Bald beginnt der Herbst, und Mallorcas Rettungsschwimmern stehen noch einmal zwei kritische Monate bevor. Das Wetter wird unberechenbarer, der Wellengang höher, und etwa an der Playa de Muro kommt es verstärkt zu den gefürchteten Unterströmungen, die in den vergangenen Jahren mehrere Menschen das Leben kosteten. Darüber hinaus ändert sich das Profil der Badeurlauber. Der Präsident der balearischen Vereinigung der Rettungsschwimmer, Carlos de España, warnt: „Vor allem in den Herbstmonaten kommen viele ältere Besucher auf die Balearen, sodass unsere Rettungsschwimmer noch einiges an Arbeit erwartet." Die überwiegende Zahl der Badetoten sind Personen über 55 Jahre, die einen plötzlichem Herzstillstand oder Schlaganfall während des Badens erleiden.

Bisher sind nach den offiziellen Zahlen des spanischen Rettungsschwimmerverbandes auf den Balea­ren 21 Menschen am Strand oder in Pools ums Leben gekommen. Zum Vergleich: Im Jahr 2016 waren es insgesamt 37. Es besteht berechtigte Hoffnung, dass diese Zahl in diesem Jahr nicht erreicht wird.

Wobei das mit der Statistik so eine Sache ist. Eine Pressesprecherin der balearischen Rettungsleitstelle 112 ist vorsichtig und will die 21 Toten weder bestätigen noch dementieren. „Wir ziehen erst Bilanz, wenn die Badesaison im November wirklich vorbei ist", sagt sie der MZ. Und auch dann dauere es noch ein paar Wochen, bis die Zahlen vorlägen. Es sei eine aufwendige Arbeit, alle Daten der Strände abzugleichen und sie dann noch mit den Zahlen der Gemeinden auf den Balearen zu kreuzen. Daraus ergibt sich dann eine offizielle Zahl der Badetoten auf den Inseln.

Diese berücksichtigt laut der Sprecherin aber nur die Personen, die direkt an Ort und Stelle gestorben sind. „Wenn jemand beispielsweise in kritischem Zustand ins Krankenhaus gebracht wird, verfolgen wir den Fall nicht mehr weiter." Stirbt der Patient dort, zählt er also offiziell nicht mehr als Badetoter.

Die Todesfälle ereignen sich indessen keinesfalls ausschließlich am Strand. Gerade einmal die Hälfte (51 Prozent) der Menschen, die in diesem Jahr laut der Zahlen des Rettungsschwimmerverbandes auf den Inseln zu Tode kamen, starben im Meer. 37 Prozent von ihnen ertranken in einem privaten Pool oder einem Schwimmbad, die restlichen zwölf Prozent in sonstigen Gewässern wie zum Beispiel auch Sturzbächen.

Klar ist: Sind der Strand oder das Schwimmbad bewacht, ist die Gefahr, bei einem Badeunfall zu sterben, deutlich geringer. Die Zahlen sind seit Jahren stabil: Zwischen 70 und 80 Prozent der Badetoten werden an unbeaufsichtigten Stellen registriert. Carlos de España bedauert deshalb, dass sein Verband nicht an mehr Stellen Rettungsschwimmer oder zumindest ­Aufsichtspersonal postieren kann.

Schuld sei die äußerst knausrige finanzielle Ausstattung der Rettungsschwimmer durch die öffentliche Verwaltung. Außerdem werde viel zu wenig Geld für Werbeaktionen gegen Badeunfälle locker gemacht. „Es kann doch nicht sein, dass ständig große Werbekampagnen gefahren werden, um Verkehrsunfälle zu verhindern, aber kein Euro in die Hand genommen wird, um das Bewusstsein für Badeunfälle zu schärfen." Zum Vergleich: Auf den Balearen gab es in den vergangenen Jahren jeweils zwischen 50 und 60 Verkehrstote.

Als besonders groß gilt das Risiko auf Mallorca an den Stränden in Magaluf sowie an der Playa de Palma - „vor allem aufgrund des Profils der Badenden", erklärt de España. Oft seien nun mal Alkohol oder Übermut die Auslöser für Badeunfälle. Da diese Strände bewacht sind, kommt es aber nur selten zu tödlichen Unfällen. Immer wieder seien auch Kleinkinder in folgenschwere Unglücke ver­wickelt, weil ihre Eltern die Aufsichtspflicht verletzten oder nicht rechtzeitig zur Stelle seien.

Auf Mallorca besonders in Erinnerung ist in diesem Jahr vor allem der Fall eines zweijährigen dänischen Jungen, der nachts aufwachte und unbemerkt von seinen Eltern aus einem Ferienhaus nahe Llucmajor lief. Er fiel in den Pool im Garten und wurde erst am nächsten Morgen von den Eltern tot aufgefunden.

Interview:

Toni Carrió ist Koordinator an der Playa de Muro und als solcher für die Rettungsschwimmer, die „socorristas", zuständig. Im Gespräch mit der MZ beklagt er die Unvernunft mancher Badeurlauber.

Hat die Disziplin der Badegäste in den vergangenen Jahren weiter nachgelassen?

Ich würde nicht sagen, dass es mehr Fälle von Unvernunft gibt, aber die Aggressivität hat in diesem Jahr zugenommen. Wir hindern die Leute ja nicht aus Spaß daran, im Meer zu baden. Und wir haben teilweise auch Verständnis, weil die Touristen ihren Urlaub natürlich genießen wollen.

Woran machen Sie die gesteigerte Aggressivität gegenüber den Rettungsschwimmern fest?

Ein Beispiel: Wir hatten in diesem Jahr einen Fall im Bereich Capellans, bei dem ein Pärchen trotz roter Flagge Stand Up Paddling betrieb. Als der Rettungsschwimmer sie aufforderte, ans Ufer zurückzukehren, taten sie das zwar, beschimpften und beleidigten ihn allerdings aufs Heftigste und verpassten ihm Stöße mit den Ellenbogen. Das war das erste Mal, dass einer unserer Leute tatsächlich körperlich angegriffen wurde.

Wie bereiten Sie die Rettungsschwimmer darauf vor?

Wir geben ihnen vor allem mit, jede Form der Konfrontation zu vermeiden. Das Problem ist, dass Rettungsschwimmer nicht wie Polizisten oder Feuerwehrleute Badegäste anzeigen können oder ihnen Strafen ausstellen. Die Leute wissen das und verhalten sich dementsprechend. Wir haben da wenig in der Hand.