Beinahe wäre Mallorca ein bedeutender Schauplatz der Geschichte der Frauenbewegung geworden. Bereits 1882 bereiteten mallorquinische Feministinnen einen nationalen Frauenkongress auf der Insel vor. Doch die Kirche und konservative Kreise machten den Vorreiterinnen einen Strich durch die Rechnung. „Der Klerus hat den Kongress mit einer Gegen-offensive verhindert", berichtet die auf Frauengeschichte spezialisierte Historikerin Isabel Peñarrubia i Marquès.

Dabei forderten die Feministinnen noch nicht einmal das allgemeine Wahlrecht, das in Spanien erst 1931 mit der Zweiten Republik eingeführt wurde. Sie kämpften vor allem für den freien Zugang zu Schule und Universitäten und die Loslösung des Bildungssystems aus der Kontrolle der katholischen Kirche. Zu dieser Zeit waren die meisten Menschen in Spanien Analphabeten, der Großteil von ihnen Frauen. Doch die Vorstellung, dass Mallorca als Insel von modernen, internationalen Entwicklungen abgeschnitten war, sei falsch. „Neue Ideen kamen hier sehr schnell an, über den Kampf der englischen Sufragetten (Frauenrechtlerinnen, Anm. d. Red.) wusste man etwa sehr wohl Bescheid."

Einen bedeutenden Erfolg konnten die Frauen in Spanien im Kampf für die Verbesserung der Bildung erst am 8. März 1910 feiern. Damals, vor 100 Jahren, wurde per königlichem Dekret den ­Frauen der freie Zugang zur Universität ermöglicht. Zuvor hatten zwar auch schon einige wenige Frauen studiert, doch mussten sie dafür erhebliche bürokratische Hindernisse überwinden, sich als Mann verkleiden oder die Vorlesung mit einem männlichen Begleiter besuchen. Wer die erste Studentin aus Mallorca war, ist nicht bekannt. Auf der Insel gab es damals keine Universität. Bekannt ist aber, welche Mallorquinerin als erste ein Medizin-Studium abschloss. „Das war Margalida Segura Segura, eine Arbeitertochter aus Manacor, im Jahr 1914. Es ist nicht klar, wie sie das geschafft hat, und man weiß auch nicht, ob sie den Beruf ausüben durfte", erzählt Peñarrubia. Die erste Medizin-Absolventin Spaniens, Maria Elena Maseras Ribera, die 1882 ihr Studium mit exzellenten Noten in Barcelona abschloss, konnte nicht als Ärztin arbeiten und wurde schließlich Lehrerin auf Mallorcas Nachbarinsel Menorca.

Eine frühe feministische Bewegung auf Mallorca entstand bereits 1870. Damals taten sich in Palma Schneiderinnen in der Gruppe „Virtud Social" zusammen, die auch der internationalen Arbeitervereinigung angehörte. Unter der Leitung der erst 19-jährigen Francisca Vidal Tous verlangten sie den gleichen Lohn wie ihre männlichen Kollegen, um ein vom Elternhaus unabhängiges Leben führen zu können. Der Lohn der Frauen lag damals meist ein Vielfaches unter dem von Männern, die den gleichen Beruf ausübten. Vidal war auch eine der Hauptorganisatorinnen des verhinderten Frauenkongresses von 1883.

Eine weitere Keimzelle des frühen Feminismus auf Mallorca war ab 1912 die staatliche Schule zur Lehrerinnenausbildung, die aus einer bereits seit 1809 bestehenden kirchlichen Einrichtung hervorgegangen war. „Dort unterrichteten sehr fortschrittliche Lehrer, viele kamen aus Madrid und hingen den Idealen der ´Institución Libre de Enseñanza´ an", berichtet Peñarrubia. Die von dieser „Freien Unterrichtsanstalt" propagierten Vorstellungen einer modernen Gesellschaft wurden auch in Konferenzen und Zeitungsartikeln propagiert. Der Unterricht für Arbeiterinnen war an der „Escola Normal Femenina" kostenlos, und manche Studentinnen wurden mit Stipendien zu Auslands­aufenthalten an Lehrinstitute in Belgien, Großbritannien und der Schweiz geschickt.

Eine Lehrerin der Escola Normal, Paula Cañellas Alba, gründete 1915 ein weiteres Ausbildungsinstitut für Frauen in Palma. Dort sollten Mädchen auf höhere Stufen des Bildungssystems vorbereitet werden, wie die Telegraphenausbildung oder den Eintritt in die Handelsschule. Mit der Möglichkeit zu einer Berufsausbildung wollte Alba den Frauen zu wirtschaftlicher Unabhängigkeit verhelfen. Sie kritisierte auch offen frauenfeindliche Gesetze. Doch ähnlich wie bei dem geplanten Frauenkongress ließen Kirche und Konservative die Schule nach kurzer Zeit schließen.

Zu den herausragenden Frauenfiguren dieser Zeit auf Mallorca zählt auch eine Deutsche. Clara Hammerl kam 1889 mit ihrem mallorquinischen Mann nach Pollença und leitete dort mit ihm eine laizistische Schule. Hammerl nahm auch an Treffen der republikanischen Partei teil und übernahm nach dem Tod ihres Mannes 1908 die Leitung der von ihm aufgebauten Sparkasse (siehe MZ vom 8.10.2009).

Die Zweite Republik brachte ab 1931 auch den Frauen Fortschritte. Auf Mallorca präsentierte sich mit Maria Mayol Colom aus Sóller 1933 erstmals eine Frau als Kandidatin für das Parlament in Madrid. Die Politikerin der Esquerra Republicana Balear erhielt in Palma etwa halb so viele Stimmen wie der Wahlsieger, der Schmuggler und Bankier Joan March. Die mallorquinische Schriftstellerin und Lehrerin hatte ihre Kindheit in Frankreich verbracht und dort an der Universität von Bordeaux studiert. In ihrem Heimatort Sóller gründete sie 1926 ein Ausbildungszentrum für Frauen. Nach dem Sieg der Franquisten über die Republikaner im Bürgerkrieg 1939 erging es ihr wie vielen mutigen Frauen Spaniens. Sie musste ­emigrieren, kehrte später nach Mallorca zurück und verbrachte ihr Leben unter dem Franco-Regime bis zu ihrem Tod 1959 im inneren Exil. Andere Feministinnen Mallorcas traf es noch bedeutend härter. „Sie konnten ihre Berufe nicht mehr ausüben, wurden eingesperrt und umgebracht", sagt Isabel Peñarrubia i Marquès.

Noch bis zum 27. März ist im Kulturzentrum Sa Nostra in Palma eine Ausstellung zur Geschichte der Frauenbewegung auf Mallorca zu sehen: „Dones. Reconstruïm la història. Les Illes 1880-1936" (Mo-Sa, 11-21 Uhr). Die Ausstellungs­texte sind auf Katalanisch.

In der Printausgabe vom 4. März (Nummer 513) lesen Sie außerdem:

– Geplantes Gesetz: Frauenquote in den Behörden der Balearen

– Mutig unter Franco: Wie Frauen auf Mallorca für ihre Rechte kämpften

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