Wer nach Mallorca zieht, braucht meist einige Jahre, bis er auch allen Nachbarinseln einen Besuch abstattet. Es mag daran liegen, dass die größte Balearen-Insel ihrem Ruf der Vielfältigkeit alle Ehre macht und man auch nach Jahren neue Dinge entdecken kann, ohne eine Fähre oder ein Flugzeug zu besteigen. Es mag auch daran liegen, dass die Nachbarinseln immer da sind und man den Besuch deswegen vor sich herschiebt. Aber es liegt auch am insularen Scheuklappen-Blick, von dem die MZ nicht ausgenommen ist: Mallorca ist nun mal vor allem mit Mallorca beschäftigt. Und selbst von außen haben alle nur Augen für die größte Insel des Archipels: Es ist der Name Mallorca, der den Menschen ein Lächeln ins Gesicht zaubert, während die Balearen nach trockener Geografie klingen. Die Hauptinsel verzeichnet mehr als 100 Millionen Treffer im deutschen Google - die Balearen dagegen kommen auf keine drei Millionen.

Dabei ist es heute so einfach wie nie, den kleineren Nachbarn einen Besuch abzustatten - allen Klagen über fehlende ­Inselflüge zum Trotz. Wer Resident auf Mallorca ist, zahlt nicht viel mehr als für eine Taxifahrt, um auf Menorca zu schlemmen, auf Ibiza abzuhängen oder auf Formentera abzutauchen. Wo Mallorcas Hotspots über den Touristenandrang stöhnen, freuen sich die Nachbarinseln über Besucher, wenn sie nicht gerade im Juli und August kommen. Und wer die Strände auf Formentera kennt, kann den Enthusiasmus für Es Trenc nur noch schwer nachvollziehen.

Die Nachbarinseln sind darüber hinaus Anschauungsmaterial, wie es mit Mallorca auch hätte laufen können. Mal abgesehen von der Energieerzeugung dient Menorca als Beispiel für eine nachhaltige Entwicklung. Ibiza zeigt, welche Formen Spekulation annehmen kann. Die Inseln können also jede Menge vonei­nander lernen. Und auch, wenn sich die Insulaner stets als Mallorquiner oder Ibizenker statt Balearen-Bewohner bezeichnen - die Nachteile der Insellage können sie nur gemeinsam effektiv bekämpfen.