Mohamed Harrak (28) arbeitete sechs Jahre lang als Koch in einem Hotel in Santa Ponça und war in seiner Freizeit Schiedsrichter beim Basketball. Bis zum 19. April 2016, als plötzlich eine Spezialeinheit der Nationalpolizei seine Wohnung in Son Gotleu stürmte und ihn festnahm. Der Vorwurf: Mitgliedschaft einer jihadistischen Gruppierung, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, junge Moslems zu radikalisieren. Niemand glaubte Harrak, dass er sich nur in diesen Kreisen aufhielt, um dem spanischen Geheimdienst Informationen zukommen zu lassen. Erst nach anderthalb Jahren im Gefängnis wurde der Marokkaner schließlich freigesprochen. Seinen Sohn, der vor elf Monaten geboren wurde, hat er bisher nur auf Fotos gesehen.

Wie ist es Ihnen in Haft ergangen?

Es war sehr hart. Ich war in vier verschiedenen Gefängnissen, teilweise in Einzelhaft. Am schlimmsten war es im Gefängnis von Saragossa.

Wie lief Ihre Verhaftung ab?

Ich war am schlafen und hörte laute Schläge. Drei Polizisten kamen in mein Zimmer. Ich dachte, sie hätten sich vertan, aber sie warfen mir vor, ein Terrorist zu sein.

Und waren Sie tatsächlich ein jihadistischer Terrorist?

Ich war es nie, ich habe den radikalen Islamismus immer abgelehnt. Ich sagte den Beamten, dass ich kein Terrorist bin, sondern ein Mitarbeiter des spanischen Geheimdienstes CNI (Centro Nacional de Inteligencia, Anm. der Redaktion).

Aber die glaubten Ihnen nicht?

Nein. Aber mir war nicht bewusst, dass ich bis zu meiner offiziellen Aussage vor Gericht ins Gefängnis musste. Ich erzählte dem Untersuchungsrichter meine Position als Geheimdienstmitarbeiter, dass es meine Aufgabe war, Informationen über radikale Gruppen zu beschaffen. Aber er schickte mich ins Gefängnis und sagte, diese Information müsse erst geprüft werden. Ich wusste, dass es ein Missverständnis ist und sich bald aufklären würde.

Hatten Sie im Gefängnis Kontakt zu anderen Muslimen, die beschuldigt wurden, Jihadisten zu sein?

Mit vielen von ihnen. Einige von ihnen, die nie Kontakt zum IS hatten, wanderten wegen irgendwelcher Kommentare, die sie im Internet veröffentlicht hatten, ins Gefängnis. Und dort radikalisieren sie sich dann.

Wenn die herausgefunden hätten, dass Sie ein Geheimagent sind, wäre das bestimmt eine komplizierte Situation im Gefängnis gewesen.

So ist es. Ich spielte eine Doppelrolle, weil ich niemandem sagen konnte, dass ich Agent bin. Ich war lange Zeit über mit zwei verurteilten Jihadisten zusammen und erzählte ihnen, dass die Geheimdienste mir vorgeschlagen hätten, mit ihnen zu kooperieren, ich aber abgelehnt hätte und sie mir deshalb jetzt eine Falle gestellt hätten.

Wie kamen Sie in Kontakt mit dem CNI und warum?

Ich wollte helfen und ein Freund schlug vor, dem CNI meine Dienste anzubieten. Also rief ich dort an und hinterließ eine Nachricht.

Wann setzte sich das CNI mit Ihnen in Verbindung?

Zwei Agenten kamen zu mir auf die Arbeit, sagten mir aber nicht, dass sie vom Geheimdienst sind. Sie stellten sich als Justizbeamte vor. Wochen später klärten sie das auf und boten mir die Kooperation an. Von da an schleuste ich mich in einige radikale Gruppen ein und informierte regelmäßig meinen Kontaktmann, der sich

Ángel nannte.

Aber die Polizei glaubte Ihnen das nicht.

Genau. Zum Glück hatte ich in meinem Handy eine Vorrichtung, die meine Gespräche mit Ángel aufgezeichnete. Sonst wäre ich jetzt bereits verurteilt.

Wurde Ihnen während der Zeit in den radikalen Gruppierungen vorgeschlagen, beim IS anzuheuern?

Ich schleuste mich in eine Zelle von acht Personen ein und sie boten mir an, in die Türkei zu gehen um mich dort dem bewaffneten Kampf anzuschließen, aber ich lehnte ab.

Waren die Informationen, die Sie erwarben, nützlich für das CNI?

Ja, tatsächlich konnten zwei junge Radikale daraufhin festgenommen werden.

Würden Sie das Ganze noch einmal tun?

Auf keinen Fall. Ich will weder mit der Politik, noch dem CNI oder ähnlichen Diensten zu tun haben. Was ich jetzt will, ist meinen Sohn kennenlernen. Er ist in Marokko geboren als ich im Gefängnis war. Ich will bei meiner Frau sein und neu anfangen.

Sind Sie praktizierender Moslem?

Ich bin Moslem, aber vor meiner Festnahme war ich nicht wirklich praktizierend. Dort habe ich den Koran gelesen und jetzt bin ich religiöser.

Nach Ihrer Zeit als Agent lehnen Sie den radikalen Jihadismus vermutlich ab.

Natürlich. Ich finde es immer traurig, wenn ein Attentat verübt wird und Menschen sterben.

Kann der IS-Terrorismus eines Tages beendet werden?

Das ist sehr schwierig. Der Jihadismus lässt sich nicht auslöschen, egal wie viele Anführer man tötet oder Radikale einsperrt. Man kann ganz Syrien bombardieren, aber es wird sich immer jemand finden, der bereit ist, den bewaffneten Kampf wieder aufzunehmen und Unschuldige zu töten.