In der Cafeteria Gorg Blau an der Plaça Serralta hängt jetzt ein Trauerflor an dem Werder-Bremen-Schal über der Bar. Davor steht Wirt Fernando Sánchez mit Tränen in den Augen. Sein deutscher ­Bekannter und Stammgast, der ihm den Fanartikel überlassen hatte, ist tot. Der Mann und seine Ehefrau starben wie fünf weitere Todesopfer bei dem Einsturz ihres Hauses in unmittelbarer Nähe. Nach den Berichten spanischer Zeitungen hießen die beiden Uwe und Wiebke Stomberg. Uwe Stomberg soll 70 Jahre alt gewesen sein und aus Bad Oeynhausen in Nord-rhein-Westfalen stammen, seine Frau Wiebke sei vor bald 67 Jahren in Kiel geboren worden. Die deutschen Behörden konnten die Identität der beiden Opfer allerdings noch nicht bestätigen. Auch Angehörige konnten laut dem deutschen Konsul Wolfgang Wiesner bislang nicht ausfindig gemacht werden.

Fest steht: Die Bar Gorg Blau war die Stammkneipe der beiden Deutschen, die seit mehreren Jahren auf Mallorca lebten und sich für den Lebensabend im Süden das Arbeiterviertel in Palma ausgesucht hatten, in das sich sonst kaum Deutsche verirren. Wenige Stunden bevor sie die wenigen Meter nach Hause in ihre Wohnung im dritten Stock in der Straße Rodríguez Arias gingen, hatten sie sich noch für den nächsten Tag zum Essen im Gorg Blau verabredet. „Sie wollten hier frito mallorquín essen, das mochten sie gerne", sagt Wirt Sánchez.

Der Deutsche, der laut Sánchez Kurt hieß, sei ein begeisterter Fußballfan gewesen und habe in seiner Bar sonntags die Spiele der spanischen Liga verfolgt oder Zeitung gelesen. Dazu habe er sich immer auf den gleichen Platz gesetzt. Obwohl die Deutschen nur wenig Spanisch gesprochen hätten, habe man sich prächtig verstanden. Die beiden seien in ihrem Viertel sehr bekannt und beliebt gewesen. „Sie waren nette Leute und sehr lustig." Auch andere Nachbarn erinnern sich vor allem an den Humor der Deutschen. Anwohner erzählen, man habe sie auf der Plaça Serralta oder in den Bars des Viertels gesehen. „Es war spaßig mit ihnen", sagt auch die Betreiberin der Bar Tuqui, Montse Pérez, wo der Mann seinen letzten Geburtstag gefeiert habe. Seine Frau habe außerdem etwas besser Spanisch gesprochen als ihr Mann. Die Schwester der Frau soll das Paar öfter auf Mallorca besucht haben. Der Mann sei vor kurzem noch am Bein operiert worden und sei eine Zeit lang mit einer Krücke unterwegs gewesen.

Neben dem deutschen Paar sind bei dem Einsturz drei Mitglieder einer kolumbianischen Familie ums Leben gekommen. Auch Pablo Andrés Valencia (30), bekannt unter dem Spitznamen „El Buitre", war laut dem Wirt am Sonntagabend noch in der Cafeteria Gorg Blau, wie die beiden deutschen Opfer. Vor mehr als zehn Jahren war der Gelegenheitsbauarbeiter mit seiner Mutter María Inírida Correa nach Spanien gekommen. Die ebenfalls verstorbene 54-Jährige arbeitete als Betreuerin eines alten Mannes. Ums Leben kam auch ihr Schwiegersohn Óscar Ortiz (38). Dessen Frau Paola Valencia Correa überlebte hingegen, weil sie nach einer Auseinandersetzung mit ihrem Mann die Wohnung verlassen hatte. Auch der Partner ihrer Mutter, der Bauarbeiter Luis Alberto (55), war nicht zu Hause, weil er mit seinem Bruder in dessen Wohnung „Mensch ärgere dich nicht" spielte und dort übernachtete.

Im ersten Stock des Hauses lebte eine mallorquinische Familie. Die bei dem Unglück verstorbene 15 Jahre alte Tochter Miquela Perrelló galt als Musterschülerin an der Sekundarschule Ramon Llull in Palma. Sie sei reserviert gewesen, aber dennoch von Mitschülern und Lehrern sehr geschätzt worden. Ihre Noten seien sehr gut gewesen, erinnerte sich ein Lehrer des Mädchens. Auch ihr Vater Jaume Perelló (54), der als Hotel-Rezeptionist gearbeitet hatte, starb bei dem Unglück. Die Mutter konnte verletzt aus den Trümmern geborgen werden. Sie befindet sich weiterhin im Krankenhaus Son Llàtzer. Die ältere Tochter (19) der Familie soll vor kurzem ihr Studium in Barcelona begonnen haben.

Ebenso überlebte Nachbar Francisco Páez. Der 73-jährige Witwer lebte alleine in einem an das eingestürzte Mehrfamilienhaus angrenzenden mallorquinischen Häuschen. Die herunterfallenden Trümmer beschädigten die planta baja schwer, doch Páez erlitt lediglich leichte Verletzungen im Gesicht und an der Brust. Seine beiden kleinen Hunde wurden am Dienstagnachmittag (27.10.) von Feuerwehrleuten geborgen. Anwohner hatten sie bellen hören.

Freunde der Opfer zündeten auf der Plaça Serralta Kerzen an und brachten dort Fotos der Verstorbenen an. Anwohner des Viertels, Freunde und Angehörige der Opfer wollen sich am Sonntag (1.11.) um 18 Uhr auf der Plaça Serralta zum Gedenken an die Toten treffen.