Obwohl die Zahl der bestätigten Todesopfer noch nicht feststeht, wird die Bilanz des „Costa Concordia"-Unglücks weit unter den rund 1.500 Toten bleiben, die beim Untergang der „Titanic" zu beklagen waren. Auch sonst war eigentlich alles anders. Insofern darf man die reflexhaft bemühten Vergleiche mit der mythischen Tragödie im Nordatlantik als typischen und nicht immer geschmackvollen Medienzirkus abhaken.

Doch gibt es tatsächlich Parallelen, wenn auch auf einer anderen, tieferen Ebene. Denn beide Unfälle liefern Metaphern ohne Ende, und einige Betrachtungen, die man nach dem Desaster vor 96 Jahren und dem aktuellen anstellen konnte, sind einander recht ähnlich. So spielen in beiden Fällen menschliche Schwächen eine Schlüsselrolle, die typisch für ihre Zeit sind. Zum Beispiel mangelnder Respekt vor den Elementen. Im Fall der „Costa Concordia" könnte man einen Aspekt anführen, der typisch für das moderne Kreuzfahrtwesen, ja eigentlich für unsere Gesellschaft ist: Diese Schiffe sind schwimmende Themenparks, in denen sich der Blick immer mehr nach innen wendet, wo ein gigantisches Shopping- und Freizeitparadies die Aufmerksamkeit (und das Geld) der Passagiere in Anspruch nehmen. Das Meer wird zur Benutzeroberfläche, zur Kulisse.

Dass sich der Kapitän ersten Berichten zufolge weniger wie ein Seemann, eher wie ein windiger Rummelplatzbetreiber verhalten hat, mag einer jener Einzelfälle sein, wie sie immer vorkommen können. Oder es sagt etwas Generelles über unsere Zeit aus. 1915 lag das Problem im wahnsinnigen Ehrgeiz, trotz Eisbergwarnung nachts mit Volldampf blind durch den Nordatlantik zu pflügen, um einen Rekord zu brechen. 2012 lag es offenbar im Bemühen, mit einer knappen Vorbeifahrt an der Küste ein Spektakel zu bieten. Die gemeinsame Wurzel ist Imponiergehabe.

Ob daraus Lehren gezogen werden? Die Äußerungen des Kapitäns lassen es bezweifeln, denn auch sie sind vom Zeitgeist geprägt: „Ich kann nichts dafür."