Carles Puigdemont hat in seiner Rede vor dem katalanischen Parlament am Dienstagabend (10.10.) die Ergebnisse des illegalen Unabhängigkeits-Referendums vom 1.10. für bindend erklärt. Man habe sich das "Recht auf einen unabhängigen Staat in Form einer Republik" erstritten, so der Ministerpräsident Kataloniens. Eine entsprechende Erklärung wurde nach der Debatte von den Abgeordneten der Regierungskoalition unterzeichnet.

Zugleich bat Puigdemont aber das Parlament darum, die Unabhängigkeitserklärung - anders als in einem Wochen zuvor verabschiedeten Gesetz vorgesehen - noch einmal aufzuschieben. Man brauche noch Zeit, um mit der Zentralregierung und anderen Gruppen in einen Dialog zu treten, der eine friedliche Lösung ermögliche. Wie schon in der Vergangenheit befürwortete Puigdemont dabei eine internationale Vermittlung.

In Madrid warf die Vize-Regierungschefin Soraya Saénz de Santamaría (PP) dem katalanischen Ministerpräsident am Abend vor, "ein Höchstmaß an Ungewissheit" verbreitet zu haben. Er wisse weder, wo er stehe, noch wo er hinwolle, so die PP-Politikerin.

Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy traf sich ebenfalls am Abend mit dem Sozialistenchef Pedro Sánchez. Für Mittwoch (11.11.) ist ein außerordentlicher Ministerrat einberufen worden. Zudem will Rajoy am Nachmittag vor dem Kongress in Madrid sprechen. Im Raum steht, dass die Zentralregierung trotz dem Dialogangebot aus Barcelona mit Berufung auf den Verfassungsartikel 155 die Autonomie Kataloniens aussetzt und deren Regierung faktisch entmachtet.

In seiner rund 40-minütigen Rede beschrieb Puigdemont, wie es aus seiner Sicht zu dem Konflikt gekommen war, der in dem vom Verfassungsgericht untersagten und von einem brutalen Polizeieinsatz teilweise verhinderten Referendum vom 1. Oktober gegipfelt war. Die Rede war von einer jahrelangen "Demütigung" durch den Zentralstaat. An einer Stelle wandte sich Puigdemont jedoch auch auf Spanisch an die Zuhörer: Man habe weder etwas gegen Spanien noch gegen die Spanier.

An anderer Stelle seiner Rede unterstrich Puigdemont ausdrücklich, dass auch die Gegner der Unabhängigkeit, die am Sonntag zu Hunderttausenden in Barcelona demonstriert hatten, einen Recht auf ihren Standpunkt haben.

Die Opposition antwortet auf Puigdemont

Die Oppositionspolitikern Inés Arrimades (Ciudadanos) warf Puigdemont in der parlamentarischen Replik vor, nicht nur Europa und Spanien teilen zu wollen, sondern auch die katalanische Gesellschaft zerrissen zu haben. "Sie setzen die Autonomie Kataloniens aufs Spiel", sagte die liberale Politikerin.

Die meisten Bürger Kataloniens fühlten sich als "Katalanen, Spanier und Europäer". Nicht Spanien habe Katalonien geschadet, sondern korrupte Politiker. Auch Arrimades rief zum Abschluss ihrer Rede zum Dialog auf - allerdings auf verfassungsrechtlichen Grundlagen.

Der Generalsekretär der katalanischen Sozialisten Miquel Iceta warf Puigdemont indes vor, nicht nur ein illegales Referendum abgehalten zu haben, sondern das Ergebnis auch noch für gültig zu erklären. Eine Minderheit könne nicht für die Mehrheit entscheiden. Auch Iceta kritisierte den Polizeieinsatz vom 1. Oktober..

Die eigentlich für 18 Uhr angesetzte Parlamentsdebatte um die katalanische Unabhängigkeit war in letzter Sekunde um eine Stunde auf 19 Uhr verschoben worden. Auch die Abgeordneten wurden offenbar in letzter Sekunde informiert. Viele von ihnen hatten um 18 Uhr schon Platz genommen. Offenbar musste Puigdemont noch den Juniorpartner der Koalition, die linke Unabhängigkeitspartei CUP, beschwichtigen. Deren Abgeordnete hatten auf eine bedingungslose Unabhängigkeitserklärung gedrängt und versagten dem Ministerpräsident nach seiner Rede demonstrativ den Beifall. Sehen Sie die Erklärung von Puigdemont hier im Livestream:

Am Dienstagnachmittag (10.10.) hatte sich Donald Tusk, der Präsident des Europäischen Rates zu Wort gemeldet. Er bat Puigdemont, die Gesetze zu befolgen. "Unternehmen Sie nichts, was den Dialog beenden würde", so der Appell des Polen an den katalanischen Regierungschef.

Hintergründe zur Parlamentssitzung: Showdown in Katalonien

Zuvor hatte die balearische Ministerpräsidentin Francina Armengol (PSIB, Sozialisten) in einer Parlamentsdebatte in Palma de Mallorca am Dienstag (11.10) ihren katalanischen Amtskollegen Carles Puigdemont zu einem Verzicht auf die einseitige Unabhängigkeitserklärung aufgefordert.

Zugleich forderte sie den spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy dazu auf, nicht auf eine Verfassungsklausel zurückzugreifen, die es ihm erlauben würde, die Regionalregierung in Barcelona zu entmachten."Ein politischer Konflikt kann in keiner Weise mit Repression oder Aussetzung der Autonomie gelöst werden", so Armengo.