Die Orangenscheiben in der Sangría umrühren, während eine leichte Meeresbrise über die sonnenwarme Haut streicht, der Blick auf das Bikini-Modell der Tischnachbarin schweift und die aktuellen Sommerhits im Ohr klingen. Das Urlaubsgefühl in Hochkonzentration gibt es in Spanien am besten in den „chiringuitos". Die Strandbars, früher meist einfache Holzhütten, heute oftmals stabilere Konstruktionen, verkaufen nicht nur Getränke, Eis und Kartoffelchips, sondern auch maximale Unbeschwertheit. Im Schatten der Buden mit dem lustigen Namen sind die Alltagssorgen ganz weit weg. Wir haben Wissenswertes zu den Strandbars auf Mallorca zusammengetragen.

Celestí Alomar entscheidet

Offiziell gesehen ist ein chiringuito einfach ein „Kiosk am Strand, an dem Getränke und Essen ausgegeben werden". Auf Mallorca gibt es 40 fest installierte und 33, die im Frühjahr auf- und im Herbst wieder abgebaut werden. Das balearische Umweltschutzministerium bestimmt über die Anzahl und den Standort der abbaubaren Strandbars. Das allerletzte Wort über die Genehmigung aber hat der Chef der zentralstaatlichen Küstenschutzbehörde auf Mallorca, Celestí Alomar. Für die festen Bauten läuft der Verwaltungsweg über das spanische Umweltministerium in Madrid.

Konzession: 140.000 Euro

Um chiringuito-Wirt zu werden, muss man die entsprechende Konzession über eine öffentliche Ausschreibung der Gemeinde oder bei der Küstenschutzbehörde erwerben. Je nach Standort und dem zu erwartenden Umsatz kostet eine Konzession für eine Sommersaison von Mai bis Oktober beispielsweise am Traumstrand Es Trenc zwischen 60.000 und 140.000 Euro. Die Konzessionen für die Liegestuhl- und Sonnenschirm-Verleihe werden separat vergeben.

Hierbas als Lockmittel

Die chiringuitos gelangten mit dem Tourismus in den 60er Jahren nach Mallorca. „Am Anfang waren das ganz einfache Hütten mit Schilfrohrdächern, wo es Limonaden und Sobrassada-Brot gab. Das Speiseeis kam erst später", erinnert sich Rentner Bartolomé Sbert, der über die Anfänge der Playa de Palma ein Buch geschrieben hat. Lange vor den heutigen fest installierten balnearios soll dort auch die erste provisorische Strandbude der Insel gestanden haben. „Früher hatten die chiringuitos keinen Strom und die Wirte mussten deswegen auch die Eiswürfel an den Strand schaffen", erinnert sich Sbert. Ihre heutige Beliebtheit mussten sie sich erst erarbeiten. „Früher luden die Betreiber die Leute zu hierbas (Kräuterschnaps) ein, damit sie sich dort niederließen."

Von Kuba nach Sitges

Der Legende nach stand der erste spanische chiringuito in dem Urlaubsort Sitges an der katalanischen Küste. Aufgebaut wurde die Strandbude bereits 1913, doch ihren kurios klingenden Namen soll sie erst in den 40er Jahren von dem Schriftsteller Cesar González Ruano, der dort seine Bücher und Artikel schrieb, erhalten haben. Ruano hatte bei einem Aufenthalt in Kuba das Wort chiringo und seine Verkleinerungsform chiringuito kennengelernt. Damit wurden in Kuba und Puerto Rico geringe Mengen Kaffee bezeichnet, die durch einen Strumpf gepresst wurden, und später auch die Lokale, die Kaffee servierten. Im offiziellen Wörterbuch der Real Academia Española ist das Wort erst seit 1983 verzeichnet.

Sommerhit 1988

Zu musikalischen Ehren kam die Strandbude 1988. Damals brachte der Sänger Georgie Dann den Ohrwurm „El chiringuito" heraus. Darin unterstrich der in Spanien beheimatete Franzose und Experte für die eingängigen canciones de verano den Flirtfaktor des Strand-Treffpunkts. Zum Schluss heißt es:

„El chiringuito, el chiringuito

La rubia que toma el sol

Me gusta más que un bombón

Yo le pongo el bronceador

Y dice que no, no, no ..."

Verkaufsschlager Sangría

Im chiringuito lässt man es sich gern mit Freunden gut gehen. Deswegen zählt zu den beliebtesten Getränken Sangría im Ein-Liter-Behälter. „Wir verkaufen vor allem sehr viel weiße Sangría, die mit Cava gemacht wird", berichtet Miguel Galmés (36), der in diesem Jahr zum siebten Mal in Folge ein chiringuito am Es-Trenc-Strand betreibt. Ansonsten wird vor allem viel Wasser und Cola serviert. Anders als früher bieten die meisten chiringuitos auch eine breite Vielfalt an Speisen. Besonders beliebt sind leichte Salate. „In der Hochsaison verarbeiten wir mindestens 20 Salatköpfe am Tag." Ebenfalls gern am Strand verspeist: gambas al ajillo. Viele Kunden holen sich auch nur ein Eis, meistens das „Magic", ein Mandeleis mit Schokoüberzug.

Fliegende Händler

Gar nicht gut zu sprechen sind die Betreiber der chiringuitos auf die fliegenden Händler am Strand, bei denen man Getränke, Obst und Früchte kaufen kann. Diese sind ohne Genehmigung unterwegs, bezahlen deswegen im Gegensatz zu den chiringuitos auch nichts für ihr Geschäft und unterbieten die Preise. In den vergangenen Jahren ist diese unliebsame Konkurrenz auf Mallorca immer größer geworden. Die Ortspolizei ist mit der Kontrolle häufig überfordert.

Wasser per Lastwagen

Die heutigen chiringuitos auf ­Mallorca haben Stromanschluss, doch das Wasser muss zum Teil wie bei entlegenen Fincas per Lastwagen geliefert werden. Essen und Getränke werden mit Geländewagen herangeschafft.

So lange gebadet wird

Geöffnet sind die Strandbuden meistens von Anfang Mai bis Ende Oktober, täglich von circa 10 Uhr morgens bis circa 21 Uhr abends. Grundsätzlich gilt: Solange es hell ist und solange Badegäste vor Ort sind. Bei wenig Betrieb wegen schlechten Wetters wird auch schon mal eher dichtgemacht.

„Ley de Costas"

In Gefahr gerieten die chiringuitos vor drei Jahren mit der Umsetzung des spanischen Küstenschutzgesetzes (Ley de Costas) von 1988, das feste Bauten in unmittelbarer Ufernähe nicht erlaubt. Aber nach anfangs großem Aufruhr mussten letztendlich nur zwei chiringuitos in Teilen zurückgebaut werden. Die Strandbars „Bananas" von Santa Margarita und das „Playero" in Alcúdia verkleinerten sich. Auf den Balearen musste außerdem ein nicht genehmigter chiringuito auf Formentera abgebaut werden. Weiterhin bedroht ist auch das bei Deutschen beliebte Fischlokal „Cala Conills" in Sant Elm. Das Restaurant am Strand mit Traumblick auf die Insel Dragonera befindet sich zum Teil auf Grund, der laut dem Gesetz nicht genutzt werden darf.

Strandlokal vor Abriss

Ein Drama bahnt sich auch in Port de Sóller an. Dort soll das etwa elf Meter vom Ufer entfernte Restaurant „Monaco" abgerissen werden, weil es dem Neubau der Uferpromenade im Weg steht. „Einfach so. Wir haben keinerlei Angebot zur Umsiedelung oder Entschädigung bekommen. Dabei müssten sie die Promenade nur einen halben Meter weiter bauen", klagt Wirtin Catalina Maria Gelabert Colom (41). „Meine Großeltern haben es 1964 gebaut", berichtet die Eigentümerin (41), die das Restaurant in der dritten Generation betreibt. Ende Oktober streitet sie für ihr Lokal vor Gericht.

„El último paraíso"

Zu besonderer Berühmtheit gelangte in den vergangenen Jahren das chiringuito „El último paraíso", das bei nächtlichen Tanz-Partys den Strand Es Trenc mit elektronischer Musik beschallte. Weil hunderte Besucher dabei die empfindlichen Dünen niedertrampelten, ordnete die Küstenschutzbehörde zur Strafe im Sommer 2010 eine vorgezogene Sperrstunde um 18 Uhr an. In diesem Jahr darf die Strandbude, die mittlerweile „chiringuito del medio" heißt, wieder länger öffnen – solange dort alles ruhig verläuft.

Geschmacksverirrung

Mehrere chiringuitos auf Mallorca starten neu gestylt in die Saison. Die Bude von Sa Ràpita ist nun blau gestrichen, ein Kiosk von Es Trenc weiß. Andere haben ihre Holzbänke gegen Plastikstühle ausgetauscht. Bei Traditionalisten kommt das nicht gut an. Kritiker meldeten sich wegen der „katastrophalen Geschmacksverirrung" bereits bei der Gemeinde Campos. Diese prüft nun, ob die Anstriche nach den kommunalen Vorgaben rechtens sind.

Und der Ballermann?

Auch die als balnearios bekannten 15 Aluminium-Kioske an der Playa de Palma zählen bei der zuständigen Küstenschutzbehörde als chiringuitos. Das berühmteste chiringuito Mallorcas ist zumindest in Deutschland das für seine exzessiv feiernden Gäste bekannte bal­neario 6, das früher auch noch die deutsche Aufschrift „Ballermann 6" trug. Der alte Kiosk war 1972 aus Stahlbeton errichtet und 1993 abgerissen worden.

Ausgewählte Lieblinge …

… der Redaktion. Schlussredakteurin Birgit Schebsdau: „Das chiringuito in der Cala Falcó in der Nähe vom Casino. Dort sitzt man unter schönen Sonnensegeln, die Füße im Sand, und es geht immer ein laues Lüftchen." MZ-Vize Holger Weber: „Die Strandbar in Portocolom gegenüber vom Hafen. Ganz einfach und typisch, gut zum Sonnenuntergangschauen." Kulturredakteur Thomas Fitzner: „Der Kiosk in der Cala Gat bei Cala Ratjada. Klein und familiär, weit weg von großen Parkplätzen, und die MZ gibt es auch zu kaufen."