Das Thema Abtreibung wird immer wieder höchst kontrovers diskutiert, und ein gemeinsamer Nenner wird sich dabei wohl nie finden lassen. Denn im Kern geht es um unsere tiefsten Werte: Was ist Leben? Ab wann entsteht menschliches Leben? Wer entscheidet? Doch je heikler und umstrittener ein Thema, desto klarer müssen die gesetzlichen Regeln sein. Genau dort ist der Staat gefordert, Rechtssicherheit zu schaffen. Seine Pflicht und Kernaufgabe ist es, eindeutige Vorgaben zu machen und deren Einhaltung zu kontrollieren. Insofern hat der spanische Gesetzgeber beim Thema Abtreibung versagt. Dort tut sich eine riesige rechtliche Grauzone auf. Für Abtreibungen, die mit einer schweren Gefährdung der physischen und psychischen Gesundheit der Mutter begründet werden, wird im Gesetzestext keine zeitliche Beschränkung genannt. Dadurch werden die Regeln frei auslegbar und biegsam in alle Richtungen.

Eine Reform des bestehenden Gesetzes aus dem Jahr 1985 ist längst überfällig. Aber die Regierenden gingen dem heißen Eisen bislang erfolgreich aus dem Weg. Regierungschef José Luis Rodríguez Zapatero ließ die Chance verstreichen, hier Mut zu beweisen und den spanischen Staat rechtssicherer und moderner zu machen. Die Befürchtung, sich bei konservativen Wählerschichten unbeliebt zu machen, war wohl stärker. Bleibt zu hoffen, dass das Thema nach den Wahlen am 9. März endlich angegangen wird. Die Forderung der spanischen Feministinnen nach einer Frist von zwölf Wochen, in denen Abtreibungen eindeutig erlaubt sein sollen, ist nicht einmal besonders radikal. Halb Europa hat ähnliche Gesetze zur Abtreibung, zum Teil ist der Abbruch noch später möglich.

Die jetzt tobende Debatte rief übrigens vor kurzem eine verdeckt recherchierende dänische Journalistin auf den Plan. Sie enthüllte die skandalösen Praktiken in manchen spanischen Abtreibungskliniken. Schade, dass der spanische Staat den Ärzten dort nicht selber auf die Finger schaut. Die Einrichtungen bestehen seit Jahrzehnten.