Mallorcas Tramuntana-Gebirge ist einzigartig. Auf eine Formel gebracht, könnte man sagen: Berg plus Meer plus Kultur. Die imposante Landschaft mit den herrlichen Ausblicken ist stark von der jahrhundertelangen Bewirtschaftung verschiedener Kulturen geprägt. Die Spuren der Vergangenheit – wie die von den Arabern angelegten Terrassenanlagen, die Bewässerungssysteme, die Trockensteinmauern, die Köhlerplätze, Schneehäuser und die Herrenhäuser der weitläufigen Ländereien – machen den besonderen Reiz aus. Darüber hinaus wartet die Serra mit zahlreichen endemischen Tier- und Pflanzenarten auf, die nirgendwo sonst auf der Welt vorkommen. Zweifel daran, dass es sich bei der höchsten Erhebung der Balearen um ein ganz spezielles und schützenswertes Gebiet handelt, gibt es also kaum.

Mallorcas Inselrat glaubt, damit auch die Anforderungen der Unesco für die Auszeichnung zum Welterbe zu erfüllen. Die wichtigsten Voraussetzungen lauten: Einzigartigkeit, Authentizität (historische Echtheit) und Integrität (Unversehrtheit) eines Orts. Zudem müssen Bewerber einen überzeugenden Erhaltungsplan vorlegen. Im Jahr 2011 geht die Serra de Tramuntana als einzige Bewerbung Spaniens an den Start, entschieden wird in Bahrein. „Der Unesco-Titel wäre eine Garantie für die Bewahrung der Tramuntana für künftige Generationen. Es wäre eine Verpflichtung der Mallorquiner", sagt Raumordnungsdezernentin Maria Luïsa Dubon, die die Welterbe-Kandidatur beim Inselrat vorantreibt.

Darüber hinaus würde der Welterbe-Titel auch den Natur- und Kulturtourismus und damit die von der Insel seit Jahren angestrebte stärkere Auslastung der Nebensaison voranbringen.

Auf dem Weg zum Welterbe hat Dubon schon wichtige Etappen erreicht: Die umfassend ausgearbeitete Bewerbungsschrift über die Charakteristika des Gebirges samt einem Management-Plan zur künftigen Bewahrung wurde bereits im Februar eingereicht, die PR-Kampagne mit großflächigen Plakaten und einer eigenen Internetseite (www.serradetramuntana.net) hat bereits zu 9.974 Unterstützern auf dem Internetportal Facebook und 15.746 Unterschriften geführt. Auch Prominente wie die spanische Königsfamilie und Schauspieler Michael Douglas sprachen sich medienwirksam für das ehrgeizige Projekt aus. Nicht zuletzt der spanische Senat verkündete jetzt offiziell seine Unterstützung.

Dennoch fand das Welterbe-Vorhaben bei den mallorquinischen Medien bisher eher geringe Beachtung. „Das liegt vermutlich daran, dass es kein politisches Streitthema ist", meint Dubon. Nun werden noch in diesem Herbst die ersten Inspektoren der Unesco zu einem Inkognito-Kontrollbesuch erwartet. „Danach machen sie üblicherweise den ersten Bericht. Wenn sie Schwierigkeiten sehen, sagen sie uns schnell Bescheid", erklärt Dubon. Welche das sein könnten, ahnt sie bereits. Das größte Problem sei die Größe des Gebiets. Immerhin sind allein 30.745 Hektar als Kernzone (grün) definiert, weitere 52.760 Hektar als umgebendes Randgebiet (braun) und dazu 25.857 Hektar vom anschließenden Mittelmeer. „Viele Welterbe-Erklärungen betreffen eine Burg, einen Stadtteil, eine Kirche. Da ist es leicht, etwa zu sagen, den Glockenturm reparieren wir in einem Jahr, das ist bei einem kompletten Gebirge schwieriger."

Gut möglich ist aber auch, dass die Unesco-Kontrolleure Mallorcas Inselrat einige Hausaufgaben mitgeben. Das wünscht sich auch der GOB, Mallorcas bedeutendster Umweltschutzverband. „Wir finden alle Initiativen, die die Wertschätzung der Tramuntana erhöhen, gut. Aber zunächst muss eine solidere Grundlage dafür geschaffen werden", sagt Sprecher Toni Muñoz. Wichtiger als ein neues „Werbe-Etikett" sei die Umsetzung der bereits 2007 von der Balearen-Regierung getroffenen Klassifizierung als paraje natural, die in ihrer Bedeutung einem Naturpark gleichkomme. „Nun sind aber drei Jahre vergangen und es ist nichts passiert", kritisiert Muñoz. Für die Schutzmaßnahmen seien weder Haushaltsmittel noch Personal bereitgestellt worden. Die öffentliche Verwaltung müsse zudem nicht nur den Schutz der endemischen Arten garantieren, sondern sich außerdem viel stärker in der Bewahrung der Traditionen dort engagieren. Denn seit Jahren führt der Rückzug der Landwirte aus der Serra zu einer Verwahrlosung der Kulturlandschaft.

Die Erhaltung der Spuren der Geschichte und des gewohnten Landschaftsbildes lastet in Mallorcas Gebirge hauptsächlich auf den Schultern von Privatleuten. Denn nur sieben Prozent des Gebiets sind in öffentlicher Hand, in dem für den Welterbetitel vorgeschlagenen Kerngebiet sind es immerhin 30 Prozent, weil sich dort einige Staatsfincas befinden. Doch nicht jeder Eigentümer einer possessió hat Zeit, Geld und Lust auf die aufwendige Pflege seiner Länderei. „Da muss sich der Staat einbringen", sagt Muñoz. Das Engagement des aus Vereinen und Institutionen bestehenden Netzwerks zur Landschaftspflege (S. 6) sei zwar ein wichtiger Baustein, reiche aber für eine nachhaltige Bewahrung der Kulturlandschaft nicht aus. Um den Fortbestand der traditionellen Bewirtschaftung der Serra zu sichern, müssten auch Herkunfts- und Gütesiegel für die Produkte der Tramuntana entwickelt und die Umwandlung von einstigen Bergbauernhöfen in Landhotels unterstützt werden. Nur mit einem Standbein im Tourismus könnten viele Fincas weiterbestehen.

Schwierigkeiten sieht Muñoz auch in der Struktur der Verwaltung. „Die Zuständigkeit für den Naturschutz liegt beim Umweltschutzministerium der Balearen-Regierung, aber das Projekt Unesco-Welterbe wird vom Inselrat betrieben." Zudem arbeite die Balearen-Regierung an der Ausweisung des Tramuntana-Gebirges als Biosphären-Reservat, ein weiteres „Etikett".

Auch bei anderen Verbänden stößt das Welterbe-Projekt nicht nur auf Wohlwollen. „Bevor sie mit dem ganzen Papierkram anfangen, sollten sie erst mal die Probleme dort lösen", meint auch Bernat Fiol vom Umweltschutz-Verein Gadma. Die in der Tramuntana lebenden verwilderten Hausziegen würden sich immer weiter ausbreiten und die heimische Flora und Fauna verdrängen, viele Finca-Besitzer würden in ihren weitläufigen, nicht einsehbaren Grundstücken illegal bauen („Das sind die gleichen, die die Wege versperren.") und die unter Denkmalschutz stehenden alten Wachtürme würden verfallen, klagt Fiol. Mallorcas Wegerechtsaktivisten wiederum fordern die Öffnung der zahlreichen privaten Wege in der Tramuntana im Zuge der Welterbe-Kandidatur.

Das Thema Wege ist auch ein sensibler Punkt in der Kandidatur. Um die jetzt schon massiven Besucherströme an einigen Punkten in der Tramuntana, etwa um das Kloster Lluc, besser auf das gesamte Gebiet zu verteilen, ist eine Erweiterung der Wanderrouten durch die Freigabe von Privatwegen geradezu notwendig. „Das Wegenetz in der Tramuntana könnte zehnmal so groß wie heute sein", sagt auch Dubon, der die Probleme der Serra durchaus bewusst sind. Gleichzeitig besteht sie aber auf den positiven Einfluss, die der Welterbe-Titel darauf haben könnte. „Damit müssen wir die Tramuntana schützen." Die Unesco besitzt zwar keine Sanktionsmöglichkeiten, kann aber starken Druck ausüben. Denn bei Verstößen kann der begehrte Prestige-Titel wieder aberkannt werden. Derzeit stehen weltweit 34 gefährdete Weltkultur- und Naturerbestätten auf der „Roten Liste".

Mitmachen

Für die Entscheidung der Unesco ist auch die Unterstützung der Bevölkerung einer Welterbe-Kandidatur wichtig. Unterschreiben Sie für das Projekt auf der Internetseite www.serradetramuntana.net. Das Logo mit einem Fingerabdruck und dem Satz „Mou un dit per la serra" (Bewege einen Finger für die Serra) anklicken und eintragen.

In der Printausgabe vom 7. Oktober (Nummer 544) lesen Sie außerdem im Report:

- Wie das Landschaftspflege-Netzwerk ICTIB die Kulturlandschaft der Serra vor dem Niedergang bewahren will

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