Urlaub auf dem Land – Beispiel Manacor. Vor 25 Jahren gab es in der Umgebung gerade mal zwei Landhotels, heute sind es mehr als 20 mit rund 300 Betten. Noch beeindruckender allerdings ist das illegale Angebot: Auf insgesamt 1.000 Betten schätzt die Vereinigung für Landhotels in Manacor (Ruralcor) die Kapazitäten jener Agroturismos ein, die Landidylle zu günstigeren Preisen anbieten können, weil sie weder Steuern noch Genehmigungen bezahlen.

Das ist nur eines von etlichen Problemen, die Landhotels auf der ganzen Insel plagen und dazu führen, dass sich manche Betreiber aus dem Geschäft zurückziehen wollen, weil sie von den Kosten erdrückt werden, während die Einnahmen sinken. „Vor allem jene, die für den Kauf eines Anwesens oder für eine teure Restaurierung Hypotheken aufgenommen haben, stecken jetzt bis zum Hals in Problemen", sagt Ventura Rubí, Vorsitzender der Associació Agroturisme Balear, die rund 120 Betriebe vertritt.

Und die Perspektiven für die unmittelbare Zukunft sind düster: „Die Übernachtungszahlen liegen bislang fast 10 Prozent unter denen des Jahres 2009", sagt Rubí, „und die Buchungszahlen für die kommenden Monate sehen auch nicht gut aus."

Hochsaison – das sind für den Landurlaub die Monate Mai, Juni und September, wenn das Wetter gut ist und die Hitze erträglich. Am anderen Ende der Skala liegen die Wintermonate, dort haben sich die Belegungszahlen in den vergangenen Jahren weiter verschlechtert. Es ist noch gar nicht so lange her, da wurden die Agroturismos als Speerspitze der Saisonabkopplung gefeiert, das heißt als eine Branche, die Touristen auch außerhalb der Sommersaison auf die Insel lockt. Doch dann kam mit der Krise des Reisemarktes auch eine Wetterkrise: Nach drei verregneten Wintersaisons in Folge steht vielen Betreibern das Wasser bis zum Hals.

Es ist das harte Erwachen eines Tourismuszweigs, der in den vergangenen zwei Jahrzehnten nur eine Tendenz kannte: steil aufwärts. Der heute 74-jährige Agraringe­nieur Ventura Rubí begann 1986, die ersten Agroturismos zu einer Vereinigung zusammenzuschließen und amtierte insgesamt 15 Jahre lang als deren Präsident.

Auf der Insel erkannte man den ländlichen Tourismus rasch als Chance, unrentabel gewordene Landgüter nicht nur profitabel zu machen, sondern auch historische Architektur zu bewahren. Damit positionierte sich der ländliche Tourismus auf Mallorca von Beginn an in der Spitzenliga.

Natürlich auch, was Kosten und Preise betrifft. Im Unterschied zu anderen spanischen Regionen bedeutet Agroturismo auf den Balearen häufig Luxus. Viele Landgüter sind zu todschicken Herbergen mit allem Komfort umgebaut worden. Dieses Segment ist eigentlich immun gegen kleinere Krisen, doch angesichts der aktuellen Wirtschaftslage hat das Jammern und Stöhnen längst auch auf die exklusiveren Sparten übergegriffen – zumal das Angebot im Qualitätstourismus ­enorm gewachsen ist. Hochwertige Übernachtungsmöglichkeiten gibt es auf Mallorca mittlerweile eine Menge.

Preise zu senken – das sagen alle Interviewpartner –, mache nur bedingt Sinn. Denn in den Gesamtpreis für den Landurlaub auf Mallorca seien auch Flüge und Mietwagen einzurechnen. „Da kann man noch so viel am Zimmertarif herumschrauben, richtig preisgünstig wird das nie", rechtfertigt sich Rubí.

Zumal die Zeiten, als man für 50 Euro von Deutschland nach Palma fliegen konnte, vorbei sind, und auch der Mietwagenmarkt in Bewegung geraten ist. Die Flotten sind kleiner geworden, und die Preise gestiegen. Direkte Leid­tragende sind die Agroturismos, denn diese Art Urlaub – so naturnah man sie auch etikettiert – ist zumindest auf Mallorca ohne eigenes Vehikel schwer denkbar.

Der Vergleich mit einem Landgasthaus auf dem Festland illustriert den Wettbewerbsnachteil der mallorquinischen Häuser. Die Deutsche Anna Ern betreibt zwischen Valencia und Teruel die Casa Rural Shariqua. Das Motto lautet Abschalten, in den vier Zimmern gibt es weder Fernseher noch Klimaanlage, die Gäste wandern, lesen, entspannen.

Das Doppelzimmer samt Frühstück kostet um die 70 Euro (auf Mallorca ist kaum etwas für unter 100 Euro zu haben). Am wichtigsten aber: Die Kunden kommen per Zug – die Haltestelle liegt einen Kilometer entfernt – oder mit dem Privatauto. Vielfach sind es Bewohner des nahen Valencia, die sich vom Stadtleben erholen wollen.

Von einem derart nahen Einzugsgebiet können die Mallorquiner nur träumen. Und bei dem in ganz Spanien explodierten Angebot sind Inlandsgäste nur schwer zu überreden, auf die Insel zu kommen, nur um dann fern der Küste dem Gebimmel der Schafglocken zu lauschen.

Hinzu kommen hausgemachte Probleme, etwa bürokratische Hürden, die Rubí als „teilweise surrealistisch" bezeichnet: „Wozu etwa braucht ein Agroturismo mit zwölf Zimmern einen eigenen Raum zur Gepäckaufbewahrung?"

Bei Ruralcor in Manacor schätzt man, dass der Papierkrieg bis zur Ausstellung einer definitiven Lizenz um die acht Jahre dauert und bis zu 30.000 Euro kosten kann. „Da werfen viele gleich am Anfang das Handtuch und öffnen ohne Lizenz", sagt Lluís Julià von Ruralcor. „Die Gefahr, erwischt zu werden, liegt ohnehin nahe null. Vor allem, wenn man seine Zimmer auf Websites im Ausland anbietet."

Auch mit dem Agroturismo-Verband sind manche Mitglieder unzufrieden. Doch gibt es Lichtblicke. Julià beispielsweise hat Familienfeste als Einnahmequelle entdeckt, wobei zuweilen sogar Mallorquiner als Gäste für den internationalen Kunden einspringen.

Bei Ruralcor verzeichnet man eine 30-prozentige Steigerung bei Verlobungs- und Hochzeitsfeiern, für die das ganze Haus belegt wird. Der größte Vorteil: „Da kommen auch Leute nach Mallorca, die nie hergekommen wären, weil sie ein falsches Bild von der Insel haben. Und oft gewinnen wir sie als neue Stammkunden."

In Manacor setzt man nun auf große internationale Firmen, die Zusammenkünfte in besonderer Atmosphäre abhalten wollen, aber auch auf Zielgruppen wie Schwule und Lesben. „Mallorca und vor allem die Landhotels bieten diesen Paaren Ruhe und Abgeschiedenheit", sagt Marga Galmés, Präsidentin von Ruralcor.

Als Familienbetriebe sind Agroturismos verwundbar, weil auch private Veränderungen – zum Beispiel eine Scheidung – auf das Unternehmen durchschlagen. Andererseits ist eine sehr persönliche Beziehung zum Kunden möglich. Darin sehen die Agroturistiker ihren Wettbewerbsvorteil.

Welche Blüten diese Beziehungen treiben können, illustriert Lluís Julià mit dem Beispiel eines Wiener Ehepaars, das von einem im Ausbau befindlichen Agroturismo so verzückt gewesen sei, dass es die Fertigstellung mit einer Geldeinlage beschleunigt habe.

„Wir haben eine Art Time-Sharing vereinbart", führt Julià aus. „Mit dem Geld erwarben sich die beiden das Recht auf jeweils einen Monat Urlaub in den zehn folgenden Jahren." Um die aktuelle Krise auf breiter Front zu überleben, wird es wohl noch mehr solch origineller Ideen und verzückter Kunden bedürfen.

Mit der Krise wachsen auch die Spannungen innerhalb des balearischen Verbands der Agroturismos. Lluís Julià von den Hoteliers in Manacor etwa beklagt eine allzu schwache Vertretung der Branche angesichts der wachsenden Probleme. Der Deutsche Will Kauffmann, Betreiber des Agroturismos Son Bauló („Kulturfinca"), findet weit härtere Worte: „Ich würde gerne wissen, wofür ich eigentlich meinen Monatsbeitrag bezahle."

Dem hält Noch-Vorsitzender Rubí (am 14. Juni wird ein neuer Präsident gewählt) unter anderem das sogenannte „Nadal-Dekret" entgegen, mit dem auf Druck des Verbandes endlich die „unsinnigen Bewertungsmechanismen" für die erforderte landwirtschaftliche Tätigkeit abgeschafft worden seien.

Doch ändert das nichts daran, dass die Buchungszentrale des Verbandes und die Initiativen im Marketingbereich schlechte Noten erhalten. „Auch in praktischen Angelegenheiten wird man kaum unterstützt", kritisiert Kauffmann. „Als eine neue Regelung herauskam, wonach jeder Agroturismo jährlich eine Art TÜV passieren müsste, bat ich um Infos. Als Antwort schickte man mir kommentarlos den 80-seitigen Gesetzestext zu. Mitgliederberatung sieht anders aus."

Mehrere Agroturismos sind aus dem Verband ausgetreten. Die „Dissidenten" stoßen sich auch an praktischen Problemen, unter anderen der allzu diskreten Lage des Verbandsbüros. Und so werden für die bevorstehende Versammlung einmal mehr hitzige Debatten erwartet.