Ein 12-jähriges Mädchen übernachtet im Sommer 2013 bei ihrer besten Freundin. In der Nacht beugt sich der Vater der Gastgeberin über die Besucherin, zieht ihr das Schlaf­shirt hoch und befummelt sie an der Brust. Das Kind wacht auf, der Mann verlässt hastig das Zimmer, und sie schließt sich für den Rest der Nacht im Bad ein. Tags darauf will der Vater dem Mädchen beim Frühstück weismachen, dass es schlecht geträumt habe. Das zutiefst verstörte Mädchen erzählt ihrer Mutter, was geschehen ist.

Die beiden Familien sind seit Jahren eng befreundet. Die Mutter zeigt den Mann - einen Deutschen aus Binissalem - an. Die Polizei verhört ihn. Er gibt zu, das Kind berührt zu haben. Die Pferde seien mit ihm durchgegangen, sagt er sinngemäß. Der Mann kommt unter Auflagen wieder auf freien Fuß.

Das Kind ist weiter traumatisiert, schließt sich vor ihrem eigenen Vater im Zimmer ein, muss psychologisch betreut werden. Die Mutter beginnt, sich intensiv mit dem Thema sexueller Missbrauch auseinanderzusetzen. Sechs Monate nach dem Vorfall sagt ihr jemand, ob es nicht sein könnte, dass der Mann ihr Kind betäubt hätte. So etwas käme vor. Die Mutter lässt daraufhin auf eigene Kosten eine Haarprobe untersuchen. Das Ergebnis ist positiv. Es finden sich Spuren von Schlafmitteln und der Droge Crystal Meth.

Die Polizei stellt den Mann erneut zur Rede. Er gibt gegenüber den Beamten zu: Ja, er habe die Mädchen, die immer mal wieder bei ihnen in der Familie übernachteten, mit K.o.-Tropfen und Schlafmitteln betäubt, beim Abendessen, mit Tröpfchen im Nachtisch. Nicht nur einmal, wiederholte Male in den Jahren 2012 und 2013, angeblich nur, weil sie so laut waren und ihn bei der Arbeit störten.

Vier Jahre nach dem sexuellen Übergriff kommt es am Montag (18.12.) schließlich zum Prozess. Die Staatsanwaltschaft fordert sieben Jahre Haft, einigt sich mit der Verteidigung aber auf drei Jahre und sieben Monate wegen sexuellem Missbrauch an Kindern und Verstoß gegen das Betäubungsmittelgesetz. In seinem Urteil wertet das Gericht als strafmildernd, dass der inzwischen 50-Jährige ein Geständnis abgelegt und eine Entschädigung gezahlt hat. Die Gefängnisstrafe wird deswegen ausgesetzt. Er muss sich nun einer Therapie unterziehen und darf sich dem Mädchen zehn Jahre lang nicht mehr nähern. Nach der Urteilsverkündung sagt der Mann vor Gericht, dass es ihm sehr leid tue. Die Mutter seines Opfers blickt er dabei nicht an.

Ob er im Laufe der Jahre auch andere Kinder sexuell belästigte, ist nicht auszuschließen: Mehrere Mädchen haben ebenfalls über Unwohlsein und Schwindel bei den Übernachtungen im Hause der Familie berichtet. Befragungen seitens der Polizei brachten diesbezüglich allerdings keine weiteren Erkenntnisse.

Das Urteil ist für das Mädchen und seine Familie eine Zäsur: Es ist Recht gesprochen worden. Die mittlerweile 16-Jährige wollte eigentlich bei der Urteilsverkündung dabei sein, was die Staatsanwaltschaft nicht zuließ. Dass über den Fall in der mallorquinischen Presse berichtet wird, hat das Mädchen gutgeheißen.

Bis auf die systematische Betäubung der Mädchen ist der Fall nicht wirklich außergewöhnlich, sagen die Anwälte. Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern kommen auf Mallorca - wie auch in Deutschland - mittlerweile im Wochentakt vor den Richter. Viele davon sind noch viel schwerwiegender, menschenverachtender als dieser. Häufig ahnt das Umfeld, ahnen die Frauen der Täter, was vor sich geht, verdrängen die böse Ahnung aber aus Scham oder Abhängigkeit.

Dabei ist die Hilfe für die Betroffenen auf der Insel gut organisiert. Die mit diesen Fällen beauftragte Polizeieinheit der Guardia Civil leistet vorbildliche Arbeit, die Beamten - bei den Treffen sind es oft ein Mann und eine Frau - wissen mit Kindern und Eltern sehr einfühlsame, respektvolle Gespräche zu führen. Die Ermittlungsarbeit ist zügig und seriös. Auch die mallorquinische Stiftung RANA, die gegen sexuellen Missbrauch an Kindern kämpft, bietet Unterstützung an, um das Geschehene aufzuarbeiten und weiteren Fällen vorzubeugen.

Vor allem aber, so heißt es bei RANA, müssten die Kinder die Möglichkeit haben, sich jemandem anzuvertrauen. Schließlich seien sie es, die zuerst den Mut aufbringen müssen, zu erzählen, was geschehen ist.

Wenn Sie von Fällen sexuellen Missbrauchs an Kindern wissen oder auch nur einen entsprechenden Verdacht haben, wenden Sie sich umgehend an die Polizei. Telefonnummer und Adressen finden sich in Englisch, Spanisch und Katalanisch auf der Website der Fundación Rana: www.­fundacionrana.org. Von Montag bis Freitag wird dort unter 971-72 47 95 auch telefonisch beraten.