Wer mit deutschen Liberalen oder Konservativen, auf der einen Seite, und spanischen Sozialisten und Linken, auf der anderen, über die Schuldenkrise und ihre Auswege diskutiert, erschrickt: Die Positionen sind mittlerweile so verhärtet, dass kaum noch ein wirklicher Meinungsaustausch möglich ist. Es ist uns nicht zuzumuten, dass wir für die Misswirtschaft der anderen aufkommen, sagen die deutschen Politiker - und wissen darin eine Mehrheit der Bevölkerung hinter sich. Deutschland zwingt uns eine Sparpolitik auf, die zur Massenarbeitslosigkeit führt, soziale Errungenschaften zerstört und noch nicht einmal Resultate zeigt, sagen die spanischen Politiker - und so reden auch von Tag zu Tag mehr ihrer Landsleute. Es sind zwei vollkommen konträre Perspektiven, die den Standpunkt des anderen noch nicht einmal zu verstehen suchen. Was dabei nicht ins Konzept passt, wird ausgeblendet. Die Spanier verlieren etwa kaum ein Wort über ihre Verantwortung für die letztlich geplatzte Immobilien­blase, und die Deutschen verdrängen, auch das nur ein Beispiel, dass ihr derzeitiges wirtschaftliches Wohlergehen viel mit der Misere der anderen zu tun hat - das Geld sucht sich einen sichereren Hafen. Die komplexen Zusammenhänge der globalisierten Finanzwirtschaft und des institutionellen Gefüges in Europa werden so stark vereinfacht, dass Schuldige an den Pranger gestellt werden können: die südländischen Verschwender, die deutschen Zuchtmeister. Das mag bei den Wählern gut ankommen, richtet aber immensen Schaden an. Wer populistisch vereinfacht, statt komplizierte und zuweilen auch unangenehme Zusammenhänge zu erklären, wer nicht mehr versucht, sich in die Position des Gegenübers zu versetzen, wer fortwährend böse Absichten unterstellt - der wird den anderen früher oder später auch nicht mehr als europäischen Mitbürger akzeptieren. Am Ende könnte daran - und nicht am Geld - Europa zerbrechen. Und keiner wird das so gewollt haben.