Wenn Spaniens Demokratie am Zustand der Vergangenheitsbewältigung des Landes gemessen würde, gäbe es miserable Noten. Zwar nicht mehr ganz so schlechte wie noch vor zehn Jahren, aber in der Gesellschaft besteht weiterhin kaum Konsens über den Umgang mit dem Erbe von Bürgerkrieg (1936-1939) und Franco-Diktatur (1939-1975). Immerhin gibt es seit Ende 2007 das Gesetz zur Erinnerung, das die Franco-Opfer zumindest moralisch rehabilitiert und die Entfernung von Symbolen der Diktatur aus dem öffentlichen Raum empfiehlt.

Doch von einer umfassenden Aufklärung der politischen Morde an zehntausenden Republikanern während des Bürgerkriegs und des Franco-Regimes ist man weiterhin weit entfernt. Der sensationelle Vorstoß von Untersuchungsrichter Baltasar Garzón im vergangenen Jahr, der die Gräueltaten im Bürgerkrieg als Verbrechen gegen die Menschlichkeit einstufte und untersuchen wollte, wurde umgehend gestoppt.

Stattdessen bleibt die Mehrzahl der Leichen von Republikanern in anonymen Massengräbern verscharrt, und die Angehörigen wissen oft bis heute nicht, wer für ihren Tod verantwortlich ist. Man stelle sich vor, im heutigen Deutschland würde einem von einem DDR-Grenzsoldaten erschossenen ­Mauertoten eine würdige Bestattung verweigert. Und es steht zu befürchten, dass die politische Rechte in Spanien auch in Zukunft versuchen wird, eine umfassende Beschäftigung mit den Franco-Verbrechen zu verhindern: keine Aufklärung und Verurteilung von Morden und Folter, keine Gedenkstätten, keine Museen, keine Einigung in der Deutung der dunklen Geschichte.

Gerade deswegen sind die seit der Jahrtausendwende entstandenen Initiativen, die sich für die Öffnung der Massengräber einsetzen, so wichtig. Sie bemühen sich um die Aufarbeitung einer Vergangenheit, zu der in einer Demokratie auch Regierung und Justiz eindeutig Stellung beziehen sollten.