Es geschieht nicht alle Tage, dass die „New York Times" der Insel einen langen Beitrag auf ihren Auslandsseiten widmet. Der am vergangenen Samstag erschienene Artikel über das Unrecht, das auf der Insel jahrhundertelang an den konvertierten Juden, den xuetes, begangen wurde, dürfte zwar insbesondere an die jüdischen Leser des Weltblatts gerichtet gewesen sein, ist aber keineswegs anekdotisch. Denn von der Inselöffentlichkeit weitgehend unbeachtet hat tatsächlich zum ersten Mal ein offizieller Vertreter des Staates die historische Schuld der spanischen Institu­tionen und der balearischen Gesellschaft an der Verfolgung und Diskriminierung der konvertierten Juden anerkannt. ­

Ministerpräsident Francesc Antich hat zwar formal keine Entschuldigung ausgesprochen, aber dennoch deutliche Worte für das „schwere Unrecht" gefunden. Man kann über den Sinn solcher Eingeständnisse seitens von Menschen streiten, die etliche Generationen später geboren wurde. Auf die Spitze getrieben, müssten wir alle uns für unsere Vorfahren entschuldigen,denn vergleichbare Verbrechen haben sich im Laufe der Menscheitsgeschichte doch einige angehäuft. Eine solche Betrachtungsweise aber nimmt Antichs Erklärung zu wörtlich und verkennt ihre symbolische Ausstrahlung auf die Gegenwart. Und auf die kommt es an, gerade bei dem Thema des Umgangs mit den xuetes. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die Nachfahren der Konvertiten auf der Insel spürbar ausgegrenzt wurden, und es gibt noch etliche Menschen, die diese Anfeindungen erlitten haben. Dass ein Ministerpräsident das als historisches Unrecht bezeichnet, ist für sie keineswegs banal, sondern lange überfällig. Und noch in weiterer Hinsicht sind Antichs Worte von Aktualität: Spanien gehört zu den europäischen Ländern mit dem stärksten Antisemitismus. Das hat etwas mit dem Nahostkonflikt zu tun – aber auch mit der eigenen Geschichte. Sie genauer zu erkunden, ist da ein erste Schritt zur Besserung.