Wenn Immigranten aus den Ländern Südamerikas zu ihren Bürgerrechten kommen wollten, blieb ihnen in der Vergangenheit nur ein Weg: die Beantragung der spanischen Staatsbürgerschaft. Doch ein Ende vergangenen Jahres geschlossenes Abkommen zwischen Spanien und mehreren Ländern gibt nun auch vielen lateinamerikanischen Ausländern auf Mallorca ein Stimmrecht bei den Kommunalwahlen.

Zumindest theoretisch. Denn von rund 9.000 Personen, die sich hätten ins Wählerverzeichnis eintragen können, machten nur 1.300 davon Gebrauch, sagt Juan Pablo Blanco, Chefredakteur der Zeitung „Baleares sin fronteras" (Balearen grenzenlos), dem medialen Sprachrohr

der Latino-Einwanderer. Er führt das vor allem darauf zurück, dass kaum über die neue Regelung informiert worden sei. „Es gibt durchaus Interesse, aber es muss noch sehr viel mehr aufgeklärt werden", so Pablo Blanco. Politiker wie Ausländervereinigungen seien gefragt.

Weiteres Problem: Das Abkommen wurde nur mit einem Teil der Länder Südamerikas abgeschlossen. Erstmals wahlberechtigt sind – neben Kap Verde, Island, Norwegen und Neuseeland – Immigranten aus Kolumbien, Ecuador, Paraguay, Peru, Bolivien und Chile. Wichtige Ausländergruppen wie Argentinier oder Uruguayer blieben außen vor, die Verhandlungen zwischen den Regierungen auf Anerkennung des

gegenseitigen Wahlrechts blieben ohne Erfolg. Pablo Blanco spricht von einem fehlenden politischen Willen in Madrid.

Im Gegensatz zu den EU-Ausländern haben die Latinos nur ein aktives, aber kein passives Wahlrecht, das heißt, sie können ihre Stimme abgeben, sich aber nicht als Kandidaten aufstellen lassen. Zudem müssen sie nachweisen, dass sie seit mindestens fünf Jahren auf den Balearen leben.

„Für den Anfang ist es gar nicht schlecht", sagt Norbey Andrade, Vorsitzender der Vereinigung kolumbianischer Immigranten auf den Balearen (Asocolbalear). Er kritisiert, dass sich die spanische Regierung bis zum letzten Moment Zeit gelassen habe und so kaum Zeit für eine Informationskampagne geblieben sei. Die Zurückhaltung seiner Landsleute erklärt er auch damit, dass Politiker in Kolumbien schlecht angesehen seien. „Es ist eines der korruptesten Länder der Welt – und was finden wir dann hier auf Mallorca vor?"

Welche Partei am meisten von den Latino-Stimmen profitiert, lässt sich schwer sagen. Zwar ist das Thema Immigration von der politischen Linken besetzt. Doch wurde der Zuzug zuletzt unter der Zapatero- Regierung strenger reglementiert, und bei den Kommunalwahlen geht es vor allem um praktische Dinge. „Eines unserer größten Anliegen ist der Residenten-Rabatt", sagt Andrade. So haben die Nicht-EU-Ausländer bislang keinen Anspruch auf 50 Prozent Nachlass bei Flug- und Fährreisen aufs Festland. Statt politischer Tendenzen gehe es darum, welche Partei die besten Vorschläge für praktische Lösungen habe.

Ein weiterer Faktor ist zudem die Katalanisch-Politik – für die spanischsprachigen Latinos ist die Inselsprache mitunter eine Hürde. Daraus lasse sich aber keine Präferenz für die PP ableiten, sagt Pablo Blanco. Viele Lateinamerikaner besuchten Katalanisch-Kurse, und die zweite Generation der Immigranten lerne Mallorquinisch von klein auf, so Andrade. Die Instrumentalisierung der Sprachpolitik im Wahlkampf komme nicht gut an.