Morgens um 9 ist die Welt noch in Ordnung. Denkt man. Doch das Thermometer zeigt bereits 30 Grad, die Sonne knallt vom Himmel, kein Lüftchen weht. Binnen Minuten bricht der Schweiß aus allen Poren - und der Strohhut, der eigentlich Linderung verschaffen sollte, hilft auch nicht wirklich. Jedenfalls nicht, wenn man zum Auftakt der Lese in Santa Eugènia in praller Hitze auf dem Weinfeld steht, mit einem trinxet in der Hand. Dieses Messer mit der mondsichelförmigen Klinge ist auf Mallorca zu allem gut, wird von Jägern, Landwirten, sogar zum Brotschneiden benutzt - und eben auch zum Weinernten.

"Du musst die Trauben ganz sanft abschneiden, mit Gefühl", sagt Ramon Servalls i Batle, Direktor der Bodega Macià Batle in Santa Maria. "Dann geht es ganz einfach." So also sieht ein Schnellkurs in Sachen Weinlese aus.

Schnipp, der erste Chardonnay fällt in eine der gelben Plastikkisten, die neben den Weinstöcken stehen. Dann kommt die nächste Traube, die dritte, vierte, im Nu ist der Behälter voll. Und schnell geht es weiter. Vom Feld bis zum Pressen in der Bodega vergeht rund eine Stunde. Denn es gilt: je fixer, desto besser. Jede Oxidation ist ein Aromakiller, die Trauben sollen so wenig wie möglich mit Sauerstoff in Berührung kommen.

Wer sein Geld bei der Lese verdienen muss, ist mindestens acht Stunden am Tag im Einsatz. Traube um Traube, Weinstock um Weinstock, Reihe um Reihe wird sich vorgearbeitet. Muy pesado sei das, sagt selbst Servalls, sehr anstrengend.

Um die zehn Hektar Chardonnay von Macià Batle zu lesen, werden drei Tage benötigt. Die weiße Rebsorte bildet stets den Auftakt, bevor dann zum Beispiel Merlot, Prensal Blanc, Mantonegro, Cabernet Sauvignon und all die anderen Rebsorten folgen. Die Lese zieht sich bis Ende September hin.

Besonders viel erwarten die mallorquinischen Winzer von der diesjährigen Ernte nicht. Es ist ein schwieriges Jahr, heißt es unisono. Die starken, wochenlangen Regenfälle von Ende April bis Juni haben den Pflanzen schwer zugesetzt. So rechnet man auf der Insel mit Ausfällen zwischen 20 und 50 Prozent, je nach Rebsorte und Region. Teilweise kann es sogar zu Totalverlusten kommen. Antoni Perelló vom Landesagrarministerium geht im Schnitt von ý30 Prozent weniger Produktion" aus.

ýDieses Jahr ist das schlechteste seit 2003", sagt Antoni Ramis von der Bodega Ramanyà in Santa Maria. Auch er wird ein Drittel weniger einbringen als noch im Vorjahr. Besonders betroffen sei bei ihm die traditionelle Mallorca-Rebsorte Mantonegro. ýNormalerweise haben die einheimischen Sorten die wenigsten Probleme, weil sie an das hiesige Klima gut angepasst sind. In diesem Jahr ist es genau umgekehrt. An ein Wetter wie in diesem Jahr sind sie einfach nicht gewöhnt", meint der Jungwinzer. ýDa schwächeln sie." Mittlerweile sind einige Insel-Kellereien beinahe verzweifelt auf der Suche nach Beeren ? Bei der Bodega Ribas in Consell jedenfalls sind bereits entsprechende Anfragen eingegangen.

Der Grund für die schlechte Ausbeute liegt in den Pilzattacken, denen die Stöcke in diesem Jahr ausgesetzt waren. Mancherorts war es die Botrytis, die Grauschimmelfäule, die sich schon vor dem großen Regen breit machte. Dann kam der Falsche Mehltau (Mildiu).

Da half für viele nur der massive Einsatz von Chemie. ýWir haben insgesamt 19 Mal gespritzt", sagt Antoni Colom von Ribas. Das ist dreimal so viel wie in anderen Jahren. Andere, wie die Bodega Butxet in Muro, standen da kaum nach: Sie waren 17 Mal mit Schädlingsbekämpfungsmitteln im

Einsatz.

Der starke Pilzbefall war auch besonders für die ökologisch arbeitenden Betriebe eine riesige Herausforderung - der sie sich mit dem Versprühen von Kupfer und Schwefel stellten.

Erst die Krankheiten, dann kam die große Hitze - im Juli und

August. Und es passierte, was auch bei Menschen durchaus nicht ungewöhnlich ist: ýDie Pflanzen legten eine Pause ein, stoppten die Photosynthese", so Servalls. Nach dem Motto: Erst mal Kräfte schonen und abwarten, was passiert. Ein Verhalten, das der Ertragssteigerung nicht gerade

zuträglich war ?

Das nächste Problem: Die Beeren eines Rebstocks sind teilweise sehr unterschiedlich gereift. ýDas heißt, dass sie sorgfältig selektiert werden müssen", sagt Arnau Galmés vom Weingut Galmés i Ferrer in Petra. ýDas bedeutet zusätzliche Arbeit, kostet Geld und schmälert den Verdienst."

Immerhin: Die bisherigen Analysen haben gezeigt, dass die Qualität der Trauben gut ist. Jetzt also ist vor allem die Arbeit im Keller gefragt. Jetzt schlägt die Stunde der Önologen. Ramón Vaca, Kellermeister bei Macià Batle: ýIn guten Jahren gelingt es vielen, einen guten Wein zu machen. Aber in schwierigen Zeiten wie jetzt, da zeigt sich, was der Önologe kann.

In der Print-Ausgabe lesen Sie außerdem:

- Eine Insel - viele Rebsorten

- Zwei neue alte Rebsorten offiziell zugelassen