Strandspaziergänge statt in der Stube hocken, Mittelmeersonne statt Nieselregen, viel Licht statt Wolkengrau. Deutschsprachige Rentner auf Mallorca machen meistens einen recht zufriedenen Eindruck. Sie schätzen das Klima, haben sich einen Freundes- und Bekanntenkreis aufgebaut und Freizeitbeschäftigung gefunden. Schön. Doch irgendwann taucht bei fast allen, auch bei den seit Jahrzehnten auf Mallorca Lebenden im fortgeschrittenen Alter ein Problem am Horizont auf: Was machen wir, wenn es uns schlechter geht, wenn wir krank oder dement werden und auf Hilfe angewiesen sind? Bleiben wir auch dann noch auf der Insel oder gehen wir wieder zurück in die alte Heimat?

Die Frage sorgt für viel Kopfzerbrechen und Diskussion, Statistiken allerdings gibt es nicht. „Wir haben keine Daten zur Rückwanderung von deutschen Senioren nach Deutschland", sagt der Sozialgeograph Klaus Friedrich von der Universität Darmstadt. Denn viele Rentner melden sich weder in Deutschland ab, noch in Spanien an. Ihr tatsächlicher Aufenthaltsort ist deswegen nicht nachzuvollziehen. Friedrich, der in den vergangenen Jahren erforschte, warum die deutschen Senioren nach Mallorca ziehen, will nun herausfinden, weshalb sie wieder zurückgehen.

Eine Rückkehr werde vor allem dann erwogen, wenn ernsthafte Krankheiten oder finanzielle Probleme auftreten, glaubt Friedrich. Eine nicht repräsentative Umfrage der Mallorca Zeitung unter deutschsprachigen Insel-Senioren bestätigt diesen Eindruck. Mehr noch: Sogar Mallorca-Residenten, die von Bekannten als fest verwurzelt auf der Insel eingeschätzt werden, wollen oftmals nicht ausschließen, dass sie unter bestimmten Umständen doch wieder wegziehen würden. Die Lüllemanns in Andratx, zum Beispiel. „Im Moment sieht es so aus, als ob wie bleiben", sagt Barbara Lüllemann (64) über sich und ihren Mann (72).

Die Betonung liegt auf im Moment. So ganz genau festlegen will sich kaum jemand. Häufig wird das Thema verdrängt. Diejenigen, die es genau wissen – wie Günter Stalter, der seit 44 Jahren auf der Insel lebt – sind in der Minderheit. „Ich habe mein Grab auf Mallorca schon vor 20 Jahren gekauft. Ich weiß, wo ich hingehe."

Auch Überraschungen gibt es. „Ich kannte eine Dame in Capdepera, die fließend Spanisch sprach, immer nur im Ausland lebte und schon 30 Jahre auf Mallorca war, aber mit Mitte 80 nach Würzburg ging, weil dort ihre Tochter lebte", berichtet Edith Haydn-Wagner, die bei den Ciudadanos Europeos und dem Lions Club tätig ist.

Auffällig ist, dass Altenbetreuung für Deutschsprachige auf der Insel weniger Zulauf hat, als deren Anbieter sich erhofften. Mallorcas 1994 eröffnete einzige deutschsprachige Seniorenresidenz Es Castellot in Santa Ponça, die ursprünglich vor allem für langjährige Residenten gedacht war, hat mit 95 Wohnungen und 65 Bewohnern reichlich freie Plätze. „Wir haben viele Interessenten, die dann doch nicht kommen. Da vermute ich, dass sie zurückgehen", sagt Uwe Daude, Geschäftsführer der Einrichtung. Das Gratis-Angebot einer deutschsprachigen Altenpflege für Bedürftige des Lions Clubs wurde mangels Nachfrage wieder eingestellt, genauso wie mehrere kommerzielle Anbieter wieder aufgeben mussten. Derzeit hält sich einzig der ambulante Pflegedienst Casa Salud, dessen Service eher von Besuchern in Anspruch genommen wird und dessen sonstige Geschäftstätigkeit mit vier Klienten überschaubar ist. „Wir betreuen zurzeit Leute, die im Urlaub hier sind, hier ein Zweithaus haben und auch Jüngere, die nach einem Unfall Unterstützung brauchen", sagt Mitarbeiterin Evelyn Pechmann.

Heißt das womöglich, die Mehrzahl deutschsprachiger Mallorca-Senioren macht trotz anderslautender Ankündigungen die Biege Richtung Heimat? Auf jeden Fall erst, wenn es brenzlig wird. „Der Wunsch, möglichst lange hierzubleiben, wird auch gelebt", sagt der Pfarrer der deutschen evangelischen Gemeinde, Klaus-Peter Weinhold. Immerhin gehe es fast allen der rund 120 aktiven über 70 Jahre alten Mitgliedern in seiner Gemeinde noch gut. „Ein Drittel will bleiben, ein Drittel will zurück, ein Drittel hat finanzielle Probleme und auch wenige soziale Kontakte", meint Weinhold. Doch Deutsche in den Altenheimen der Insel, sagt auch er, gebe es außer in Es Castellot nur wenige.

„Wer hier niemanden hat, dem machen wir Mut, nach Deutschland zurückzugehen", sagt Weinhold. Denn die Gefahr der Einsamkeit ist auf Mallorca auch bei sozial gut eingebundenen Senioren oft groß. „Viele erleben in einem gewissen Alter, dass ihre Freunde und Bekannten weggehen oder sterben. Dann entsinnen sie sich ihrer alten Freunde und Kinder daheim", sagt auch Rudi Pollhammer, Vorsitzender des Deutschen Sozial-Kulturvereins in Santa Ponça.

Ein weiterer gewichtiger Grund für die Rückkehr mag die deutsche Pflegeversicherung sein. Senioren, die in Deutschland den vollen Anspruch auf alle Leistungen hätten, bekommen auf Mallorca zwar Pflegegeld. Doch andere Sachleistungen und Hilfsmittel, wie die Betreuung in einem Heim oder ein Rollstuhl, werden im Ausland nicht gewährt.

Und wenn deutsche Rentner die Leistungen des neuen spanischen Pflegegesetzes in Anspruch nehmen, erhalten sie nicht das deutsche Pflegegeld. Die spanische Pflegeversicherung mit Geldleistungen, Betreuungsdiensten, Tageszentren und Heimplätzen wird derzeit erst aufgebaut. Noch ist die Betreuung von Pflegebedürftigen zu Hause oftmals komplizierter und die Heime schlichter als in Deutschland. In Mallorca ist das Pflegeangebot von Gemeinde zu Gemeinde stark unterschiedlich geregelt.

Drohende Einsamkeit, Pflegemangel, die Kinder weit weg. Es gibt auch ältere Menschen – ohne Verwandte – auf der Insel, die all das überhaupt nicht schreckt. So wie die allein bei Porreres lebende Gabriele Maßmann (68). Zurückgehen? „Auf keinen Fall. Jeden Morgen wenn ich auf die Terrasse gehe und die Berge sehe, freue ich mich. Was will ich mehr?"

Der Sozialgeograph Klaus Friedrich sucht derzeit Interview-Partner. Interessierte Rückkehrwillige melden sich unter Tel.: 0049 (0) 345 / 55 26 008 oder klaus.friedrich@geo.uni-halle.de.

In der Printausgabe lesen Sie außerdem:

- Langer Abschied von der Insel: Die Kuckuks zögern den Abflug hinaus

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