Von Nina Kuschniok

Saskia Ille ist eine von ihnen. Seit Februar geht die

16-jährige Kölnerin hier zur Schule. Als sie sich beim Einschulungsbüro vorstellte, wurde sie auf Spanisch interviewt. Die Verständigung klappte ganz gut, weil sie bei Urlauben auf Mallorca und einem Sprachkurs in Deutschland schon einiges gelernt hatte. Sie kann nun den Sprachunterricht für Ausländer überspringen und nimmt direkt am normalen Unterricht teil. Nach ein paar Tagen auf der Schule lernte sie die Klassenkameraden besser kennen, und direkt am nächsten Wochenende gingen sie gemeinsam tanzen. Die ersten Freundschaften sind bereits geknüpft.

Bei der Ankunft hat ihr auch Saskia Finsterer geholfen. Die 15-jährige Deutsche spricht fließend Katalanisch und Spanisch - kein Wunder, denn sie ist hier aufgewachsen. Vergangenes Jahr war sie zum ersten Mal in Deutschland. Für sie ist das spanische Schulsystem das Normalste der Welt. Sie kann alle Fragen dazu beantworten.

Und davon hat die gerade angekommene Saskia Ille einige. Im Unterricht aber trennen sich ihre Wege. Dann sitzt die Kölnerin neben einer Engländerin, die schon länger an der Schule ist. Wenn Saskia etwas nicht versteht, übersetzt ihre Nachbarin es ins Englische. In einigen Unterrichtsfächern wird auch Katalanisch gesprochen. „Manchmal ist der Unterrichtsstoff zu schwer, dann wechseln die Lehrer ins Spanische", erklärt Gabriela Torrens, Vizedirektorin an der I.E.S. Eingliederungsprogramm für ausländische Schüler

Bisher ist das neue Schulsystem für Saskia kein Problem - auch, weil sie vor den Klassenarbeiten keine Angst zu haben braucht. Ihr Lehrer für Sozial­wissenschaften hat ihr angeboten, dass sie die Arbeit nicht mitschreibt, sondern in einer der hinteren Bänke Katalanisch lernt. Das ist keine Kulanz, sondern Teil eines Eingliederungsprogramms für ausländische Schüler. Alle Neuen, die noch Sprachprobleme haben, werden vom regulären Benotungssystem befreit. Wenn es sein muss, kann diese Schonfrist drei Jahre währen.

So soll der Einstieg ins spanische Schulsystem erleichtert werden. „Je schneller ein Schüler die Sprachen lernt, desto früher bekommt er normale Noten, genau wie alle anderen", erklärt Torrens. Und nicht nur die ausländischen Schüler hätten Sprachprobleme - auch viele Festlandspanier müssten erst einmal Katalanisch lernen.

Um die Sprachkenntnisse zu verbessern, kommen die Schüler in einen Eingliederungskurs. „Dort lernen sie die Sprache und werden auf Katalanisch in Mathematik, Naturwissenschaften und Sozialwissenschaften unterrichtet. So lernen sie das Fachvokabular", sagt die zuständige Lehrerin Antonia Andreu.

Die Eingliederung sei ein nicht enden wollender Kraftakt, sagt Andreu. Derzeit sitzen rund ein Dutzend Schüler von 13 bis 16 Jahren aus sieben verschiedenen Ländern in ihrer Klasse. 13 Wochenstunden arbeiten sie zusammen, die restlichen Unterrichtsfächer wie Kunst, Musik und Sport verbringen die Schüler in ihren normalen Klassenverbänden.

„Die Schule hat nur Geld für eine einzige Lehrkraft im Eingliederungskurs", sagt Andreu. In ihrem Unterricht muss sie teilweise auf sechs bis sieben Entwicklungs- und Altersstufen eingehen. „Während ein neu an die Schule gekommener Chinese noch das Alphabet lernen muss, sprechen die anderen schon Katalanisch - einige mehr, andere weniger."

Hinzu kommt, dass über das gesamte Schuljahr Kinder eingeschult werden dürfen. „Jedes Mal fange ich bei null an, während die anderen Schüler zur gleichen Zeit nach neuen sprachlichen Herausforderungen verlangen", erzählt die Lehrerin.

Multikulti als Vorteil

Eine ihrer Schülerinnen ist die Schweizerin Pamela Zöllig. Sie lernt mit Rumänen, Schotten, Brasilianern, Bulgaren, Chinesen und Polen. Die 13-Jährige aus der Nähe von Zürich lebt seit einem halben Jahr mit ihren Eltern auf Mallorca. Pamela fühlt sich in der multikulturellen Umgebung wohl. Viele der Schüler hätten zu Beginn die gleichen Probleme, Fragen und sprachliche Schwierigkeiten und seien deswegen offen gegenüber den Neuankömmlingen. Das verbinde. Für Pamela kommt hinzu, dass ihr der Unterricht leicht fällt. „Im Gegensatz zur Schweiz haben wir hier mehr Freizeit. Wenn am Nachmittag die Schule vorbei ist, gibt es kaum Hausaufgaben. In der Schweiz habe ich immer bis zum Abendessen lernen müssen."

Mit einem Anteil von 20 ­Prozent ausländischer Schüler liegt die Oberschule I.E.S. Calvià balearenweit auf einem Spitzenplatz im Einwanderungsranking. Und es werden jedes Jahr mehr. „Wir versuchen, mit dem Einschulungsbüro zu verhandeln. Wenn neue Schüler geschickt werden sollen, und bereits über 16 Schüler in der Integrationsklasse sind, dann bitten wir darum, sie an anderen Schulen der Gemeinde unterzubringen", sagt Torrens.

Die Situation wird auch vom balearischen Kultusministerium ernst genommen. Anlässlich einer vor kurzem veröffentlichten Studie über Einwandererkinder an balearischen Schulen hat Kultusministerin Bàrbara Galmés den Schulen für das kommende Jahr mehr Geld, mehr Lehrer und mehr Handlungsspielraum bei der Integration versprochen. Das hört man gerne an der I.E.S. „Wir brauchen unbedingt mehr Geld, um eine zweite Lehrkraft für den Integrations-Unterricht einstellen zu können", sagt Torrens.

Multikulturalität wird an der I.E.S. Calvià nicht als Problem aufgefasst, sondern als Mehrwert. „Die meisten Schüler von Einwanderern, die hier ihren Abschluss machen, haben gute Jobchancen. Schließlich sprechen sie Spanisch, Katalanisch, Englisch und vielleicht Deutsch oder eine andere Sprache", meint Torrens.

In der Druckausgabe lesen Sie außerdem:

Interview mit Bildungsexperten: "Große Defizite bei Lehrerausbildung"

Statistik: 1.859 deutsche Schüler auf Balearen