Auf Mallorca ebenso wie in ganz Spanien heizt sich die Debatte über den Umgang mit dem großen Urlauberandrang und den damit einhergehenden Problemen weiter auf. Seit Tagen macht ein neues Schlagwort die Runde: turismofobia (Tourismusphobie). Insbesondere konservative und unternehmerfreundliche Stimmen befürchten, dass eine demonstrativ zur Schau getragene Ablehnung des Tourismus' dem wichtigsten Wirtschaftszweig nachhaltig schaden könnte.

Das Fass zum Überlaufen brachten jetzt die Aktionen von Arran, der Jugendorganisation einer linken katalanischen Unabhängigkeitsorganisation: In Barcelona zerschnitten deren Aktivisten die Reifen eines voll besetzten Busses, zuvor hatten andere Mitglieder im Hafen in Palma Konfetti geworfen, Bengalos gezündet und Spruchbänder hochgehalten, auf denen unter anderem stand: „Tourism kills Mallorca" (MZ berichtete). Am Mittwoch (9.8.) wurde bekannt, dass die ebenfalls linke Separatistengruppe Endavant 1.000 Mietwagen mit Aufklebern versehen hatte, auf denen steht: „Aquest cotxe sobra" (Dieses Auto ist zu viel). All diese Vorfälle wurden allerdings erst bekannt, nachdem die dafür verantwortlichen Gruppen diese selbst auf Twitter publik gemacht hatten.

Auch im baskischen San Sebastián ist für Samstag (12.8.) eine Anti-Ferienvermietung-Demo angekündigt. Zudem mehren sich wieder die Graffitis. Im Touristen-Hotspot Parc Güell in Barceloba stand vor wenigen Tagen etwa: „Tourist: Your luxury trip, my daily misery" (Tourist: Deine Luxusreise ist mein tägliches Elend). Und in Esporles wurde für ein Dorffest unter dem Titel „Jagt den Touristen" eine Schnitzeljagd angekündigt, bei der kleine versteckte Touristenfiguren gefunden werden mussten.

Als Urlauber fühlt man sich so nicht unbedingt willkommen. Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy fühlte sich denn auch am Montag (7.8.) bemüßigt, Stellung zu beziehen: „Ich weiß nicht, ob man den Tourismus mit Plakaten à la 'Willkommen Señor Turista' begrüßen muss, aber es wäre ein Unding, ihn mit Füßen zu treten", sagte er nach seinem Treffen mit König Felipe VI. in dessen mallorquinischer Sommerresidenz Marivent. Spanienweit sorge der Tourismus für 13 Prozent der Arbeitsplätze - insgesamt 2,5 Millionen Jobs - und mache elf Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts aus, so Rajoy.

Die konservative Volkspartei (PP) des Ministerpräsidenten wirft den Regierungen in Katalonien und auf den Balearen vor, dass sie die Aktionen nicht eindeutig genug verurteilt. Wer heute Konfetti werfe, zünde morgen Busse an, warnte etwa Generalsekretär Fernando Martínez-Maíllo, der die Arran-Aktivisten als „ungezogene Bengel" bezeichnete.

Die balearische Landesregierung - deren Wählerbasis mehrheitlich tourismuskritisch ist - hat die Aktionen von Arran verurteilt, gleichzeitig aber auch Verständnis für das ihnen zu Grunde liegende Anliegen gezeigt: „Man kann nicht so mit dem Tourismus, dem wichtigsten Wirtschaftssektor der Insel, spielen", sagte Tourismusminister Biel Barceló. „Die Kritik an der touristischen Ausrichtung ist berechtigt, aber nicht so."

Man sei keineswegs tourismophob, unterstrichen indes zwei Arran-Sprecher gegenüber der MZ-Schwesterzeitung „Diario de Mallorca". Man habe niemanden tätlich angegriffen und wolle mit den Aktionen lediglich auf die Probleme, die das Urlaubergeschäft aufwerfe, hinweisen. Arran, eine Organisation, die auf den Balearen gerade einmal 13 Mitglieder hat, fordert unter anderem ein Bauverbot für Hotels, ein Verbot von Ferienwohnungen und bessere Arbeitsbedingungen für die Angestellten im Gastgewerbe. „Es geht um die Kontrolle und Regulierung einer Branche, die nicht verschwinden wird", so die Sprecher der Formation.

In den sozialen Medien wurde derweil Kritik an der Begrifflichkeit turismofobia laut. Diese werde nur verwendet, um berechtigte Kritik an den Folgen des unkontrollierten Massentourismus zu unterdrücken, heißt es in mehreren Beiträgen und Tweets. Ein viel geteilter Artikel unter dem Titel „Turismofobia, tu padre" kritisiert unter anderem: „Wenn du beklagst, dass ein Kellner 700 Euro im Monat für zwölf Stunden Arbeit sieben Tage die Woche bekommt, von denen nur vier Tage im Vertrag stehen, heißt es gleich, du hasst den Tourismus."

Neu ist das Wort nicht: Bereits 2008 veröffentlichte etwa die Zeitung „El País" einen Beitrag des Anthropologen Manuel Delgado mit der Variante „Turistofobia" im Titel. Rein grammatikalisch ist der Begriff in Ordnung. Die dem reinen Sprachgebrauch verpflichtete Stiftung „Fundéu BBVA" erklärte, turismofobia könne als Substantiv im Spanischen ohne Gänsefüßchen verwendet werden und brauche auch nicht kursiv geschrieben zu werden.