Durch die noch fensterlose Fassade dringt eine frische Meeresbrise, die riesigen freien Flächen zwischen den Metallstreben geben den Blick auf die im Sonnenlicht glitzernde türkisfarbene See bis zum Horizont frei. Die gewaltigen Ausmaße der Räume und die vielen Meter hohen Decken vermitteln Erhabenheit – auch wenn die Betonwände noch unverputzt sind. Palmas künftiger Kongresspalast hat etwas von einem Schiff auf hoher See.

Ein Jahr vor der geplanten Eröffnung hämmern, mörteln und schweißen dort noch 160 Arbeiter der Baufirma Acciona. Aber ein Rundgang durch den Rohbau macht deutlich, wovon künftige Kongressteilnehmer einmal schwärmen werden – auch wenn der riesige Komplex von außen noch wie ein architektonischer Schönheitsfehler auf dem Weg zur historischen Kathedrale wirkt, auch wenn die Unkenrufe nicht verstummen wollen. ­Mallorca hat nach der verpfuschten Palma Arena und der abgesoffenen U-Bahn so seine Erfahrungen mit Großprojekten. Die Hotelgruppe Barceló sei schließlich nicht ohne Grund 2009 aus dem Bau-Konsortium ausgestiegen, heißt es. Oder: Der Tagungs-Tourismus sei ohnehin in der Krise. Für viele ist es so gut wie beschlossene Sache, dass der 110 Millionen Euro teure Komplex nur ein weiteres Fiasko bedeuten kann.

Es könnte aber auch ganz anders kommen. „Wir werden ein führendes Ziel für Kongressreisende sein", ist Manuel Ruiz de Assín Varela, der Sprecher von Mallorcas derzeit größtem öffentlichen Bauprojekt, überzeugt. Denn das Tagungszentrum erfülle die Anforderungen geradezu vorbildlich. Der 33-Jährige zählt auf: Die Verkehrsanbindung an viele europäische Länder, das angenehme Mittelmeerklima, die Nähe zum Meer, das Kultur- und Freizeitangebot … Und überhaupt, die ideale Lage: fünf Minuten zum Flughafen, fünf Minuten in die Altstadt, 50 Meter zum Strand.

Bereits jetzt zeigen Ruiz und seine Kollegen Interessierten immer wieder die noch im Bau befindlichen Räumlichkeiten. Mehrmals präsentierten sie den Kongresspalast auch auf Messen. „Die Resonanz ist sehr positiv. Wir sind schon in Gesprächen über Veranstaltungen mit 12.000 bis 15.000 Teilnehmern." Von Vorteil sei dabei auch die Bekanntheit Mallorcas. „Mein Kollege vom Kongresspalast in La Coruña muss erst immer die Landkarte herausholen und zeigen, wo sie überhaupt sind." So etwas passiert Ruiz nicht.

Gerne spricht der Pressesprecher auch über die möglichen Effekte auf die Stadt und die ganze Insel. „Man weiß, dass sechs bis sieben von zehn Kongressreisenden später privat wiederkommen, viele hängen auch ein Wochenende dran und sie geben mehr als doppelt so viel Geld am Tag aus wie die typischen Sonne- und Strandtouristen." Benötigte Dienstleistungen, etwa Licht-und Tontechnik, Hostessen, Catering, Chauffeure, würden auch eher tourismusferne Bereiche der Insel-Wirtschaft ankurbeln. In einer ursprünglichen Einschätzung war von 50.000 Kongresstouristen in den ersten Jahren und dann sogar 75.000 ausgegangen worden. Die letztgenannte Zahl hält sogar Ruiz für überzogen, bis zum Oktober soll eine neue Studie erstellt werden.

Wobei, wie gesagt, bislang macht der Kongresspalast hauptsächlich Negativ-Schlagzeilen. Nach dem Machtwechsel auf den Balearen im Jahr 2007 stellte sich heraus, dass der Komplex geplant worden war, ohne ein dafür benötigtes Grundstück zu erwerben. Deswegen wurde das geplante Hotel in seiner Grundfläche verkleinert und um mehrere Stockwerke erhöht. Außerdem fehlten Baulizenzen und Genehmigungen des Umweltministeriums.

Bereits ein Jahr nach Beginn der Bodenarbeiten 2008 drohte der Prestigebau zur Bauruine zu verkommen. Ursprünglich war die Konzession für den Bau und Betrieb 2007 an ein Unternehmenskonsortium vergeben worden. Neben dem Hauptanteilseigner Barceló waren Globàlia, Sampol, Iberostar und Acciona daran beteiligt. Alles Schwergewichte, von denen drei allerdings bald nichts mehr von dem Kongresspalast wissen wollten. So musste Barceló 2008 die anderen Unternehmen auslösen. Einzig Acciona blieb als ausführender Baukonzern mit von der Partie­.

Ende Mai 2009 dann stieg auch Barceló aus. Als Gründe gab die Hotelgruppe eine Erhöhung der Baukosten wegen nachträglicher Änderungen der Pläne an. Zudem würde die Reduzierung der ursprünglich vorgesehenen Zahl der Parkplätze einen wirtschaftlich erfolgreichen Betrieb erschweren. Plötzlich war die Finanzierung in der Schwebe, und die Bauarbeiten gingen deutlich langsamer voran.Der Staat musste einspringen. Über fast zwei Jahre zogen sich die Verhandlungen hin, bis alle Gelder bewilligt waren, einschließlich Zuschüsse aus Madrid. Erst im Februar 2011 übernahmen die Stadt Palma und die Landesregierung definitiv die restliche Finanzierung.

Die einmal für Ende 2009, dann für 2010, dann für 2011 geplante Fertigstellung ist nun für Anfang 2012 angepeilt. Im April kommenden Jahres soll der erste Kongress stattfinden. Unterschrieben werden kann freilich noch kein einziger Nutzungsvertrag. Noch ist unklar, wer den Komplex betreiben wird. Derzeit bereiten die Behörden eine neue Ausschreibung dafür vor.

Ortsbegehung: Von innen überzeugt die luftige, großzügige Architektur des künftigen Kongresspalasts. Die auf der Südseite hauptsächlich aus Glas bestehende Fassade lässt Mallorcas Licht und Meeresblau optimal zur Geltung kommen. Architekt Patxi Mangado spielt mit dem Kontrast unterschiedlicher Raumhöhen und verschiedenen Ebenen. Die Südfassade verläuft nicht ebenmäßig, sondern bietet immer wieder Aussichtsterrassen im Inneren des Gebäudes. Zwei Kernstücke gibt es: die Ausstellungshalle und das Auditorium. In der 1.640 Quadratmeter großen und elf Meter hohen Halle, die an beiden Stirnenden zum Teil von einer zweiten insgesamt 700 Quadratmeter großen Fläche überragt wird, sollen bis auf die Bootsausstellung Salón Náutico sämtliche Messen Mallorcas Platz finden.

An einer künftigen Cafeteria vorbei geht es dann in das sich über drei Etagen erstreckende Auditorium mit 1.978 Plätzen. Die verschiedenen Teile sollen je nach Bedarf in drei schalldichte Bereiche abtrennbar sein. So ergeben sich Säle mit 1.249, 442 oder 142 Sitzplätzen. Neben Kongressen sollen dort auch Theateraufführungen oder Konzerte stattfinden, wobei es keinen Orchestergraben gibt. Von den insgesamt vier Rängen werden von den Gästen nur drei benutzt werden. In der zweiten Etage sollen Gerätschaften und Installationen wie Heizungs- und Klimaanlage versteckt werden. Darüber finden sich die beiden 320 Quadratmeter großen Tagungsräume, die sich wiederum mit Trennwänden in acht einzelne Räume aufteilen lassen. Dazu kommen drei weitere Tagungsräume zwischen 60 und 150 Quadratmetern, aufspaltbar in insgesamt zehn Räume.

Wie auch der spezielle VIP-Bereich haben die Meetingräume auf der Rückseite einen weniger spektakulären Ausblick auf Palmas neues Obdachlosenheim. Die in der Vergangenheit ebenfalls umstrittene Einrichtung, die ursprünglich direkt am Meer gebaut werden sollte, könnte schon im Mai eröffnet werden. Insgesamt 46 Menschen können in den schlichten Zimmern in dem auffällig schmalen, lang gezogenen Bau übernachten.

Anders als die dem Meer zugewandte Seite ist die Nordfassade des Kongresspalasts mit sandfarbenen Steinplatten verkleidet. Ursprünglich sollte es der typisch mallorquinische Marès-Stein sein. Doch für das Mega-Gebäude fand sich nicht genügend davon auf der Insel. Architekt Mangado griff auf ähnliche Platten aus Burgos zurück, die an die Schuppen eines Fisches erinnern sollen. Denn nicht ein Schiff zur See ist der Kongresspalast für seinen Baumeister. Sondern ein gestrandeter Fisch.