Es ist schon etwas länger her, dass in Spanien über Rentenreform, nachhaltige Energien oder Schulreform diskutiert wurde. Seit Dezember vergangenen Jahres geht es in der öffentlichen Debatte nur um Strategien zur Regierungsbildung, Rechenspiele um Mandate im Parlament und gegenseitige Schuldzuweisungen. Ende vergangener Woche ist nun endgültig die Wahl von Mariano Rajoy zum neuen Spanien-Premier gescheitert, weil die Stimmen der konservativen Volkspartei (PP) und der liberalen Ciudadanos auch für eine einfache Mehrheit nicht ausreichten.

Es herrscht Stillstand und Ratlosigkeit. Doch nach den Manövern der vergangenen Monate kann man auf jeden Fall feststellen: Mit diesem Personal ist ein ergebnisorientierter Dialog schlecht möglich. Vor allem Rajoy und Sozialistenführer Pedro Sánchez sitzen in ihren ideologischen Schützengräben und trauen sich nicht über den Weg. Rajoy hat noch immer nichts aus den Korruptionsskandalen gelernt, wie die Kandidatur des Ex-Skandal-Ministers José Manuel Soria für ein Amt bei der Weltbank zeigt. Und Sánchez schöpft aus der Gegnerschaft zur PP die zentralen Argumente seines Diskurses. Neues Führungspersonal wäre keine schlechte Idee.

Nach den Sondierungen der vergangenen Monate sollten die Parteien auch dringend an ihrem Programm feilen. Solange darin vor allem die Abschaffung von Projekten der politischen Kontrahenten versprochen wird, sind Koalitionen schlecht denkbar. Wenn die Spanier schon ein drittes Mal abstimmen müssen - wonach es im Moment aussieht -, dann hoffentlich nicht über die immer gleichen Parolen, sondern Projekte, bei denen Pragmatismus statt Ideologie im Vordergrund steht.

Nach dem Frust der vergangenen Monate ist zudem denkbar, dass die Wähler von Experimenten mit neuen Parteien Abstand nehmen und die PP trotz ihrer Skandale ordentlich Stimmen gewinnt. Die Regierungsstabilität wäre dann wieder hergestellt - die Chance auf Reformen und politischen Konsens aber vertan.