Von Frank Feldmeier Es ist eine Aufholjagd. Während Deutschland als Sozialstaat eine 130-jährige Entwicklung hinter sich hat, setzte dieser Prozess in Spanien erst nach dem Ende der Franco-Diktatur Ende der 70er Jahre ein. Galt das Land lange Zeit als Negativbeispiel für Sozialleistungen, wird Spanien heute in vielen Bereichen gelobt. ýDa ist allein in den vergangenen vier Jahren sehr viel geschehen", sagt Rainer Fuchs, Sozialreferent der Deutschen Botschaft in Madrid. ýDoch die Deutschen, die in Spanien leben, bemerken nach wie vor Unterschiede."

Denn noch ist das europäische Industriestaaten-Niveau nicht erreicht, besonders im Bereich der Familienhilfen: Während Deutschland drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Familienlastenausgleich ausgibt - also unter anderem für Kindergeld, Kinderfreibeträge, Ehegattensplitting oder Erziehungsurlaub - sind es in Spanien gerade einmal 0,7 Prozent. Im Gesundheitssystem gibt es Wartelisten, für die professionelle Versorgung kranker und alter Menschen müssen Pflegedienste erst aufgebaut werden.

Als vorbildlich dagegen gilt die Abdeckung des spanischen Gesundheitsdienstes. Während Bürger in Deutschland Arbeitnehmer sein müssen, um sozial- und krankenversichert zu sein, schließt der nationale Gesundheitsdienst in Spanien jeden ein. ýIm Bereich der Organtransplantation ist Spanien sogar Weltspitze", sagt Fuchs, es gebe keine langen Wartelisten.

Hilfen für Familien

Eltern erhalten bislang vergleichsweise wenig Beistand vom spanischen Staat - sie können sich jedoch in den kommenden Jahren auf weitreichende Verbesserungen einstellen. ýDa wird sich einiges tun", so Fuchs. Ein Vorgeschmack ist der Baby-Scheck. So zahlt Madrid seit vergangenem Jahr 2.500 Euro an die Eltern jedes Neugeborenen. Den Scheck gibt es auch für deutsche Eltern - vorausgesetzt, sie sind seit mindestens zwei Jahren in Spanien gemeldet.

Bislang beschränkt sich das Kindergeld auf 100 Euro monatlich - und das nur für berufstätige Mütter und lediglich bis zum dritten Geburtstag des Kindes. Beantragt werden können außerdem Einmalzahlungen für Bedürftige sowie 24,25 Euro monatlich bis zum 18. Lebensjahr für Behinderte und Familien, deren Einkommen weniger als 9.328 Euro im Jahr beträgt.

Zum Vergleich: In Deutschland gibt es Kindergeld einkommensunabhängig mindestens bis zur Volljährigkeit des Nachwuchses. Die monatlichen Zahlungen sind nach der Zahl der Kinder gestaffelt und betragen für das erste bis dritte Kind monatlich 154 Euro, ab dem vierten 179 Euro.

Erhebliche Unterschiede auch bei den Mutterschutzzeiten: In Spanien sind es nur 16 Wochen, neu sind 13 Tage Vaterschutz-Urlaub. In Deutschland kann Elternzeit bis zum dritten Geburtstag des Kindes beansprucht werden, Elterngeld wird über 14 Monate ausgezahlt - allerdings nur, wenn auch der Vater zwei Monate zu Hause bleibt.

Hilfen für Arbeitslose

Während das Arbeitslosengeld in beiden Ländern ähnlich geregelt ist, zeigen sich bei der Arbeitslosenhilfe deutliche Unterschiede. Verliert ein deutscher Arbeitnehmer in Spanien seinen Job, hat er Anspruch auf Arbeitslosengeld in Höhe von bis zu 70 Prozent des Lohnes für die Dauer von bis zu zwei Jahren. Für Anträge sind Niederlassungen der staatlichen Arbeitsbehörde INEM zuständig.

Ähnlich ist die Regelung in Deutschland: Dort werden 60 Prozent des Lohnes gezahlt, für Arbeitnehmer mit Kindern sind es 67 Prozent, der Anspruch besteht je nach Alter für einen Zeitraum von bis zu 18 Monaten.

Schlechter sieht es in Spanien mit der Arbeitslosenhilfe aus, die nach Ablauf von zwei Jahren gezahlt wird. Sie ist auf 18, in Ausnahmefällen auf 24 Monate beschränkt und beträgt 75 Prozent des Mindestlohns - derzeit 600 Euro. ýDanach ist Schluss", so Fuchs, ýes bleibt nur noch die Sozialhilfe." In Deutschland dagegen gibt es keine zeitliche Begrenzung der Arbeitslosenhilfe. Sie heißt inzwischen Arbeitslosengeld II und schließt die Sozialhilfe mit ein. Gezahlt werden derzeit 347 Euro monatlich plus Hilfen für Miete, Heizung sowie die Beiträge zu den gesetzlichen Versicherungen.

Sozialreferent Fuchs verweist bei den befristeten spanischen Hilfen jedoch darauf, dass die Verweilzeiten in der Arbeitslosigkeit kürzer sind als in Deutschland: Eine neue Arbeit sei vergleichsweise leicht zu finden, trotz einer Arbeitslosenquote von zuletzt 8,6 Prozent.

Hilfen für sozial Schwache

Der Rechtsanspruch auf Sozialhilfe wird in praktisch allen spanischen Regionen gewährt. Auf sie haben auch alle Deutschen Anrecht - vorausgesetzt, sie sind ordentlich gemeldet. ýAuf den Balearen sind das immerhin 364,47 Euro monatlich", sagt Fuchs. Zuständig ist die Gemeinde, also das Sozialamt im jeweiligen Rathaus. Der balearische Regelsatz liegt sogar leicht über dem deutschen, der derzeit 347 Euro monatlich beträgt. Allerdings kommen in der Bundesrepublik je nach Bedürftigkeit noch Wohngeld, Kleidungszuschuss oder Heizungshilfe hinzu.

Das Problem in Spanien: Zwar gibt es den Rechtsanspruch, in der Praxis wird die Sozialhilfe jedoch selten ausgezahlt. Wie in Deutschland gilt das Subsidiaritätsprinzip, das heißt, der Staat hilft nur, wenn niemand anders helfen kann. ýWenn es hart auf hart kommt, ist in Spanien die Familie eigentlich immer da", so Fuchs, ýdeswegen kommt es selten dazu, dass die Sozialhilfe wirklich gewährt wird."

Deutsche Antragsteller müssten sich deswegen ebenso wie Spanier darauf einstellen, dass streng überprüft wird, ob nicht doch jemand aus der Familie beistehen kann. Und auf Sozialhilfe aus Deutschland kann niemand mehr hoffen, seitdem nach dem Skandal um den ýSozialschmarotzer Florida-Rolf" vor fünf Jahren die deutsche Gesetzgebung geändert wurde - wer deutsche Sozialhilfe will, muss in die Bundesrepublik zurückkehren.

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