Die Besitzer spanischer Ferienhäuser, sofern diese in Spanien mit variablem Zinssatz finanziert wurden, können im derzeitigen Niedrigzinsumfeld erhebliche Rückforderungs­ansprüche gegenüber spanischen Banken

geltend machen.

Die Ausgangslage

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Entscheidung vom 21. Dezember 2016 der Rechtsprechung des Obersten Spanischen Gerichtshofs (Tribunal Supremo) vom Mai 2013 widersprochen. Das Tribunal Supremo hatte seinerzeit die spanischen Mindestzins- oder auch Bodenklauseln (cláusulas ­suelo) zwar für verbraucherrechtswidrig erklärt, die Wirkung dieses Urteils aber auf die Zukunft beschränkt, um die damals sowieso schon angeschlagenen spanischen Banken vor erheblichen Rückforderungsansprüchen ihrer Kreditnehmer zu schützen. Das damalige Urteil sah also keine rückwirkende Unwirksamkeit der für nichtig erklärten Klauseln vor.

Dies hat sich jetzt geändert: Die EuGH-Entscheidung sieht in der Rechtsprechung des Tribunal Supremo einen Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht und führt hierzu im Wesentlichen an, dass einmal als missbräuchlich bewertete und damit verbraucherrechtswidrige Klauseln in spanischen Hypotheken den Verbraucher so stellen müssen, als wenn die spanischen Mindestzins- oder Bodenklauseln nie existiert hätten (Rückwirkung!).

Der Hintergrund

Bei den spanischen Mindestzins- oder Bodenklauseln handelt es sich - für den „Otto-Normal-Verbraucher" gesprochen - um Klauseln, die im Falle von variablen Zinsen die Bank vor einem Zinsabfall unterhalb eines bestimmten Mindestzinssatzes schützen sollen. Dies sah schon das Tribunal Supremo als rechtswidrig an. Eine

Irreführung des Verbrauchers liege dann vor, wenn dieser ein Hypothekendarlehen mit einem rein variablen Zinssatz abschließen wollte, sich dieses aber später, ­aufgrund des Zinsabfalls, ab einem bestimmten Zeitpunkt in ein festverzinsliches Darlehen verwandelt.

Auswirkungen für Kunden

In der Praxis bedeutet dies für die betroffenen Kreditinstitute, dass sämtliche durch diese Klauseln erwirtschafteten Zinseinkünfte zurückgezahlt werden müssen. Es wird mit Rückforderungsansprüchen von im Schnitt 8.000 bis 12.000 Euro gerechnet.

Rückforderungsberechtigt sind selbstverständlich auch ausländische Ferienhausbesitzer, die den Kauf über spanische Banken finanziert hatten und deren Hypothek eine sogenannte Bodenklausel enthält.

Die Ansprüche betreffen nach Ansicht von Experten grob den Zeitraum ab dem Jahre 2009. Zu diesem Zeitpunkt, inmitten der damaligen Finanzkrise, entwickelten sich die Bodenklauseln aufgrund zunehmenden Zinsverfalles sozusagen zu einer üblichen Handhabe der spanischen Banken.

Die Rückwirkung zugunsten der Kreditnehmer gilt ab sofort. Für eine zeitliche ­Beschränkung der Rückwirkung (ex nunc-Wirkung) ­bestehe, so der Europäische Gerichtshof, kein Raum: Ein nur unzureichender Verbraucherrechtsschutz wäre die Folge, der einer zukünftigen Anwendung solcher Klauseln keinen hinreichenden Einhalt gebieten würde.

Auswirkungen für Banken

Ersten Schätzungen zufolge wird die zusätzliche Gesamtbelastung für die spanischen Banken 3 bis 5 Milliarden Euro betragen. Die spanische Notenbank (Banco de España) geht von Rückforderungsansprüchen in Höhe von rund 4 Milliarden Euro aus. Insbesondere von der EuGH-Entscheidung betroffene Banken sollen die BBVA, Caixabank, Sabadell, Banco Popular, Liberbank und Bankia sein, in dieser Reihenfolge.

Die Abwicklung

Allerdings sind wir von einer automatischen Rückerstattung noch weit entfernt. Im konkret entschiedenen Fall ging es „nur" um Mindestzins- beziehungsweise Bodenklauseln der Banken Cajasur, ­BBVA und Banco Popular, die somit direkt betroffen sind. Gleichzeitig werden aber bereits erste vorläufige Stellungnahmen anderer Bankinstitute bekannt, wie zum Beispiel der Banco Sabadell, die wohl trotz des EuGH-Urteils auf die damals vom Tribunal Supremo ausgesprochene Transparenz pochen wird: Man sei der Auffassung, diesem Erfordernis nachgekommen zu sein. Darüber hinaus ist zu bedenken, dass die meisten spanischen Banken bereits seit Längerem damit begonnen haben, entsprechende Rückstellungen zu bilden, um möglichen Rückerstattungsansprüchen nachkommen zu können.

Fazit

In der Tat ist es so, dass in vielen anderen Fällen noch keine weiteren rechtskräftigen Entscheidungen in Spanien vorliegen, sodass diese Thematik auch zukünftig und trotz des EuGH-Urteils noch nicht ausgestanden ist. Geklärt ist aber mit diesem EuGH-Urteil, dass in allen Fällen, wo rechtskräftige spanische Entscheidungen die Verbraucherschutzwidrigkeit von Mindestzins- oder Bodenklauseln in Hypothekendarlehensverträgen feststellen, eine zeitliche Begrenzung der Rückwirkung nicht mehr möglich ist, sondern diese seit Vertragsbeginn gelten muss.

Auf jeden Fall begünstigt die EuGH-Entscheidung auch Besitzer spanischer Ferienhäuser, sofern diese über spanische Banken variabel finanziert haben und deren Hypothek auch eine Bodenklausel enthält. Die Rückforderungssummen sind im derzeitigen Niedrigzinsumfeld teils erheblich.

Viel zu verlieren gibt es nicht: Einerseits sind Banken solvente Schuldner, die bereits mit Rückstellungen zum Auffang derartiger Klagen begonnen haben. Die Rechtslage wurde durch den EuGH klargestellt. Spanische Anwälte werden zudem sicherlich in der Lage sein, schnell und kostenlos Hypothekenurkunden zu überprüfen, um grundsätzlich festzustellen, ob im Einzelfall Rückforderungs­ansprüche bestehen könnten.

Der Autor Stefan Meyer ist Rechtsanwalt und Abogado in der Kanzlei Monereo Meyer Marinel-lo Abogados. Tel.: 91-31 99 686, www.mmmm.es