ýIn einer Region, die zu 80 Prozent von der Tourismuswirtschaft abhängt, gibt es einfach das entsprechende Know-how", sagt Unternehmensberater und Tourismusexperte Fernando Bayón. Genau wie manche Orte auf dem spanischen Festland mit Produkten assoziiert würden, die in den jeweiligen Regionen hergestellt und verkauft werden, seien die Balearen ein Synonym für Massentourismus. Doch verbindet Bayón damit durchaus Positives. Keine andere Region Spaniens habe so viel Fremdenverkehrserfahrung, der Tourismus sei den Einheimischen förmlich in Fleisch und Blut übergegangen.

Dass mallorquinische Hoteliers so erfolgreich seien, habe auch damit zu tun, dass sich die Unternehmer im Laufe der Zeit nicht nur angestachelt, sondern auch mit Ideen befruchtet und sich gegenseitig nachgeeifert hätten. Nach dem Motto: ýWenn der es geschafft hat, dann versuche ich es auch." Nach Ansicht von Onofre Martorell, Wirtschaftswissenschaftler an der Balearen-Universität und Buchautor, ist es vor allem die familiäre Unternehmensstruktur, die ein stabiles Wachstum der Ketten zur Folge hatte.

Alle fingen klein an

Habenichtse, die es mit viel Fleiß bis ganz nach oben geschafft haben: Die Firmengeschichten böten Stoff für so manchen Hollywood-Film. Gabriel Escarrer, der Gründer und Präsident der größten spanischen Hotelkette, Sol Meliá, fing beispielsweise als Kofferträger in einem Hotel in Palma an, ehe er sich 1956 im Alter von gerade einmal 21 Jahren das Hotel Altair in einem Wohnviertel von Palma anmietete. Heute verzeichnet sein Unternehmen mit mehr als 300 Hotels und 35.000 Mitarbeitern Milliardenumsätze.

An der Playa de Palma hatte bereits drei Jahre zuvor, im Jahr 1953, der katalanische Gemüsehändler ­Juan Riu Masmitja das Hotel San Francisco gekauft. Das heute noch bestehende Hotel war damals das einzige an dem geradezu jungfräulichen, von Dünen gesäumten und mit Sträuchern gespickten Strand. Das San Francisco wurde zunächst von der Familie Riu bewirtschaftet und sollte sich zur Keimzelle des Riu-Imperiums entwickeln, das mittlerweile auch fünf Prozent der Aktien des größten deutschen Reiseveranstalters, Tui, besitzt.

Ein Jahr später, 1954, stieg auch die Familie Barceló aus Felanitx ins Tourismusgeschäft ein. Anders als bei der Konkurrenz lag das Kerngeschäft jedoch zunächst nicht im Hotelgewerbe. Simon Barceló, der sich bereits vor dem spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) aus dem Nichts ein florierendes Transport­unternehmen geschaffen hatte, sowie seine beiden Söhne Gabriel und Sebastián übernahmen die erste Filiale der Reiseagentur Ultramar-Express in Palma. Später gründeten sie die Reisebürokette Viajes Barceló und bauten 1965 ihr erstes Hotel. Das ýPueblo" auf einer Fläche von 18.000 Quadratmetern an der Playa de Palma war zugleich das erste Hotel-Resort seiner Zeit.

Die Iberostar-Gruppe hingegen entstand aus dem Reiseveranstaler Viajes Iberia, der bereits 1930 von dem Lederfabrikanten Lorenzo Fluxà aus Inca gegründet wurde. Heute wird die Gruppe von seinem Sohn Miquel Fluxà geführt. Beteiligt sind jedoch auch dessen Brüder Lorenzo und Antonio, die ihrerseits Mehrheitseigner der Leder- und Schuhfabriken Camper und Lottusse sind. 1986 baute Miquel Fluxà sein erstes Hotel - zu einer Zeit, in der die anderen Unternehmen schon ihre Expansion in andere spanische Feriengebiete und ins Ausland vorantrieben.

Die Familie Riu eröffnete 1985 ihr erstes Haus auf den Kanaren. ýDas Risiko war hoch, wir haben schlaflose Nächte verbracht", erinnert sich Carmen Riu im Interview mit der Mallorca Zeitung. Doch sei es ein entscheidender Schritt für die weitere Expansion in die Karibik und die Vereinigten Staaten gewesen.

Und so expandierten die mallorquinischen Hotelketten bald auch nach Kuba und in die Dominikanische Republik. Dort fanden sie Bedingungen vor, die es in Spanien nicht mehr gab: Grund- und Boden zu Spottpreisen, niedrige Baukosten, billigste Arbeitskräfte, geringe Umweltauflagen. Und die dortigen Regierungen empfingen die Mallorquiner mit offenen Armen. ýDie Hoteliers wurden regelrecht von den Karibikländern angeworben", sagt Fernando Bayón. Auch habe die sprachliche und kulturelle Nähe für die Karibik als Expansionsziel gesprochen, ergänzt der Wirtschaftswissenschaftler Onofre Martorell.

Paradiesische Zustände

Um die Qualität der Bauten zu sichern, ließen die Mallorquiner teilweise Materialien aus Spanien heranschaffen. Die Barceló-Gruppe errichtete in der Dominikanischen Republik ihr erstes Strandresort mit einem zwei Kilometer langen Strand. ýIn Spanien war das undenkbar", erinnert sich Sebastián Barceló einmal im Gespräch mit der MZ.

ýDie Karibik war ein ideales Expansionsfeld, denn die mallorquinischen Hotelketten waren ja vor allem auf Ferienprodukte spezialisiert", erklärt Martorell. Mittlerweile sind auch Stadthotels und Kongress-paläste hinzugekommen. Wegen ihrer internationalen Positionierung sind die großen Hotelketten mit vielen Standorten krisenfester als die kleinen, glaubt Bayón. Lokale Krisen wie jetzt in Spanien könnten so besser ausgeglichen werden.

Und so werden die vier mal-lorquinischen Hotelketten weiter wachsen, wenn auch unterschiedlich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten. ýSol Meliá wächst als einziges börsennotiertes Unternehmen schneller und geht dabei auch einige Risiken ein, während die anderen bedächtiger vorgehen", beobachtet Martorell. Die Konzentration auf dem Weltmarkt würde zunehmen, und die Experten geben den mallorquinischen Unternehmen beste Chancen, sich in der internationalen Konkurrenz zu behaupten. Barceló will bis 2011 die Marke von 200 Hotels überschreiten, Sol Meliá wird noch in diesem Jahr einen Wolkenkratzer in Shanghai eröffnen, und auch Iberostar will allein im Jahr 2008 drei neue Hotels fertigstellen. In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Im Porträt: Die Unternehmer hinter den Hotelburgen

Die Top-Hotels sind vornehmlich in ausländischer Hand