Von Frank Feldmeier

Das Problem auf Mallorca: Die Müllberge wuchsen in den vergangenen Jahren immer schneller - mehr Bevölkerung, mehr Wohlstand, mehr Tourismus, mehr Müll. Für die Entsorgung ist der Inselrat zuständig, zur Lösung des Problems setzt er auf den Hochofen in Son Reus bei Palma: Was nicht recycelt wird, ist ein Fall für die Verbrennungsanlage. Die Deponierung dagegen soll der Vergangenheit angehören.

So wurden im Jahr 2006 insgesamt knapp 320.000 Tonnen Müll verbrannt, wie es der Jahresbericht der Konzessionsfirma Tirme aufführt. Die Anlage arbeitet am Limit, deswegen hat der Inselrat bereits die Verdopplung der Kapazitäten beschlossen.

Greenpeace läuft Sturm gegen diese Art der Müll-entsorgung. „Die Umweltverschmutzung ist immens", sagt Julio Barea, Leiter der spanienweiten Kampagne „¿Quién contamina?" (Wer verschmutzt?). 40 Prozent des Müllvolumens würden bei der Verbrennung zu giftiger Asche und Schlacke. „So wird aus Hausmüll, der kaum giftig ist, zum

großen Teil giftiger Müll." Barea kritisiert Probleme bei der Lagerung der Asche. Die verbleibende Schlacke werde zudem ins Zementwerk nach Lloseta gebracht, um sie dort zu verarbeiten. Die giftigen Stoffe würden so unkontrolliert in Umlauf

gesetzt. Greenpeace hat keine Belege für Vorwürfe

„Wer derart schwere Vorwürfe erhebt, muss sie auch beweisen können", sagt Catalina Julve, Dezernentin für Müllentsorgung beim Inselrat. Bislang hätten die Aktivisten von Greenpeace jedoch keinerlei Daten vorgelegt. „Die Müllverbrennungsanlage wird umfassend überwacht", so die Politikern der Unió Mallorquina, „und das sage ich mit empirischen Daten in der Hand."

Mehr als ein Dutzend Fachleute kontrolliere die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben. Die Analysen würden vom balearischen Umweltministerium abgenommen, Labors unter anderem der Balearen-Universität überprüften regelmäßig die Emissionen. „Seit Inbetriebnahme der Anlage lagen niemals Werte vor, die ein Risiko für die Umwelt oder die Gesundheit dargestellt hätten", sagt Julve. Asche und Schlacke würden ebenso kontrolliert. „Wer das in Frage stellt, muss es auch mit wissenschaftlichen Daten beweisen

können."

Das sei überhaupt nicht möglich, hält Greenpeace-Aktivist Barea dagegen: Die Emissionen ließen sich nicht zuverlässig messen. Barea verweist unter anderem auf giftige organische Verbindungen wie Dioxin oder Furan.

Das Hauptargument für den Hochofen: Seit Mallorcas Müll in Son Reus verbrannt wird, konnten zahlreiche Deponien auf der Insel geschlossen werden. Die Lagerung habe massive Nachteile, wie Julve ausführt: Eine Deponie gibt Giftstoffe wie Methangase an die Umwelt ab, das Grundwasser werde gefährdet. Nicht zuletzt für den Landschaftsschutz auf der Urlaubsinsel sei es ein gewaltiger Fortschritt, dass von ehemals 43 Deponien nur mehr eine einzige in Betrieb sei.

Die heute verbleibende Lagerstätte gehört Palmas Entsorgungsfirma Emaya und befindet sich auf dem Gelände von Son Reus. Dort wird deponiert, wofür die Kapazitäten der Verbrennungsanlage nicht ausreichen. Derzeit schafft diese pro Jahr 350.000 Tonnen. Julve gibt den auf Mallorca jährlich anfallenden Hausmüll jedoch mit inzwischen 650.000 Tonnen an, von denen mehr als 200.000 auf der Deponie landen. Julve verweist auf eine EU-Richtlinie, laut der langfristig alle derartigen Lagerstätten geschlossen werden müssen.

„Wenn wir gegen die Müllverbrennung argumentieren, heißt das noch lange nicht, dass wir für Deponien sind", argumentiert Barea von Greenpeace. Beide Methoden seien nicht akzeptabel: „Wir müssen an den Anfang der Kette gehen und das Konsum- und Entsorgungsmodell ändern." So müsse zuerst überlegt werden, wie sich Müll vermeiden lasse und wie Wertstoffe wiederverwertet werden könnten.

18 Prozent des Mülls werden wiederverwertet

Die Recycling-Quoten Mallorcas für das vergangene Jahr sind bislang noch nicht veröffent-licht. Fest steht: In den vergangenen Jahren hat die Insel kräftig aufgeholt. Derzeit werden laut Inselrat 18 Prozent des gesamten Mülls wiederverwertet. „Das ist ein guter Wert, weil wir hier auf Mallorca vor zehn Jahren noch gar nicht recycelt haben", sagt Julve. Der Abstand zu den Spitzenreitern in der Europäischen Union sei gar nicht mehr so groß, maximal sei ohnehin nur ein Verhältnis von 60 Prozent Verbrennung und 40 Prozent Recycling möglich.

Dass in der Anlage von Son Reus nicht nur verbrannt, sondern auch wiederverwertet wird, davon können sich mallorquinische Schulklassen wie Seniorenverbände seit Jahren bei Besichtigungen überzeugen. Jährlich passieren mehr als 20.000 Besucher in einer Schwebebahn die moderne Vorzeigeanlage, aus ganz Europa kommen Politiker und Journalisten zum Müll-Sightseeing.

In Son Reus werden Leichtverpackungen nach Art ihres Materials sortiert, darunter PET-Flaschen oder Konserven. Im Jahr 2006 verließen die Anlage 5.739 Tonnen, sortiert und komprimiert zum weiteren Recycling auf dem spanischen Festland.

Nebenprodukt Strom

Als Nebenprodukt der Müllverbrennung speist Son Reus Strom ins öffentliche Netz ein - entlastet werden auf diese Weise die ­kohle- und gasbetriebenen Heizkraftwerke der Insel. Doch genau dieses Konzept stört Greenpeace. Die Organisation kritisiert, dass durch das Geschäftsmodell der Anreiz zum Recyceln gering sei. Barea spricht von einem „perfekten Geschäft", seine Argumentation: Die Firma Tirme kassiere zum einen Gebühren von den Gemeinden für jede Tonne Müll, die verbrannt wird. Geld verdient werde zudem mit jedem Kilowatt Strom, genauso wie mit dem Verkauf der Schlacke zur Weiterverarbeitung in der Bau­industrie. Dass ein Konzessionsvertrag zwischen Inselrat und Tirme abgeschlossen wurde, der bis zum Jahr 2041 läuft, bestärkt die Skepsis der Umweltschützer. „Welchen Anreiz hat Tirme, die Recyclingquote zu erhöhen, wenn das Geschäft gut läuft?", so Barea, der den Umwelttechnologie-Park als bloße Image-Werbung kritisiert. „Wenn die Menschen Müll vermeiden und die Recycling-Quote steigt, bleibt schließlich weniger Müll zum Verbrennen."

Auch diese Argumentation lässt Julve nicht gelten. Denn zumindest für die Gemeinden zahlt sich das Recycling in barer Münze aus. Für jede Tonne, die nicht verbrannt wird, müssen die Rathäuser weniger Gebühren für die Entsorgung an den Inselrat abführen. „Wir belohnen alle Gemeinden, die uns sortierte Wertstoffe abliefern", sagt Julve. „Sie zahlen hierfür keinen Euro, wir subventionieren sogar den Transport."

Gleichzeitig investiert der Inselrat aber auch in neue Recycling-Parks in den Gemeinden. Bislang gibt es auf Mallorca 56 Parcs Verds, für 340.000 Euro sollen nun weitere Anlagen entstehen. Zudem wurden 250.000 Euro bewilligt, um die Gemeinden bei der Mülltrennung vor Ort zu unterstützen. Zu den 4.500 Wertstoff-Containern sollen weitere 150 hinzukommen. Während die Stadt Palma Großcontainer für Wertstoffe in den Vierteln aufstellt, setzen Gemeinden wie Puigpunyent, Bunyola oder Capdepera inzwischen auf die gesonderte Müllabfuhr an der Haustür.

Ein weiterer Anreiz, den Restmüll zur Verbrennung zu reduzieren: Der Inselrat erhöhte erst im Oktober vergangenen Jahres die Entsorgungsgebühr für die Gemeinden um 26 Prozent auf 126 Euro pro Tonne. Die meisten Rathäuser haben die höheren Kosten inzwischen an die Haushalte weitergegeben. Nur wenn die Recycling-Quote steigt, lässt sich die nächste Aufstockung der Gebühren verhindern.

In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

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Illegale Müllkippen: Harte Hand statt Nachsicht