Das Paradies auf Erden gibt es leider nicht. Daher ist es auch sehr unwahrscheinlich, dass es hienieden Steuerparadiese (paraísos fiscales) geben soll. Auf Deutsch heißen die etwas dezenter „Steuer­oasen". Nicht wenige halten diesen Begriff für durchaus zutreffend, denn drumherum gäbe es ja nur (Steuer-)Wüste. Die Engländer setzen noch einen drauf und nennen das Ganze „Tax Heaven". Da es sich oft um Inseln handelt, wird außerdem der Begriff „off shore" verwendet.

Alle diese blumigen Begriffe beschreiben letztlich Länder, in denen dort ansässige Gesellschaften wenige oder idealerweise keine Steuern zahlen. Wer Gesellschaften in diesen Ländern gründet, hat viele Vorteile. Die Aktionäre oder Gesellschafter bleiben völlig anonym, das eigene Geld kann dort risikolos versteckt und idealerweise wieder investiert werden, und Gewinnsteuern werden gar keine gezahlt. Als Spanien noch nicht Mitglied der EU war und alle Auslands­investitionen von einem eigenen Ministerium überwacht wurden, stellte man überrascht fest, dass die meisten Investitionen in Spanien nicht etwa aus Deutschland oder den USA kamen, sondern vielmehr aus Liechtenstein und Panama.

International ist die Definition einer „Steueroase" durchaus umstritten, jedes Land hat seine eigenen Kriterien. Portugal hat 85 auf der Liste, Spanien zunächst 48, Deutschland gar keine.

Wer meint, da müssten doch alle Finanzminister der Welt zusammenstehen, um diese Steuerschlupflöcher zu stopfen, der irrt. Der weltweite Kampf gegen diese Länder wird nicht von allen mitgetragen. Großbritannien, seit jeher ein beliebter Finanzplatz, hat mit der Isle of Man, Guernsey, Jersey und Gi­braltar immerhin gleich vier Kandidaten am Start. Wenn man die Länder aus dem Commonwealth noch dazunimmt, kommen noch zwei absolute Topstars dazu, nämlich Cayman Islands und die Britischen Jungferninseln (BVI), bei denen die Anzahl der dort registrierten Gesellschaften sogar die Anzahl der Einwohner weit überschreitet. Kein Wunder also: Der Versuch der EU, eine „schwarze Liste" zu ­erstellen, ist bisher gescheitert, Groß­britannien hält einen Steuersatz von null nicht einmal für ein Verdachtskriterium.

Wie praktisch diese Gesellschaften sind, erkennt man an folgendem „Steuermodell", das gern von erfolgreichen Profifußballern benutzt wird. Da man das monatliche Gehalt, ohne erst mal in Spanien Steuern gezahlt zu haben, kaum einfach in die Karibik transferieren kann, schließt der Sportstar einen Vertrag mit einer dortigen Firma und überträgt ihr alle Werbe- und Bildrechte. Diese Gesellschaft verkauft diese Rechte für viel Geld, während der Fußballer nur eine schmale Pauschale erhält. Wem diese Gesellschaft (und das dort verdiente Geld) wirklich gehört, ist nun dank der „Panama Papers" auch kein Geheimnis mehr (ist ja auch nicht ganz so schwer zu erraten).

Jahrzehntelang wurden derartige Offshore-Gesellschaften auch für Immobilieninvestitionen in Mallorca eingesetzt. Neben der absoluten Anonymität, was den wahren Eigentümer angeht, kam noch ein satter Vorteil hinzu, nämlich dass man beim Verkauf der Immobilie dem Erwerber statt der Immobilie selbst einfach die Anteile an dieser Steueroasen-Gesellschaft verkaufte, sodass in Spanien niemand von dem Eigentumswechsel etwas erfuhr und alle Parteien davon profitierten. Es wurde von dem Verkäufer weder Grunderwerbsteuer gezahlt noch eine Gewinnsteuer auf den vom Verkäufer erzielten Gewinn beim Verkauf.

Es hat lange gedauert, bis wirksame Maßnahmen gefunden wurden, diesen Auswüchsen Einhalt zu gebieten. Dafür gab es viele Gründe: Zum einen wurde der Druck auf diese meist sehr kleinen Länder erhöht, insbesondere durch die USA, denen es sogar gelang, die Schweiz in die Knie zu zwingen. Weitere Gründe sind die seit den 90er-Jahren deutlich verbesserte Möglichkeit, Geldströme nachzuvollziehen, die Einführung der sogenannten Geldwäsche als Delikt und nicht zuletzt eine immer sensiblere Öffentlichkeit, die unter anderen mit den schon erwähnten „Panama Papers" Zigtausende Steuerflüchtlinge bloßstellte, die nun unangenehme Fragen der deutschen Finanzämter beantworten müssen.

Zudem wurden diese Länder öffentlich an den Pranger gestellt, in Spanien schon allein dadurch, dass ein eigenes königliches Dekret (1080/1991) erlassen wurde, in dem diese Steuerparadiese namentlich benannt wurden. Aber immerhin, die Maßnahmen zeigten Wirkung, waren es 1991 noch 48 Länder, die auf dieser Liste verzeichnet waren, enthält die aktuelle Liste von 2006 „nur" noch 34 Länder.

Und wie schafft man es, von dieser Liste wegzukommen? Ganz einfach, man stimmt einem internationalen Abkommen mit umfassendem Informationsaustausch zu, und, soweit möglich, der Offenlegung der wahren wirtschaftlichen Berechtigten der Gesellschaften. Auf diesem Weg haben es, jedenfalls aus spanischer Sicht, Andorra, Malta und Panama geschafft, sich aus der Liste zu verabschieden. Aber ansonsten sind selbst in Europa eine ganze Reihe von Steuerparadiesen erhalten geblieben, so zum Beispiel Gibraltar, Liechtenstein, und Monaco.

Nun hat aber die in dem spanischen königlichen Dekret niedergelegte Liste von Steueroasen auch eine rechtlich-steuerliche Bedeutung. Gesellschaften aus diesen Ländern, die Immobilien­besitz in Spanien halten, ohne einer weiteren Geschäftstätigkeit nachzugehen, müssen eine Sondersteuer in Höhe von drei Prozent des Katasterwertes, fällig jeweils am 31. Dezember eines jeden Jahres, zahlen. Wenn man sich überlegt, dass die jährliche Grundsteuer IBI, die jeder Immobilieneigentümer zu zahlen hat, 19 Prozent von 1,1 Prozent des Katasterwertes beträgt, kann man sich leicht vorstellen, dass die zu zahlende Summe in diesen Fällen durchaus heftig ist. Dennoch gibt es selten Protest, die Steuer wird ohne Murren bezahlt. Immer noch billiger, als den wahren Berechtigten offenzulegen.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Abogado mit Kanzleien in Frankfurt und Palma, Tel.: 971-91 50 40.