In Palmas Amtsgericht in der Innenstadt sind die Glaswände an den Büros dicht mit Aushängen beklebt. Fast jeder Zettel bedeutet das Ende einer Existenz. Es sind die Bekanntmachungen von Zwangsversteigerungen, Häuser und Wohnungen, für die die Eigentümer den Kredit nicht mehr bezahlen können. Innerhalb eines Jahres hat sich die Zahl der Zwangsversteigerungen auf Mallorca vervielfacht. Früher konnte man durch die Glaswände noch die Justizmitarbeiter beim Tippen beobachten, jetzt ist die Sicht auf sie fast zutapeziert.

Mittlerweile sind auch findige Investoren und Immobilienhändler auf die Zwangsversteigerungen aufmerksam geworden. Denn im Gegensatz zu früher gibt es nun manchmal auch interessante Objekte für den internationalen Markt, also etwa luxuriöse Wohnungen oder Meerblick-Fincas.

"Es gibt jetzt mindestens fünfmal so viele Zwangsversteigerungen als noch vor einem Jahr", sagt der Anwalt Matthias Jahnel. Wenn jemand seine Kredite nicht mehr bezahlen konnte, konnte er früher als Notlösung noch das Haus verkaufen. Doch in der Krise mag keiner mehr zu aufgeblähten Preise kaufen.

Im Amtsgericht liegen die Preise deutlich unter den Summen, die man aus Immobilien­anzeigen kennt. Außerdem gibt es Wohnungen und Häuser schon für 70 Prozent des Schätzwertes - wenn kein höheres Angebot abgegeben wird. Beispiel: Aktuell wird etwa eine 215 Quadratmeter große Wohnung mit ­Terrasse und Garage in Calvià angeboten. Geschätzt wurde sie auf 800.000 Euro. Wenn keiner mehr zahlen will, ist sie für 570.000 Euro zu haben.

Doch wer Schnäppchen machen will, braucht vor allem eins: "Viel Geduld!" Das sagt Oliver Ripoll, der fast jeden Tag in Palmas Amtsgericht kommt. Er handelt bereits seit 15 Jahren mit Zwangsversteigerungsimmobilien. Er sucht, kauft, renoviert, hinterher verkauft er wieder oder vermietet die Immobilie. Bisher war er ausschließlich in Frankreich aktiv, seit kurzem schaut er sich auch auf Mallorca um. Denn hier, so glaubt er, seien momentan große Gewinne zu machen.

Deswegen steht Ripoll nun vor den Zettelwänden und notiert die Angaben in sein Büchlein. Denn Zwangsversteigerungen werden auf Mallorca nur im staatlichen Mitteilungsblatt BOIB und per Gerichtsaushang bekanntgegeben.

"Hinterher muss man dann oft noch stundenlang suchen, um das Objekt überhaupt zu finden", erzählt Ripoll. Die Angaben zur Adresse sind oft nicht eindeutig. Auch über den Zustand und die Besonderheiten der Wohnung steht auf den Zetteln nichts. "Ich habe bisher immer richtig gelegen, aber ein Freund von mir ist schon mal ordentlich reingefallen. Er hatte eine Wohnung ersteigert, die nur über einen Zugang durch eine andere Wohnung betretbar war", sagt der 39-Jährige.

Denn so groß die Chance auf ein Schnäppchen, so hoch ist auch das Risiko. Eine Besichtigung der im Gericht angebotenen Häuser und Wohnungen ist im Normalfall nicht möglich. "Da sitzt meistens eine Familie drin, deren Haus nun womöglich weit unter dem Preis verkauft wird, den sie dafür bezahlt hat. Die zeigen ihre Immobilie nicht so gern her", erklärt Matthias Jahnel. Der deutsche Anwalt bietet neuerdings als Service für deutsche Investoren die Vorauswahl und die Überprüfung interessanter Immobilien aus Zwangsversteigerungen an.

Vor dem Zuschlag sollten auf jeden Fall so umfangreiche Recherchen wie möglich gemacht werden. "Man kann die Nachbarn fragen, sich das Register anschauen, mit den Gemeinden sprechen und sehen ob Baurechtsverstöße begangen worden sind. Es ist nämlich nicht gesagt, dass das Haus auch legal ist, wenn es versteigert wird." Vollkommene Risiko-Absicherung, sagt MatthiasJahnel, könne aber auch er nicht bieten.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Hans von Rotenhan: "Außergewöhnliche Wege für schlechte Zeiten"

- Die etablierten Makler haben da ihre Zweifel

- Und so geht's