Im wilden Vorgarten wirkt der Gesang eines Nachtigall-Männchens wie die Ouvertüre zur Symphonie der Blüten im Garten von Ariant. Hier öffnen das ganze Jahr über Gewächse ihre Knospen. Doch im Frühjahr ist ihre Zahl besonders groß. Denn alle Arten, die aus dem Mittelmeerraum oder aus einer ähnlichen Klimazone stammen, absolvieren noch vor Eintritt der Hitze in aller Eile ihren Reprodutionszyklus. Auch viele Sukkulenten und Kakteen zeigen Blüten im Mai. Sie alle ziehen wilde Bestäuber und Honigbienen an, die sie zuhauf unter emsigem Summen und Brummen besuchen.

Denn seit dem Entstehen dieses Ökogartens in den 60er-Jahren vermehren sich die Gewächse selbst. Die Buchautorin Heidi Gildemeister, frühere Besitzerin des Gartens, experimentierte viel mit Samen und notierte für ihre Leser stets die richtige Form der Vermehrung. Heute gehört der Garten der Stiftung Fundación Vida Silvestre de la Mediterranea (FVSM), verantwortlich ist die Bio-Gärtnerin Susana Quintanilla aus Costitx, die ihre Arbeit mit der Harke jetzt für einen Rundgang unterbricht. Später wird sie wieder Pflanzen roden, damit Querverbindungen zu den meist parallel zum Berg verlaufenden Wegen begehbar werden. „Kürzere Wege erleichtern das Gärtnern", sagt sie. Zusätzlich entsteht Platz für neue Pflanzen. Quintanilla arbeitet jetzt über ein Jahr hier in Ariant und entdeckte in dieser Zeit immer wieder Areale, unter denen sich weder Wurzeln noch Zwiebeln verbergen. Die 42-Jährige markierte sie jeweils mit dünnen Holzpflöcken.

Nach den Vorbildern von Besucherfotos, vorwiegend von Mitgliedern der Mediterranean Garden Society, werden verschwundene Pflanzen neu ausgepflanzt. So wächst beispielsweise heute ein einsam weiß blühendes Echium in der Nähe des Garteneingangs. Es soll dort wie auf dem Foto auch eine Kolonie bilden. In der Nähe ist das beim Agapanthus, der im Schatten hoher Bäume in Bälde seine Blütendolden öffnen wird, bereits gelungen.

Schon jetzt blühen mehrere Zistrosenarten und Schwertlilien. Doch was die Besucher am meisten fasziniert, ist das Zusammenspiel von Pflanzen verschiedener Größe, Blattstruktur und Farbe. Beispielsweise die winzigen Polster, die sich in die Ritzen eines Felsbrockens schmiegen. Und wenig später die mittelgroße, sukkulente Kap-Aloe, die ihre Blüten wie Flammen nach oben reckt. In über fünf Meter Höhe thronen bizarr über den Ast-Enden die kolbenähnlichen grünen Blüten des Baumriesen Cussonia paniculata. Und all dies vor einer atemberaubenden Felskulisse und dem Blick auf das Grün der Felder im Vall d'Ariant.

„Man kann sich kaum vorstellen, wie es vor gut einem halben Jahrhundert möglich war, diese Pflanzenvielfalt zwischen Steineichen und Felsen anzusiedeln", sagt die Mallorquinerin. Gildemeister legte keine Beete an, manche Pflanzen suchten sich Standorte nach eigenem Geschmack, und die Gartenbesitzerin ließ sie wachsen. Der Charakter des Waldgartens blieb erhalten, auch wenn in Form geschnittene Gewächse zwischendrin an gestaltete Gärten erinnern.

Auf dem Rückweg zeigt Quintanilla dann, was die Pflanzen zum Wachsen, Blühen und Vermehren animiert: Im Schatten hoher Bäume lagert reichlich Kompost, eine Mischung aus organischen Abfällen des Haupthauses und gut abgelagertem Schafdung. Daneben gehäckseltes Schnittgut, das als Mulch die Wurzeln bedeckt, sie vor dem Austrocknen schützt und ihnen nach dem Zersetzen Nährstoffe liefert. Genau so, wie es Heidi Gildemeister in ihrem Buch „Mediterranes Gärtnern" empfiehlt.