Der ehemalige katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont riskiert einen europäischen Haftbefehl. Während ein Großteil seiner abgesetzten Regionalregierung am Donnerstag (2.11.) vor dem Nationalen Gerichtshof in Madrid erschien, missachteten Puigdemont und vier Mitglieder seines Ex-Kabinetts die Vorladung. Durch ihre Anwälte forderten sie ihre Vernehmung per Videokonferenz aus Belgien. Puigdemont hatte im Vorfeld verkündet, nicht nach Spanien zurückkehren zu wollen, bis man ihm einen "fairen und unabhängigen Prozess" garantiere.

Unterdessen forderte die Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft für fast alle Mitglieder der abgesetzten katalanischen Regierung. Sie werden beschuldigt, sich durch die Planung und Durchführung des vom Verfassungsgericht für illegal erklärten Referendums sowie durch die spätere Unabhängigkeitserklärung der Rebellion, des Aufruhrs und der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gemacht zu haben. Im Falle einer Verurteilung drohen für diese Straftaten bis zu 30 Jahre Gefängnis.

Von dem Antrag auf Untersuchungshaft wurde lediglich der ehemalige katalanische Wirtschaftsminister, Santi Vila, ausgenommen. Dieser war kurz vor der Unabhängigkeitserklärung von seinem Amt zurückgetreten.

Neben der abgesetzten katalanischen Separatisten-Regierung wurde auch die Vorsitzende des Regionalparlaments Carme Forcadell sowie die weiteren Mitglieder des Parlamentsvorsitzes vor Gericht zitiert. Auf Antrag der Verteidigung vertagten die Richter des Obersten Gerichtshofs (Tribunal Supremo) die Vernehmung allerdings auf den 9. November.

Der abgesetzte Ministerpräsident gehört der bürgerlichen Partei PdeCat an und regierte in Koalition mit der separatistischen ERC und der linksradikalen CUP. Seine Absetzung erkennt er nicht an. Aus Belgien wolle er mit einem Teil seines Kabinetts als einer Art Exilregierung weiter Politik machen. Die andere Hälfte der Regierung unter Leitung des stellvertretenden Ministerpräsidenten Oriol Junquera (ERC) täte in Katalonien ein Übriges. Man werde mit "größtmöglicher Kreativität" weiterregieren.

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Die Regierungsgeschäfte in Barcelona übernahm die Zentralregierung in Madrid. Regierungschef Mariano Rajoy beauftragte mit dieser Aufgabe seine Stellvertreterin Soraya Sáenz de Santamaría. Die Übergangsregierung aus Madrid soll geschäftsführend bis zu den Neuwahlen am 21. Dezember im Amt bleiben. An diesen Wahlen wollen sich auch die separatistischen Parteien beteiligen. Neueste Umfragen deuten darauf hin, dass die Unterstützter der Unabhängigkeit erneut die absolute Mehrheit der Sitze im Regionalparlament erlangen könnten. /tg