Es kommt Bewegung in die Vertragsverletzungsverfahren vor dem Gerichtshof der Europäischen Union, zumindest was spanische steuerrechtliche Vorschriften und die Verletzung von Gemeinschaftsgrundsätzen anbelangt. Zunächst war da einmal das aufsehenerregende Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 3. September des vergangenen Jahres. Darin wurde beschieden, dass die spanische Erbschafts- und Schenkungssteuer gegen Gemeinschaftsrecht verstößt. Die Europäische Kommission hatte Madrid Jahre zuvor aufgefordert, ihre steuerrechtlichen Vorschriften zu harmonisieren. Diese ließen eine unterschiedliche Behandlung von Schenkungen und Erbschaften zu, und zwar zwischen in Spanien ansässigen und nicht in Spanien ansässigen Erblassern sowie zwischen Schenkungen und ähnlichen Zuwendungen von auf spanischem Territorium und außerhalb Spaniens gelegenen Immobilien. Über das Urteil ist in den vergangenen Monaten viel berichtet worden. Es wird davon ausgegangen, dass die entsprechenden Änderungen im spanischen Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz auf sich warten lassen werden, wie es auch schon in ähnlichen Konstellationen in der Vergangenheit der Fall war.

Aber es geht auch anders. Es muss nicht immer erst zu einer Klage vor dem EU-Gerichtshof und einem entsprechenden Urteil kommen, bevor ein Mitgliedsstaat seine Regelungen anpasst. Ein Beispiel hierfür sind die Änderungen der wichtigsten spanischen Steuergesetze im

November 2014.

Was war geschehen? Im Juni 2013 übersandte die Europäische Kommission an das Königreich Spanien die Aufforderung, seine steuerrechtlichen Vorschriften im Hinblick auf gebietsfremde Unternehmen anzupassen, da diese nicht mit den EU-Verträgen vereinbar seien. Konkret warf die Kommission dem spanischen Staat vor, die Grundsätze der Niederlassungsfreiheit, der Dienstleistungsfreiheit, des freien Warenverkehrs und des freien Kapitalverkehrs zu unterlaufen.

Ausländische Dividenden unterliegen nach spanischem Recht steuerrechtlich betrachtet mehr Auflagen als inländische Dividenden. Dies bedeutete bislang, dass ein spanisches Unternehmen, welches in ein gebietsfremdes Unternehmen (also in ein nicht in Spanien ansässiges Unternehmen) investierte und gesetzliche Steuervergünstigungen in Anspruch nehmen wollte, mehr Auflagen zu erfüllen hatte, als wenn es die gleiche Investition in ein inländisches Unternehmen getätigt hätte. Im Einzelnen ging es hierbei um Fragen des Einnahmevolumens und der Beteiligung der Anteilseigner. Auch wurden gewisse Steuervergünstigungen nur bei inländischen Unternehmen gewährt.

Noch im November vergangenen Jahres, nämlich mit Pressemitteilung vom 26. November 2014, gab die EU-Kommission bekannt, dass sie Spanien wegen dieser steuerrechtlichen Ungleichbehandlung von inländischen und ausländischen Dividenden vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen würde.

Jedoch arbeitete die Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy bereits seit vor der Sommerpause 2014 an einer umfassenden Steuerreform, die letztlich in drei wesentliche Änderungsgesetze der bisherigen steuerrechtlichen Vorschriften mündete. Diese drei Gesetze wurden am 28. November des vergangenen Jahres, also nur zwei Tage nach der genannten Pressemitteilung im Staatsanzeiger („Boletín Oficial del Estado") veröffentlicht und traten zum 1. Januar 2015 in Kraft.

Zu erwähnen ist zunächst dass Gesetz 26/2014, das unter anderem die Vorschriften des Einkommensteuergesetzes für Nicht-Residenten (impuesto sobre la renta de no residentes) änderte und auch neue Vorschriften im Rahmen der Erbschafts- und Schenkungssteuer und in diesem Zusammenhang der Gleichbehandlung von Residenten und Nicht-Residenten erließ.

Entscheidend für die Frage nach der Besteuerung von inländischen und ausländischen Dividenden ist aber das Gesetz 27/2014, mit dem der spanische Gesetzgeber unmittelbar, wie dies aus der Gesetzesbegründung selbst hervorgeht, auf die Aufforderung der EU-Kommission vom Juni 2013 eingeht. Dieses Gesetz soll, erstens die Behandlung von Einkünften, die aus der Beteiligung an inländischen und ausländischen Gesellschaften herrühren, im Rahmen des Körperschaftsteuergesetzes (impuesto sobre sociedades) gleichstellen, dies sowohl im Hinblick auf Dividenden als auch auf die Einkünfte aus der Übertragung von Beteiligungen. Zweitens wird eine allgemeine Steuerfreistellung bei wesentlichen Beteiligungen an Gesellschaften geschaffen. Wirtschaftlich betrachtet, so der Gesetzgeber, soll damit die Wettbewerbsfähigkeit spanischer Unternehmen gestärkt werden.

Voraussetzung für die Anwendung dieser Steuerfreistellung auf Dividende und Einkünfte aus der Übertragung von Beteiligungen, und zwar für inländische als auch für ausländische Beteiligungen, ist nach der neuen Gesetzgebung dass die Beteiligung am Kapital oder den Eigenmitteln der Gesellschaft mindestens fünf Prozent beträgt oder, dass der Erwerbspreis der Beteiligung höher als 20 Millionen Euro betrug, und zum anderen, dass die Beteiligung mindestens ein Jahr gehalten wird. Für ausländische Beteiligungen gilt überdies, dass eine Mindestbesteuerung von zehn Prozent nach dem jeweiligen ausländischen Körperschaftssteuergesetz besteht. Diese Bedingung gilt aber bereits dann erfüllt, wenn die ausländische (Beteiligungs-)Gesellschaft in einem Land ansässig ist, mit dem Spanien ein Doppelbesteuerungsabkommen unterzeichnet hat, das Vorschriften zum Informationsaustausch beinhaltet.

Abgeschafft wurde durch die Reform auch die Voraussetzung des sogenannten business activity test, wonach 85 Prozent der Einkünfte der (Beteiligungs-)Gesellschaft auf gewerbliche Tätigkeit zurückzuführen sind.

Es bleibt nun abzuwarten, wie die Europäische Kommission reagiert. Spanien hat, so zumindest nach Auffassung der Regierung, in Bezug auf die steuerrechtliche Behandlung von Dividenden aus inländischen und ausländischen Beteiligungsgesellschaften seine Hausaufgaben gemacht, und dies bevor ein Urteil in der Materie erging.

Daniel Cano ist Rechtsanwalt und Abogado bei der Kanzlei Monereo Meyer Marinel-lo Abogados, Avenida Jaume III, 29, Entlo., 07012 Palma de Mallorca, Tel: 971-71 70 34. www.mmmm.es