Mit Flüssen ist das auf den Balearen so eine Sache. Richtige Flüsse, so wie man sie aus Mitteleuropa kennt, gibt es ja nun nicht. Wenn, dann füllen sich nach starken Regenfällen im Gebirge höchstens die Sturzbäche oder der Dauerbrenner Ses Fonts Ufanes blubbert nahe Campanet. Doch halt: Eine Stadt auf Ibiza behauptet steif und fest, einen eigenen Fluss zu besitzen. Santa Eulària des Riu hat diesen Fluss gar in seinem Ortsnamen verankert, um dem Gewässer mehr Gewicht zu verleihen.

Jetzt droht der Idylle einmal mehr Ungemach: Die balearische Landes­regierung hat in einem aus Sicht der Ibizenker ungeheuerlichen Alleingang Santa Eulària sein Alleinstellungsmerkmal, eben den Fluss, aberkannt und behauptet im neuen Wasserwirtschaftsplan für die Inseln, dass auf den Balearen nicht weniger als 91 Flüsse zu finden sind - 72 auf Mallorca, zwölf auf Menorca und sieben auf Ibiza. Womit dabei natürlich die torrentes genannten Sturzbäche mitgezählt werden.

Das Problem rührt daher, dass es für die Sturzbäche keine eigene Kategorie gibt, weshalb man in der Verwaltung, wo die Angestellten mitunter wenig übrig haben für Identitäten und Heimatgefühle, die torrentes und den Fluss aus Santa Eulària kurzerhand in einen Topf geworfen hat. Der Bürgermeister Vicent Marí ist empört: „Seit Jahrhunderten ist es allgemeine Lesart, dass unser Fluss der einzige auf den Balearen ist. Für die Menschen in Santa Eulària ist er das elementare Merkmal des Ortes."

Doch man ist Kummer gewohnt an den Ufern des Riu de Santa Eulària, der sich - noch ein Affront - laut dem Wasserwirtschaftsplan auch noch in einem bemitleidenswerten Zustand befindet. Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die Landesregierung dem Ort seinen Fluss streitig gemacht. Damals stand im Wasserwirtschaftsplan, dass es auf den Balearen keinen einzigen Fluss gebe, da auch das Gewässer auf Ibiza nicht ständig Wasser führte.

Diesen zeitweisen Verlust des Wassers hat der Ort dem Tourismusboom und dem dadurch steigenden Bedarf an Trinkwasser zu verdanken, der Ende des 20. Jahrhunderts zu einem Absinken des Wasserspiegels führte. Inzwischen verläuft der Fluss einen Großteil des Jahres nur unterirdisch. Der Bürgermeister ist guter Hoffnung, dass sich das bald wieder ändert. „Wir nehmen im Sommer eine Entsalzungsanlage in Betrieb. Ich rechne damit, dass in ein paar Jahren unser Fluss wieder ständig Wasser führt", sagt Martí.

Das Gewässer hat seinen Ursprung in San Mateo, einer bergigen Region im Inselinneren. 17 Kilometer verläuft der Fluss talwärts, bis er bei Santa Eulària ins Mittelmeer mündet. Historisch verbürgt ist, dass der Ort erst aufgrund des Flusses gegründet wurde. Römer, Punier und Araber nutzten das Süßwasser, um Oliven und Wein an den Flussufern anzubauen. Die christlichen Eroberer bauten ab dem 13. Jahrhundert Mehlmühlen im Fluss. „Ab dem 16. Jahrhundert gibt es sogar schriftliche Verweise auf den Fluss", sagt Bürgermeister Marí. Der Gemeinderat von Santa Eulària hat seine Einwände gegen das Schriftstück formuliert und an die Regierung geschickt. Einstimmig, über alle Parteigrenzen hinweg.