Wenn ich unendlich Zeit hätte, mich um nachhaltiges Leben und den entsprechenden strategischen Konsum zu kümmern, das wäre schön. Aber in der Realität sieht das Leben anders aus. Ich habe lange Arbeitstage und auch noch ein paar andere Interessen und Bedürfnisse. Und eigentlich bin ich auf Mallorca doch sowieso recht grün unterwegs, glaube ich. Ich fahre meistens Rad statt Auto oder Bus, habe eine für Insel-Verhältnisse ziemlich gut isolierte Wohnung ohne Klimaanlage und kaufe am liebsten Bio-Roggenbrot. Trotzdem, das schlechte Gewissen sagt, mein Beitrag zur Vermeidung der Klimakatastrophe könnte größer sein. Also, los geht´s.

Dienstag, 20. Oktober

Öko-Nahrung (am besten von lokalen Produzenten) kaufe ich schon länger gerne, aber die entsprechenden Märkte, Läden oder Höfe und deren Öffnungszeiten erfordern Planung und gesonderte Anfahrten - was wiederum CO2-Ausstoß bedeutet. Eigenanbau im Garten geht nicht. Ich lebe in einer Stadtwohnung ohne Balkon. Deshalb kommt der Großteil meines Kühlschrank­inhalts doch immer wieder aus der frutería, die auf dem Nachhauseweg liegt. Immerhin erkundige ich mich dieses Mal genau nach der Herkunft meiner Tomaten, Weintrauben und Kakis. Die Antwort ist ziemlich erfreulich. Wenn nicht direkt von der Insel, dann doch immerhin aus Spanien. Die Kiwis aus Neuseeland lasse ich weg und bei den Bananen nehme ich die von den Kanaren. Hurra, Mallorca-Vorteil, in Spanien kann man inländische Bananen kaufen. Schön, das bedeutet wenig Kohlendioxid beim Transport. Die Verpackungen, in denen Obst und Gemüse oft in Supermärkten stecken, braucht man im Obstladen auch nicht. Insgeheim frage ich mich, wie viele Pestizide auf dem jeweiligen Acker eingesetzt worden sind. Denn Bio ist es natürlich nicht.

Donnerstag, 22. Oktober

Kann man auch im normalen Supermarkt mit seiner Produktauswahl noch Nuancen setzen und gesünder und umweltfreundlicher einkaufen? In den Standard-­Supermärkten in Spanien gibt es ja im Gegensatz zu ihren Pendants in Deutschland kaum Bio-Alternativen. Mit einer Expertin mache ich den Test.

Samstag, 24. Oktober

Es ist Samstag, und ich habe Zeit. Auf zum Öko-Laden in der Carrer Blanquerna. Ich bin neugierig auf die Neuheiten der Branche. Der Laden enttäuscht mich nicht. Ich bleibe bei einem Säckchen indischer Nüsse zum Waschen hängen. Die Verkäuferin überschlägt sich beinahe beim Erläutern der Vorteile: Die Nüsse kommen in einem Stoffsäckchen mit den Klamotten in die Maschine, ersetzen Waschmittel samt Weichspüler, sind mehrmals verwendbar, biologisch abbaubar und können aufgekocht als Sud auch noch zum Putzen der kompletten Wohnung inklusive Fenster verwendet werden. Ein pflanzliches Wundermittel also. Ich zögere trotzdem. Effektives Waschen ohne bunte und sauber duftende chemische Flüssigkeiten in der Maschine kann ich mir nicht vorstellen. Dann siegt die Neugier. Das 20 Euro teure Nuss-Paket, das mindestens ein Jahr ausreichen soll, bekomme ich für 19 Euro. Es gibt 5 Prozent Rabatt für Kunden, die mit dem Fahrrad kommen. Auch der restliche Tag wird extrem gesund und nachhaltig. Ein Freund schenkt mir selbst gebackenes Brot, einen Kürbis und eine Melone aus seiner Finca. Im vegetarischen Restaurant erfahre ich, dass die Zutaten zumindest teilweise aus mallorquinischem Bio-Anbau stammen. Und die anschließende Radtour am Meer entlang ist ganz schadstofffrei. Toll!

Mittwoch, 28. Oktober

Nun wird es auch auf Mallorca kalt. Aber die Heizung schalte ich nicht ein. Ich halte noch ein bisschen mit Wärmflasche und Decke aus, das spart nicht nur Energie, sondern natürlich auch Geld. In den Tipps von Öko-Aktivisten heißt es, man soll auch an seinem Arbeitsplatz missio­narisch tätig werden. Tatsächlich schließen die Fenster im Büro nicht ordentlich. Ich sage dem Hausmeister Bescheid. Apropos Arbeitsplatz. Selbstkritisch gesehen, könnte ich ein paar Ausdrucke weniger machen und so den Papierverbrauch senken. Oder wenigstens auch die Rückseite benutzen. Für den Snack-Automaten im ­Aufenthaltsraum fordere ich gesünderen Inhalt statt der fettigen Kalorienbomben in Form von Chips und Süßigkeiten bei der Betriebsrätin. Außerdem die Abschaffung der Plastikbecher am Wasserspender. Dann denke ich noch darüber nach, ob man einem Arbeitskollegen sagen kann, er möge sein Wurstbrot doch in eine tausendmal nutzbare Plastikdose packen, statt jeden Tag in neue Alufolie. Ich tue es nicht.

Samstag, 31. Oktober

Ein Rückschlag. Eine Freundin aus Madrid kommt zu Besuch und ertappt mich bei mangelhafter Mülltrennung. Ich habe sowohl Plastik als auch organische Reste nicht ordentlich separiert. Ich bessere nach. Ja, beim öko-korrekten Leben darf man sich nicht hängen lassen. Später am Tag muss es ziemlich schnell gehen, wir sind unterwegs zum gemeinsamen Grillen bei Bekannten und brauchen noch Mitbringsel. Ein Stopp bei Lidl. Paprika, Wein, Spargel und Meeresfrüchte zum Aperitif. Das Zeug ist in Dosen - schlecht! Dann doch noch eine gute Nachricht. Die erste Ladung Nuss-Wäsche ist tatsächlich sauber geworden.

Dienstag, 3. November

Ich lese, dass die Leiterin der balearischen Klimaschutzbehörde täglich mit dem Auto von Pollença nach Palma fährt. Kein gutes Vorbild. Sollte sie nach Palma umziehen? Und was ist mit den ganzen Finca-Romantikern mit Solarzellen, Regenwassernutzung und gepresstem Öl aus den eigenen Oliven, die aber jedes zweite Wochenende nach Deutschland fliegen? Was zählt mehr? Sofort errechne ich den CO2-Ausstoß für meinen Weihnachts-Heimflug auf www.myclimate.org. Für die Strecke Palma-München (2.434 ­Kilometer) sind es 0,533 Tonnen. Für 20 Euro kann ich mich dort vom schlechten Gewissen freikaufen und Klimaschutzprojekte fördern.

Samstag, 6. November

Der Samstag wird allmählich mein persönlicher Planetrettungs-Beitrag-Tag. Heute lautet Mission eins: bewusster Fischkauf. Während viele Arten gefährdet sind, weil sie zu oft gegessen werden, gibt es ein paar Alternativen, die weiterhin in vertretbaren Mengen im Meer schwimmen, weil es deutlich weniger Kunden für sie gibt. Auf Mallorca sind das zum Beispiel gerrets (Pikarellen). Ich kaufe auf dem Mercat Olivar in Palma sechs Stück - und staune über den Preis. 1,37 Euro! Die kleinen Fische reichen mir für zwei Mahlzeiten. Schön, wenn gute Taten auch noch billig sind. Mission zwei folgt am Nachmittag. Ich brauche eine neue Jeans. Und zwar eine, die gut aussieht. Keine schlabbrigen, beigen Öko-Hosen, die an Anti-Kernkraft-Demos in den 80ern erinnern. Das Problem: Herkömmliche Jeans sind in der Herstellung Mega-Wasservernichter und Chemiegiftschleudern. Eine Internet- Recherche beginnt. Am Ende finde ich in der Carrer Pellaires einen Laden in Palma, der modische (!) Jeans aus Bio-Baumwolle eines Öko-Labels anbietet. Toll! Wie ist der Energieverbrauch? Produziert das Unternehmen zu fairen Bedingungen? Jeden Kauf zu hinterfragen, Inhalt und Herkunft auf den Etiketten zu lesen, das dauert. Für aktives nachhaltiges Leben braucht es nicht nur den Willen, sondern vor allem auch Zeit. Doch lohnen tut es sich allemal.

Infos

Die Vereinigung „Mallorca goes green“ kämpft für die Öko-Wende auf der Insel. „Mallorca importiert 95 Prozent seiner Lebensmittel, dabei könnten wir Selbstversorger sein“, sagt Sprecherin Kerstin Unger-Salén. Dabei setzt die Gruppe auf das Verhalten der Verbraucher. „Als Masse haben wir die Macht. Frische und lokale Produkte sind immer die bessere Alternative.“ So könnte auch die in der Vergangenheit geschrumpfte Landwirtschaft auf Mallorca unterstützt und gefördert werden. Die Vereinigung fordert aber auch die Politiker dazu auf, Mallorca mit Gesetzen klimafreundlicher zu machen. „Es sollte in jeder Gemeinde einen kostenlosen Standort für ökologischen und lokalen Direktverkauf geben. Taxi-Unternehmer könnten dazu verpflichtet werden, Elektroautos zu nutzen.“ Weitere Mitstreiter sind bei "Mallorca goes green" herzlich willkommen.

www.mallorcagoesgreen.org

Schwierig wird es bei einem öko-korrekten Leben oft bei der konkreten Umsetzung. Auf der deutschen, modern und ansprechend aufgemachten Öko-Internetplattform Utopia finden sich die Antworten auf die zahllosen Fragen, die nachhaltige Verbraucher in allen Lebenslagen haben. Die umfangreichen Hilfen gehen weit über Tipps, à la auf Rindfleisch verzichten, Energiesparlampen verwenden und die Wohnung isolieren hinaus.

www.utopia.de

Spanische Pendants zu utopia - aber weniger umfangreich - sind

www.ecototal.com und www.ecopaginas.com

Slow Food setzt sich für den Konsum von regionalen, saisonalen und nach traditionellen Methoden hergestellten Öko-Lebensmitteln und deren genussvollen Konsum ein. Auf der Internetseite findet sich eine nützliche Zusammenstellung von Direktvermarktern auf Mallorca. „On trobar aliments bons, nets i justs" zum ­Herunterladen.

http://slowfoodib.org/

Manche regionalen Arten von Obstbäumen und Gemüsearten sind fast am Verschwinden. Ein mallorquinischer ProduzentenVerband informiert über die traditionellen Arten Mallorcas und wie Sie diese in Ihren Garten bringen. Tel.: 971-88 70 24

varietats.autoctones@cmail.cat

Sie wollen etwas für die Natur Mallorcas tun? Dann engagieren Sie sich doch bei den Umweltschutzverbänden GOB oder Amics de la Terra.

www.gobmallorca.com

www.amicsdelaterra.org

Der defekte Wasserkocher und die alten Batterien dürfen in keinen der üblichen Müllbehälter. Wie Sie in Ihrer Kommune richtig entsorgen, sagt Ihnen Emaya. Tel.: 971-76 41 40

www.emaya.es

Auf dem Internet-Auftritt der balearischen Klimaschutzbehörde können Sie bei einem virtuellen Rundgang durch Ihre Wohnung Ihren persönlichen jährlichen Kohlendioxid-Ausstoß berechnen. Außerdem erfahren Sie, was die Balearen-Regierung gegen den Klimawandel tut.

http://canviclimatic.caib.es

Seinen ökologischen Fußabdruck kann man auch bei

www.vidasostenible.org messen.

Ein neuer Fernseher muss her und die Waschmaschine tut es auch nicht mehr. Hier finden Sie die sparsamsten Elektroartikel, aber zum Beispiel auch öko-korrekte Anlagefonds:

www.ecotopten.de

Bei www.ecoshopper.de gibt es biologisch vertretbare Kleidung.

Nützliche Infos für nachhaltiges Bauen gibt es bei www.ecohabitar.org

In der Printausgabe lesen Sie außerdem

- Unterwegs im Dschungel Supermarkt