Mallorca hat in der vergangenen Woche die dunkle Macht des inhaftierten Disco-Königs Bartolomé Cursach zu spüren bekommen. Die Anwälte des Magnaten des Nachtlebens holten zu mehreren Gegenschlägen aus und landeten vermutlich so manchen Treffer mit vorerst unabwägbaren Folgen.

Zunächst änderte eine der wichtigsten Zeuginnen plötzlich ihre Aussage. Statt wie bislang den Disco-König der Bestechung zu bezichtigen, soll sie gegenüber einem von Cursachs Verteidigern nun erklärt haben, der ermittelnde Staatsanwalt, Miguel Ángel Subirán, und der Untersuchungsrichter, Manuel Penalva, hätten sie zu derlei Aussagen gedrängt. Vicente Campaner, einer von Cursachs Anwälten, legte als Beweismittel Screen­shots von WhatsApp-Nachrichten und heimlich gemachte Tonaufnahmen vor, die den Schluss nahelegen sollen, das Gericht hätte die Aussagen mit Zeugen zuvor abgekartet.

Campaner stellte Strafanzeige gegen Staatsanwalt und Untersuchungsrichter und forderte das Oberlandesgericht auf, diese erstens festzunehmen und ihnen zweitens den Fall zu entziehen. Dieser kecken Forderung verlieh er Nachdruck, indem er eine Demonstration gegen die mutmaßlich korrumpierte Justiz organisierte.

Und tatsächlich protestierten am Montag (27.11.) knapp 300 Personen mit Trillerpfeifen und Protestbannern ausgestattet vor dem Oberlandesgericht. Die Teilnehmer dieser Kundgebung - überwiegend Angehörige, Angestellte und Mitbeschuldigte in diesem seit vier Jahren untersuchten Mega-Korruptionsfall in Palmas Nachtleben - trugen dabei den Anwalt sogar auf ihren Schultern durch die Straßen. Campaner, selbst leidenschaftlicher Boxer, schien sich in der Rolle des Rächers zu gefallen.

er dabei keine verbotenen Tiefschläge scheut, zeigte er durch Drohungen gegen Journalisten auf seiner Facebook-Seite. Im Tonfall schlug hier eher der Boxer durch, nicht der Anwalt: „Guten Tag Kiko [gemeint ist ein Redakteur der MZ-Schwesterzeitung ,Diario de ­Mallorca'], ich gebe dir bis 13 Uhr Zeit, eine Stellungnahme der Richterverbände vorzulegen [...], sonst komm' ich am Sonntag vorbei und zeige dich und deine Zeitung an, die in diesem Fall seit Jahren geheime Akten veröffentlicht. ... Ach ja, die Madame hat in den Aufnahmen auch von dir gesprochen."

Wankelmütige Kronzeugin

Mit der Madame ist offensichtlich die geschützte Zeugin Nummer 31 gemeint, die ehemalige Bordellbetreiberin, die in der spanischen Presse als La Madame bezeichnet wird. Bisher hatte sie ehemalige Chefs der Ortspolizei sowie hochrangige PP-Politiker belastet, in ihrem Bordell Orgien mit mehreren Prostituierten gefeiert zu haben, für deren Kosten schließlich Bartolomé Cursach persönlich aufgekommen sein soll. Die präzisen Beschreibungen und handschriftlichen Aufzeichnungen der Zeugin galten als ein Kernstück der Anklage, das nun wegbrechen könnte.

In Kreisen der Staatsanwaltschaft wird befürchtet, dass es gelungen sein könnte, die Zeugin durch Bestechung und Drohung so unter Druck zu setzen, dass sie ihre Version ändert. Auch andere Zeugen waren mehrfach bedroht oder sogar verprügelt worden.

Die Madame schießt nun anscheinend gegen das Gericht. Richter und Staatsanwalt hätten ihr und anderen Beteiligten Falschaussagen in den Mund gelegt. Vermeintliche Augenzeugen hätten vor Gegenüberstellungen Fotos von der Polizei per WhatsApp erhalten, um später auf die richtigen Personen deuten zu können.

Als weiteres wichtiges Element legte Campaner Tonaufnahmen vor, in denen der mit dem Fall beauftragte Ermittlungsrichter Penalva zu hören sein soll, wie er sich in einem sehr vertrauten Tonfall mit der Zeugin unterhalte. Angeblich soll er die Beschuldigten in diesem Gespräch teilweise als „Hurensöhne" bezeichnet haben, was die Unparteilichkeit des Richters eindeutig infrage stelle, so der Cursach-Anwalt.

Justiz wehrt Tiefschläge ab

Die Justiz auf der Insel scheint vorerst fest entschlossen, sich durch die große Kampagne der Cursach-Verteidiger nicht einschüchtern zu lassen. Das Oberlandesgericht in Palma lehnte den Antrag der Verteidigung ab, den Fall dem Richter Penalva und dem Staatsanwalt Subirán zu entziehen. Sollte es Zweifel an der Unparteilichkeit der Justiz geben, solle die Verteidigung entsprechende Rechtsmittel einlegen und dafür die üblichen Wege benutzen, statt zu Demonstrationen aufzurufen. Auch mehrere Richterverbände kritisierten die ungewöhnlichen Maßnahmen der Verteidigung als Angriff auf die Unabhängigkeit der Justiz.

Die wankelmütige Kronzeugin - La Madame - wurde unterdessen wegen Verdachts auf Falschaussage vor Gericht zitiert. Diesmal nicht mehr als geschützte Zeugin, sondern als Beschuldigte.

Cursach bricht Schweigen

Während der Schlagabtausch zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht die Medien beherrschte, geriet ein weiterer Vorfall in den Hintergrund. Der seit März in U-Haft sitzende Cursach brach in einer zweiten Anhörung vor Gericht sein bisheriges Schweigen. In einer knappen Viertelstunde stellte er - höflich und gefasst - seine Sichtweise auf die schweren Vorwürfe gegen ihn dar. Von Bestechung oder Sexorgien mit Kokain für Politiker und Polizisten mit teilweise minderjährigen Prostituierten will er nichts gewusst haben. In das Tagesgeschäft seiner Vergnügungstempel wie Megapark, Tito's oder BCM sei er nie involviert gewesen. Entscheidungen habe er stets an seine Mitarbeiter delegiert.