Fernando Alonso war schon zweimal Formel 1-Weltmeister, er hat 29 Mal einen Grand Prix gewonnen, wirkt eher kühl. Warum ist er ausgerechnet in Valencia in Tränen ausgebrochen, als er auf dem Podium die Landeshymne hörte? Die Szene ist mehr als ein persönlicher Gefühlsausbruch: Alonso hatte sich vorgenommen, vor heimischem Publikum mit dem Sieg ein Zeichen zu setzen. Wie alle spanischen Spitzensportler ist er sich des Zustandes seines Landes bewusst und spürt wahrscheinlich mehr als er weiß, dass sich die Hoffnungen der Spanier und das, was von ihrem Zukunftsoptimismus übrig geblieben ist, im Wesentlichen auf die Erfolge und das Vorbild ihrer Sportelite stützt.

Alle anderen Eliten stehen unter dem generellen Verdacht einer nahezu kriminellen Misswirtschaft und des zügellosen Egoismus. Vorstände bankrotter Sparkassen, die einander unverschämte Pensionen zugeschanzt haben, Politiker, die wahllos und vor allem bei den Schwächsten die Spar-Axt niedersausen lassen, und Unternehmer, die sich in der Steuerhinterziehungs-­Statistik unangefochten auf dem ersten Rang behaupten.Tatsache ist aber auch, dass Spanien eine Sportlergeneration hervorgebracht hat, die nicht nur im Wettbewerb Klasse zeigt: Der Fußball-Profi, der einen Verein in seiner Heimatregion vor dem Bankrott bewahrt (Iniesta). Sein Kollege, der dem schlecht bezahlten Spieler eines Konkurrenzteams die teure Krebsbehandlung bezahlt (Puyol). Der Tennisprofi, der seiner klammen Heimatstadt finanziell unter die Arme greift, damit die ein Auditorium fertigstellen kann (Nadal).

Im Schatten dieser Figuren allerdings herrscht Verheerung. Aus Geldmangel ziehen sich viele Vereine aus dem Wettkampfbetrieb zurück, und der Sport bildet allmählich auch die gesellschaftliche Realität ab: eine glänzende Spitze und darunter eine vom Abstieg bedrohte Mittelschicht, die kaum Perspektiven sieht und immer weiter zusammenschmilzt. Vielleicht ging Alonso in Valencia auch das durch den Kopf. Grund zum Heulen ist es auf jeden Fall.