Die derzeit in Deutschland massive Berichterstattung über sexuellen Missbrauch in kirchlichen und anderen Erziehungseinrichtungen mag auf den ersten Blick übertrieben scheinen. Natürlich wurden Horrorgeschichten von pädophilen Lehrern und Priestern auch schon früher bekannt – und bekamen weit weniger Aufmerksamkeit. Und dennoch ist die von Zeitungen, Online-Portalen, Radio und Fernsehen befeuerte Debatte wichtig.

Erstens macht sie deutlich, wie normal sich Kinderschänder mitten unter uns bewegen und dass jedes Kind Opfer von sexuellem Missbrauch werden kann. So wird die Gesellschaft für das Thema in einem Ausmaß sensibilisiert, wie es wohl kein staatliches Programm und keine Hilfsorganisation schaffen kann. Eine erhöhte Achtsamkeit und Prävention sind die willkommenen Folgen.

Zweitens führt der Druck der Öffentlichkeit hoffentlich dazu, dass die katholische Kirche ihre offenbar gängige Vertuschungspraxis beim Umgang mit Päderasten in den eigenen Reihen aufgibt und dort, wie auch in anderen kirchlichen und staatlichen Einrichtungen, die Kontrolle erhöht wird. Und drittens hat der Medienwirbel in Deutschland mittlerweile das Ausland erfasst und führt so dazu, dass man auch andernorts anfängt, unbequeme Fragen zu stellen und weitere unentdeckte sexuelle Vergehen an Kindern bekannt werden. Wäre andernfalls die Geschichte eines pädophilen Mönchs Spaniens führender Tageszeitung „El País" fast zwei Seiten wert gewesen? Wahrscheinlich nicht.

Es ist davon auszugehen, dass es auch in Spanien mit seinem hohen Anteil an katholischen Schulen viele Fälle von sexuellem Missbrauch von Kindern gegeben hat und wohl auch noch gibt. Um das aufzuarbeiten, braucht es zunächst einmal den Mut der oft fürs Leben von psychischen Leiden gequälten Opfer, über ihre schrecklichen Erfahrungen zu sprechen und die Täter anzuzeigen. So könnte auch hier eine breite gesellschaftliche Debatte angestoßen werden.