungehindert an öffentliche Informationen gelangen können", sagt Antònia Artigues, Sprecherin des Verkehrsministeriums, das das neue Gesetz maßgeblich ausgestaltet hat. Nicht nur Menschen mit Gehbehinderungen, sondern auch denjenigen mit Sehstörungen, Hörschwächen oder intellektuellen Einschränkungen soll das Alltagsleben erleichtert werden.

Bei null fangen die Politiker mit ihrem Gesetz nicht an. Bereits seit Jahrzehnten müssen alle Neubauten auf den Balearen - neben Verwaltungsgebäuden auch Einkaufszentren, Hotels oder Wohnungen - ebenso barrierefrei sein wie Gehwege, Zebrastreifen oder Bahnhöfe. So will es das 1993 verabschiedete Gesetz zur Barrierefreiheit. „Neu ist jetzt, dass nicht nur architektonische Hindernisse überwunden werden sollen, sondern eben auch solche, die mit dem Zugang zu Informationen zu tun haben", so Artigues. So reiche es beispielsweise nicht aus, wenn ein Rathausgebäude zwar über eine Rollstuhlrampe verfüge, die Beschilderung im Inneren aber nicht mit Brailleschrift für die Sehbehinderten vervollständigt sei oder die Mitarbeiter den Menschen mit Behinderung nicht angemessen erklären, welche behördlichen Schritte sie verfolgen müssen.

„Eine weitere große Neuerung sind die Strafen, die wir nun gesetzlich festschreiben", so Artigues. Zwischen 300 und 300.000 Euro müssen öffentliche Institutionen oder private Unternehmer zahlen, die gegen die Anforderungen zur Barrierefreiheit verstoßen. „Nur so können wir garantieren, dass die Vorschriften auch eingehalten werden", so Artigues.

„Die Intention hinter dem Gesetz begrüßen wir natürlich", bewertet Paco Torres, Vorsitzender der Vereinigung von Personen mit körperlicher Behinderung auf den Balearen (Asprom), im Gespräch mit MZ. Von Euphorie könne aber nicht die Rede sein. „Nicht einmal alle öffentlichen Einrichtungen halten sich derzeit an die vorgeschriebenen Normen, was architektonische Barrieren angeht", kritisiert er. Auf dieser Basis zu glauben, dass sogar private Unternehmen den Anforderungen in Zukunft Folge leisten werden, sei sehr optimistisch. Statt nur auf Bußgelder zu setzen, sei es angemessener, auch finanzielle Unterstützung für die Firmen bereitzustellen, um barrierefreie Umbauten zu finanzieren. „Personen mit Behinderung bekommen privat viel staatliche Finanzierungshilfen, Unternehmen dagegen nicht", so Torres.

Die größte Barriere sei nach wie vor die soziale. „Das Gesetz ist gut, aber es müsste durch Kampagnen begleitet werden, in der die Gesellschaft für die Schwierigkeiten sensibilisiert werden, die Menschen mit körperlichen Behinderungen haben." Schon oft habe er erlebt, dass rücksichtslose Bürger unerlaubterweise auf Behindertenparkplätzen parken. „Andere wiederum stellen sich so dicht daneben, dass es für die Menschen mit Einschränkungen nicht möglich ist, auszusteigen." Auch in öffentlichen Stellen fehle es häufig an Bewusstsein. „Da brüsten sich die Gemeinden damit, dass sie die Normen von abgesenkten Bordsteinen an Fußgängerüberwegen einhalten, aber gleichzeitig sind die Gehwege nicht passierbar, weil sie nicht instand gehalten und der Asphalt von Baumwurzeln zerstört wird", schimpft Torres. „Und das betrifft kleine Inseldörfer ebenso wie das historische Zentrum der Inselhauptstadt", betont er. Von wirklicher Barrierefreiheit könne daher noch lange nicht die Rede sein. Aber immerhin, so Torres einlenkend, weise das neue Gesetz in die richtige Richtung.

Auch im Verkehrsministerium sei man sich darüber im Klaren, dass die Auswirkungen des Gesetzes eher langfristiger Natur sein werden, so Antonia Artigues. Noch ist alles etwas schwammig. Beispielsweise steht noch nicht fest, wann und wie viele Inspektoren eingesetzt werden, um die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren. „Es bedarf noch weiterer Regulierungen", gibt Artigues zu. „Das neue Gesetz ist ein guter Rahmen, aber nur ein erster Schritt."