Ganze 49 Mietwohnungen unter 650 Euro werden zurzeit auf einem der großen Immobilienportale angeboten, 55 unter 700 Euro. Und zwar nicht in Palma de Mallorca, sondern auf ganz Mallorca. Mit anderen Worten: Es ist kaum noch möglich, auf der Insel günstigen Wohnraum zu finden. Gleichzeitig steht die Tourismus­saison unmittelbar bevor und mit ihr die Ankunft zahlloser Arbeitskräfte vom spanischen Festland oder aus dem Ausland. Theo­retisch, denn praktisch könnte es dieses Jahr so laufen, dass viele Unternehmen kaum genügend geeignetes Personal finden dürften.

Das Problem betrifft etwa die bekannten Restaurants der Insel. „Es ist ein echtes Drama", sagt María Solivellas hörbar beunruhigt am Telefon. Die Besitzerin des Ca Na Toneta in Caimari hat für dieses Jahr noch nicht einmal die Mindestanzahl an Angestellten zusammen, die sie für die Sommersaison bräuchte. „Und ich bin bei Weitem nicht die Einzige, ich höre Klagen von allen Seiten."

Es ist in der Tat nicht schwierig, ratlose Chefköche auf der Insel zu finden. Ähnlich wie Solivellas klingt auch Marc Fosh, seit Jahren eine feste Größe in der Altstadt von Palma. Auch für ihn wird es zusehends komplizierter, neue Mitarbeiter auf die Insel zu locken. Zwar habe er das Glück, dass er seit Jahren mehr oder weniger dieselbe Belegschaft hat, aber für diesen Sommer hatte er einen Koch aus Deutschland unter Vertrag genommen, der momentan verzweifelt nach einer Wohnung sucht. „Ich hoffe, er findet noch etwas." Die Lage auf dem Mietmarkt sei katastrophal. Da Saisonaushilfen keinen Ganzjahres-Vertrag bekommen, haben sie bei vielen Vermietern so gut wie keine Chance. „Die wollen Leute mit einem stabilen ganzjährigen Einkommen", sagt Fosh.

Und selbst dann scheitert es oft an den Mietbedingungen. Vermieter im Großraum Palma verlangen inzwischen mitunter fünf Monatsmieten Kaution. Fosh hat bereits mit dem Gedanken gespielt, Wohnungen für die Belegschaft anzumieten, aber wieder verworfen. „Die stünden dann fast ein halbes Jahr leer, das können wir uns nicht leisten."

María Solivellas greift bereits auf diese Möglichkeit zurück. Sie stellt zwei Wohnungen über ihrem Restaurant für ihre Mitarbeiter zur Verfügung - ohne Miete zu verlangen. Auch Fernando Pérez Arellano verfährt in seinem Lokal Baiben in Puerto Portals so. „Da halten wir für unsere Mitarbeiter Wohnungen bereit. Diejenigen, die jetzt für die Sommersaison kommen, finden ja sonst nirgends eine Bleibe." Anders verhalte sich das im Falle des Zaranda im Castell Son Claret, dem einzigen Restaurant auf der Insel mit zwei Michelin-Sternen. Dort sei die Belegschaft sehr stabil, und wenn dann neue Mitarbeiter benötigt würden, kämen die schon Anfang Februar an. Da sei der Wohnungsmarkt noch entspannter.

Ob er das Problem auch kenne, fragt Andreu Genestra (Andreu Genestra in Capdepera und Aromata in Palma) beinahe gereizt am Telefon zurück. „Na klar, alle kennen das. Alle suchen Leute." Auch Genestra muss seinen Mitarbeitern gratis Wohnungen stellen. „Wir haben zwei Apartments in ­Capdepera und eins in Palma. Wenn wir die nicht hätten, hätte ich keine Leute", sagt er und klingt resigniert.

Arellano glaubt, dass sich die Branche über kurz oder lang etwas einfallen lassen muss. Keine Option ist derzeit für ihn die mittlerweile offenbar verbreitete Vorgehensweise, Köche bei der Konkurrenz abzuwerben. „Ich bin absolut kein Freund davon", sagt Arellano. Aber wenn es immer mehr Kollegen so handhabten, müsse er vielleicht eines Tages auch so vorgehen.

Auch Marc Fosh hat Bedenken. „Ich fürchte, dass in Kürze das kameradschaftliche Verhältnis, das wir in unserer Branche auf der Insel pflegen, in unschöne Rivalität umschlagen könnte." Beim Kampf um die Arbeitskräfte gebe es nämlich neben den hohen Mieten - da sind sich alle befragten Köche einig - noch ein anderes Problem: Viele ­Arbeitskräfte seien zu unprofessionell. Und die wenigen guten Mitarbeiter, die es gebe, deshalb umso gefragter.

„Es werden in Zukunft noch mehr Leute von außerhalb kommen müssen, weil die, die es auf der Insel gibt, nicht professionell genug sind", beklagt María Solivellas. Sie sieht das Problem in den vielen populären Koch-Sendungen à la „Masterchef". Dort würde reihenweise jungen Menschen der Berufswunsch Koch eingeimpft, ohne dass diese allerdings eine Berufung dafür hätten. „Und ohne Berufung geht es gerade in unserer Branche gar nicht." In einer Branche, in der die Gehälter und die Arbeitszeiten nun mal nicht dazu geeignet sind, Luftsprünge zu machen.

Deshalb werde die Situation für die Restaurants auf der Insel in den kommenden Jahren eher schlimmer denn besser, sagen Solivellas, Fosh und Arellano unisono. Gewerkschaftsvertreter äußern inzwischen die Befürchtung, dass bereits in zwei Jahren auf Mallorca Zustände wie auf Ibiza herrschen könnten. Dass schon Wohnanhänger oder Balkone an Saisonarbeiter vermietet werden, weil diese Unterkünfte die einzigen sind, die die schlecht bezahlten Arbeitskräfte noch bezahlen können.

María Solivellas klingt frustriert am Ende des Gesprächs: „Jetzt habe ich Sie ja fast als Therapeut missbraucht." Aber manchmal frage sie sich schon, wie es weitergehen solle. „Wenn ich irgendwann keine Mitarbeiter mehr finde, dann muss ich wohl auf Brathähnchen umsatteln. Das kann ich auch allein machen."