Das jetzt ans Tageslicht gezerrte Drama eines wohl jahrzehntelangen Babyhandels unter katholischer Obhut ist ein weiteres dunkles Kapitel der jüngsten spanischen Vergangenheit, einer Vergangenheit, die nicht wenige in diesem Land am liebsten unter den Teppich kehren würden. Bei diesem Thema wird das allerdings noch weniger funktionieren als bei anderen, weiter zurückliegenden Verbrechen der Diktatur. Die Mehrheit der Opfer weilt noch mitten unter uns – und will schlichtweg ihre Herkunft klären. Die jüngsten der Betroffenen, die oft erst im Erwachsenenalter von den wahren Umständen ihrer Geburt erfahren haben, sind nicht einmal 40 Jahre alt. Auch viele betroffene Eltern, Geschwister sowie teils auch schuldige Nonnen, Hebammen, Ärzte und Priester leben noch.

Bis nach dem Ende des Franco-Regimes (1975) wurden Frauen Lügen am Wochenbett erzählt und ihre angeblich toten Babys anderen Familien übergeben. Obwohl das Thema erst jetzt breit in den Medien behandelt und in der Öffentlichkeit diskutiert wird, ist es eigentlich nicht neu. Bereits 1977 wurde etwa über eine „Babyfarm" auf Mallorca berichtet. Auch Bücher über den Kinderraub wurden bereits vor Jahren veröffentlicht. Dennoch wird erst jetzt, zumindest in einigen spanischen Regionen, die Justiz aktiv. Angestoßen wurde dies übrigens von dem 2010 suspendierten unerschrockenen Untersuchungsrichter am nationalen Gerichtshof, Baltasar Garzón.

Auf Mallorca hilft immerhin die Adoptionsbehörde bei der schwierigen Suche nach den Wurzeln. Diese institutionelle und juristische Unterstützung ist das Mindeste, was der Staat jetzt für die Tausenden von Menschen tun kann, die sich ihrer Identität und der Beziehung zu ihren Zieheltern nicht mehr sicher sein können oder aber plötzlich vor der Erkenntnis stehen, dass ihre leiblichen Kinder gar nicht, wie angenommen, tot sind. Es ist unschwer auszumalen, wie die Entdeckung dieses Verbrechens die Psyche eines Menschen in seinen Grundfesten erschüttern kann.