„Wir werden von Hütchenspielern regiert", meint Josep Bou vom Verband Empresaris de Catalunya.

Josep Bou Vila ist Besitzer einer Bäckereikette und einer Immobilienfirma. Der mittelständische Unternehmer sitzt zudem dem Unternehmerverband Empresaris de Catalunya vor. Er hat sich persönlich und in Vertretung der 480 Mitglieder des Verbandes immer wieder gegen die Unabhängigkeitsbestrebungen Kataloniens gestellt. Das Interview fand in den eleganten Jugendstil-Räumen des Círculo Ecuestre statt, einem über 150 Jahre alten Sport- und Sozialclub in Barcelona.

Werden Sie am Sonntag mit Nein stimmen?

Ich werde überhaupt nicht abstimmen und ich sage auch allen, dass sie nicht am Referendum teilnehmen sollen.

Dann gewinnt wohl das Ja zur Unabhängigkeit?

Das Referendum verstößt gegen die Verfassung, und an einer illegalen Veranstaltung sollte man nicht teilnehmen. Abgesehen davon finde ich nicht, dass wir noch mehr Unabhängigkeit brauchen. Katalonien hat seit Beginn der Demokratie immer mehr Zugeständnisse von Madrid bekommen, vor allem, weil die Zentralregierung die Stimmen der früheren Regionalpartei CiU gebraucht hat.

Warum sind Sie gegen die Unabhängigkeit Kataloniens?

Als katalanischer Unternehmer kann man nicht für die Unabhängigkeit sein. Spanien ist unser größter Markt. Wir verkaufen mehr in Aragonien als in Frankreich, mehr in Kantabrien als in den USA. Spanien, das sind 40 Millionen Konsumenten in direkter Nähe. Kataloniens Unternehmer haben in der Geschichte Spaniens immer eine enorm wichtige Rolle gespielt. Die würden wir riskieren.

Ein Argument der Separatisten ist die Verteilung der Steuereinnahmen in Spanien. Katalonien zahlt tatsächlich mehr ein, als es aus Madrid zurückbekommt.

Katalonien war da immer solidarisch, das ist richtig. Vor allem Andalusien, die Extremadura und die Kanarischen Inseln profitieren vom derzeitigen Modell des Finanzausgleiches zwischen den Regionen. Aber nehmen wir mal an, Katalonien wäre unabhängig: 40 Prozent der katalanischen Wirtschaftskraft und 70 Prozent des katalanischen Brutto­inlandsproduktes werden in Barcelona und Umland erwirtschaftet. Das heißt, die Provinz Barcelona unterstützt die gesamte Provinz Lleida und einen Teil der Provinzen von Girona und Tarragona. Barcelona ist innerhalb Kataloniens also auch solidarisch. Das System der Solidarität anzuzweifeln, das führt zu nichts. Es wird immer stärkere und schwächere Regionen geben. Abgesehen davon ist die Region Madrid noch solidarischer: Sie hat 2014 - und das sind die neuesten Zahlen - rund 20 Milliarden Euro mehr bezahlt, als es zurückbekommen hat, Katalonien fast zehn Milliarden Euro, gefolgt von den Balearen (rund 1,5 Milliarden) und Valencia (rund 1,7 Milliarden).

Wäre ein katalanisches Finanz- und Steuerwesen nicht trotzdem gerechter?

Solange die Separatisten an der Macht sind, traue ich auch einem katalanischen Finanzwesen nicht. Das wäre sicher ideologisch geprägt, die würden bestimmten Unternehmern Steuerprüfer schicken. Ich bin einer der wenigen, die offen gegen die Unabhängigkeit sprechen, hier, in den Räumen eines Privatclubs. Auf der Straße bin ich da vorsichtiger, die Leute kennen mich.

Spüren Sie Feindseligkeit?

In gewissen Zirkeln schon. Im Unternehmerkreisen sind wir uns einig, die meisten sind dagegen, die großen Firmen sowieso, auch die Handelskammer. Bei kleineren Unternehmen in der Provinz mag das anders sein. Überhaupt macht es einen großen Unterschied, ob man hier in Barcelona lebt oder in der katalanischen Provinz. Dort existieren weder Spanien noch die spanische Sprache. Da haben die Katalanisten ganze Arbeit geleistet. Mehr als 30 Jahre lang wurde an den Schulen der Hass auf Spanien geschürt. Die Kinder kennen Spanien gar nicht. Und was man nicht kennt, kann man nicht lieben.

Wieso verlassen Sie Katalonien nicht?

Wenn bei den Neuwahlen wieder die Separatisten gewinnen, überlege ich mir das. 5.000 Firmen haben seit 2012 Katalonien verlassen, die meisten sind nach Madrid gezogen. Die Einkommenssteuer ist jetzt schon enorm hoch hier, wir haben zu viele Gesetze und Auflagen, dazu kommt die politische und juristische Unsicherheit. Katalonien verliert seit Jahren an Wirtschaftskraft.

Wäre eine katalanische Republik ärmer als eine autonome Region?

Katalonien wäre am Tag eins der Unabhängigkeit bankrott. Der spanische Staat schießt jetzt schon Geld zu, bei den Renten zum Beispiel. Katalonien hat 75 Milliarden Euro Schulden. Der Handel müsste neu geregelt werden. Gäbe es dann Zölle? Katalonien wäre ja erst mal nicht mehr in der EU. Das möchte man sich als Unternehmer gar nicht ausmalen. Das ganze Unabhängigkeitsprojekt hat weder Hand noch Fuß. Wir werden von Hütchenspielern regiert, die denken, wir merken nicht, was abgeht.

„Ohne Katalonien wäre Spanien schon längst pleite", meint der Unternehmer Eugeni Regada

Eugeni Regada Matas betreibt in Barcelona, Madrid und Mexiko eine Firma für Computer- und Netzsicherheit. Der gelernte Programmierer hat rund hundert Angestellte. Am 1. Oktober will er für die Abhängigkeit stimmen, auch wenn er nicht glaubt, dass eine katalanische Republik so schnell ausgerufen werden wird. Regada kommt zum Interview in ein Straßencafé im bürgerlichen Eixample-Viertel.

Warum sollte Katalonien raus aus Spanien?

Unsere Mentalität, unsere Art, zu arbeiten und die Dinge anzugehen, haben einfach nichts mit Süd- oder Westspanien zu tun, von Ceuta und Melilla und den Kanarischen Inseln ganz zu schweigen. Das soll keine Kritik sein, ich wünsche den Menschen dort nichts Böses, aber Katalonien hat einfach immer gekämpft, um vornedran zu sein. Wir setzen hier auf Indus­trie, auf Innovation, auf Fortschritt. Deswegen ist Katalonien ja auch das Zugpferd Spaniens. Wir erwirtschaften hier 20 Prozent des spanischen Bruttoinlandsprodukts. Haben Sie sich jemals gefragt, warum alle großen spanischen Banken in Nordspanien sind?

Ist das nicht unsolidarisch?

Nein. Wir sind einfach zu verschieden. Katalonien liegt an der Grenze zu Frankreich, wir sind Europäer, haben uns immer nach Norden hin orientiert, gehören einer anderen, einer besseren Zivilisation an. Ich kann Spanien mit vielen anderen Kulturen vergleichen, mit Japan, mit Mexiko ? Nirgends habe ich so viel Langsamkeit und Nachlässigkeit gesehen, sowohl bei Unternehmern als auch in der Regierung. Es heißt doch immer wieder: Lasst mal die anderen machen. Wenn ich in Andalusien oder auf den Kanaren etwas kaufe und eine Rechnung verlange, sehen sie mich mit großen Augen an. Oft wissen sie gar nicht, wie man eine Rechnung ausstellt.

Und das verärgert Sie.

Das bezahlen doch alles wir, die hart arbeitende Bevölkerung! In Andalusien und in der Extremadura gibt es Subven­tionen für Geringbeschäftigte, den ­sogenannten PER (Plan de Empleo Rural). Davon leben oft ganze Familien. Damit kauft sich die Regierung Stimmen und soziale Ruhe. Dass mit solchen Maßnahmen aber auch jeder Antrieb bei den Jugendlichen erstickt wird, das erkennt man nicht. Warum ­sollten sie arbeiten, wenn sie auch ohne Arbeit leben können? So etwas bringt ein Land nicht voran.

Sprechen Sie mit Ihren Kunden über die Ereignisse in Katalonien?

Ja, manchmal. Ich bekomme da ganz schönen Unsinn zu hören, dass das Problem zum Beispiel nur mit Panzern gelöst werden könnte. Das ist mir aber egal. Wer mit mir nicht mehr arbeiten will, weil ich für Unabhängigkeit bin, hat Pech gehabt. Ich suche mir neue Kunden, in Andorra - oder in Frankreich.

Wären die Geschäfte zwischen Spanien und einem unabhängigen Katalonien nicht viel komplizierter als bisher?

Ich würde erst mal Spanier bleiben, das Recht kann einem ja niemand nehmen, es ist von der Verfassung garantiert. Dann habe ich bereits zwei Steuernummern angemeldet. So könnte ich wahlweise mit der Firma in Barcelona oder in Madrid arbeiten. Generell ist ein neues Land auch immer für Investoren interessant. Wir bräuchten ein komplett neues Telekommunikationssystem zum Beispiel. Frankreich steht da schon in den Startlöchern.

Glauben Sie wirklich, dass Katalonien nach dem Referendum unabhängig wird?

Nein. Das Referendum ist nicht richtig vorbereitet, und es gab keinen Konsens. So kann man das nicht machen. Ich glaube, es wird das Nein gewinnen. Dann wird es Neuwahlen geben und dann werden hoffentlich die richtigen Unabhängigkeitsverfechter gewinnen, von der Partei Esquerra Republicana de Catalunya (ERC). Die handeln nicht übereilt und gehen die Dinge mit System an. Wir geben jedenfalls nicht auf, unsere Kinder werden weitermachen. Wir kämpfen jetzt schon seit mehr als 300 Jahren.

Wie stellen Sie sich ein unabhängiges Katalonien vor?

Wir würden selbst entscheiden, was wir mit unserem Geld machen. Europäische Investoren kämen, die Wirtschaft würde anziehen. Ohne Katalonien wäre Spanien pleite und müsste unter den europäischen Rettungsschirm, wie Griechenland. Stellen Sie sich vor, es brechen plötzlich 20 Prozent des BIP weg! Schon deshalb hat Europa kein Inte­resse an der Abspaltung und hält sich zurück. Spanien käme Europa dann teuer.

Madrid, Valencia, die Balearen, das sind auch starke Wirtschaftsregionen.

Mag sein, aber keiner hat eine so solide Industrie und ein so dichtes Unternehmernetz wie Katalonien. Madrid ist vor allem deshalb stark, weil da die ganze Verwaltung sitzt. Aber fahren Sie mal mit dem Zug von Madrid nach Barcelona: Dort sehen Sie am Stadtrand Berge und Siedlungen. Hier sehen Sie Gewerbeparks und Industrieanlagen.

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