Wenn es intensiv regnet, können sich die Straßenbauer im Inselrat von Mallorca bereits auf den nächsten Einsatz im Tramuntana-Gebirge einstellen. „Wenn so ein Wetter ein paar Tage anhält, müssen wir garantiert wieder ausrücken", sagt Cristòfol Massanet, der zuständige Abteilungsleiter. „Stützmauern fallen uns ohnehin beständig ein."

Kaputte Mauern entlang der Panorama-Straßen an der Steilküste sind noch das kleinere Übel: Steinschläge, Erdrutsche, Deckeneinbrücke von Karsthöhlen – die Landstraßen durch das Gebirge im Norden Mallorcas sind praktisch eine Dauerbaustelle. Zuletzt ist die Ma-10 zwischen Andratx und Estellencs im Südwesten der Insel zehn Meter abgerutscht – und hat damit zahlreiche Gastronomen, Hoteliers und Einzelhändler ihrer Kunden beraubt (MZ berichtete). „Das Gebirge ist ständig in Bewegung", sagt Massanet, „das ist eben die Gewalt der Natur."

In den vergangenen anderthalb Jahren ging die Erosion in der Tramuntana noch schneller vonstatten als gewöhnlich. Das staatliche Geologische Institut auf den Balearen (IGME) hat seit November 2008 insgesamt 29 Erdrutsche, Steinschläge und Höhleneinbrüche auf Mallorca gezählt. Diese hohe Zahl erklärt Institutsleiterin Rosa María Mateos mit dem Wetter: Die vergangenen zwei Winter fielen vergleichsweise kalt aus, zudem regnete es auf Mallorca doppelt so viel wie in durchschnittlichen Jahren. „Das ist der perfekte Cocktail, der zu Steinschlägen und Erdrutschen führt."

Das Wasser dringt in Felsspalten ein und löst Erosionsprozesse im Karstgestein aus. Gefriert das eindringende Wasser, erhöht sich zudem der Druck auf die Felsspalten. Während Starkregen vor allem Steinschläge auslöse, seien Erdrutsche vor allem die Folge des Dauerregens, erklärt Mateos – der Boden saugt sich mit Wasser voll und sackt schließlich ab, wie auf der Ma-10 bei Estellencs.

Die Erdbewegungen machen die Tramuntana zu einem idealen Forschungsobjekt für Geologen. Ein Team von drei Mitarbeitern des geologischen Instituts ist beständig unterwegs, um die neuesten Fälle von Erosion auf Mallorca zu dokumentieren. Die Tramuntana wurde jetzt zudem neben fünf weiteren Gebieten wie den italienischen Dolomiten oder dem Schweizer Mattertal in ein EU-finanziertes Pilotprojekt namens DORIS aufgenommen, bei dem auch Deutschland technisches Know-how beisteuert. Es wurde schon vor dem Erdrutsch von Estellencs in die Wege geleitet und soll bis Juni 2012 laufen. Ziel ist die Entwicklung eines Frühwarnsystems für bevorstehende Erdbewegungen.

Und das funktioniert so: Zunächst soll der monatliche Abgleich von Satellitenfotos Aufschluss über geologisch instabile Gebiete geben. „Wir können dabei auch millimeterkleine Veränderungen entdecken", sagt Mateos. Der zweite Schritt ist dann die Einrichtung eines terrestrischen Radarsystems, das per Fernsteuerung und in Echtzeit Daten über kleinste Erdbewegungen liefern soll. „Damit hätten wir auch den Erdrutsch von Estellencs vorhersagen können." Mateos verweist auf die Möglichkeit, den betroffenen Straßenabschnitt rechtzeitig zu sperren und Autofahrer zu warnen.

Die Prävention besteht nach Angaben von Massanet bislang darin, dass seine Mitarbeiter Risse im Straßenbelag ausbessern, um so zu verhindern, das Regenwasser die Erosion weiter vorantreibt. Die restliche Arbeit sei Schadensbehebung – eine kostspielige Angelegenheit. Während eine Stützmauer für 30.000 Euro wieder aufgebaut sei, fielen für die Reparatur von 80 Metern Estellencs-Straße 1,5 Millionen Euro an. Gearbeitet wird unter Zeitdruck – die Straße soll noch im Mai wieder passierbar sein – und mit Spezialmaschinen. So wurden zur Befestigung im Abstand von 50 Zentimetern 18 Meter lange Pfähle in den Grund getrieben – eine Technik, die sonst bei Brücken oder Tiefgaragen zum Einsatz kommt. In anderen Fällen wird die Straße kurzerhand hangaufwärts verlegt, wie im Fall eines Erdrutsches bei Cala Tuent in der Gemeinde Escorca im Dezember 2008. Das geht aber nur, wenn das Gelände dort nicht ebenfalls instabil sei wie bei Estellencs, erklärt Massanet.

Die Kosten überstiegen die finanziellen Möglichkeiten von Gemeinden und Inselrat. Nötig seien deswegen immer wieder Finanzierungsabkommen mit der Zentralregierung in Madrid, so wie auch jetzt: Zehn Millionen Euro stehen zur Verfügung, um vor allem die Haupt-Tramuntana-Strecke Andratx-Pollença so weit wie möglich in Schuss zu halten.

Massanet wie auch Geologin Mateos stimmen darin überein, dass eine weitergehende Prävention eine zu teure Angelegenheit ist. Allein die Ma-1 misst zwischen Andratx und Pollença 112 Kilometer, hinzu kommen zahlreiche Querverbindungen. „Eine 100-prozentig sichere Gebirgsstraße gibt es nicht", sagt Mateos und zeigt auf eine geologische Karte mit farbig markierten Gefahrenzonen. Die roten Sprenkel durchziehen die komplette Tramuntana.

In der Printausgabe vom 6. Mai (Nummer 522) lesen Sie außerdem:

- Sturzflut sorgt für Chaos und volle Reservoirs

- Balearen-Meteorologe Jansà über Regenrekorde und Wetterprognosen

- Die Stauseen sind randvoll

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