Kinderfreundlich sollte das Hotel sein und ein großes Angebot an Animation haben. Vor allem aber musste die Möglichkeit bestehen, „alles inklusive" zu buchen. Björn Kelbratowski und seine Frau Nadine hatten die Prioritäten bei der Auswahl ihres Urlaubshotels klar festgelegt. Jetzt sitzen sie beim Mittagstisch in der schmucken Strandbar des Iberostar-Hotels Cala Barca an Mallorcas Südostküste. Auf dem Tisch stehen Erfrischungsgetränke und Pommes mit Würstchen für die beiden Kinder Jannis und Kiara, eine Stärkung vor dem nächsten Sprung in den Pool. Für den Snack zum Mittag müssen die Kelbratowskis nichts draufzahlen – es ist eben alles im Preis enthalten. Für Flug, Unterkunft, Verpflegung und die meisten Freizeitangebote innerhalb der Hotelanlage haben sie bereits vor dem Abflug einen Festpreis gezahlt.

Mittlerweile bietet auf Mallorca nach Angaben des mallorquinischen Verbandes der Hotelketten jedes vierte Hotel All-inclusive an. Nach Einschätzung von Restaurant- und Barbesitzern, die sich unter dem Dach des Branchenverbands Pimem versammeln, könnte der Anteil sogar noch höher liegen. Die Gastronomen befürchten, dass ihnen durch die Vollverpflegung in den Hotels das Geschäft verdorben wird. Eine Studie der Balearen-Universität hat ergeben, dass ein All-inclusive-Urlauber am Tag außerhalb des Hotels etwa 10 Euro weniger ausgibt als ein Urlauber mit Halbpension – und sogar 45 Euro weniger als ein Feriengast, der im Hotel nur ein Frühstück bekommt.

Seinen Ursprung hat todo incluido in der Karibik sowie in den aufstrebenden Tourismusnationen wie Ägypten, Tunesien und in der Türkei. Dort gibt es im Umfeld der riesigen Hotelanlagen so gut wie keine Restaurants und Bars. Die Urlauber sind dort quasi auf eine Vollverpflegung in den Hotels angewiesen. Auch sind es oftmals Sicherheitsbedenken, die dazu führen, dass die Touristen in den genannten Destinationen die Hotelanlagen kaum verlassen. Anders sieht es auf den Balearen aus, wo es ein vielfältiges Angebot an Restaurants und Bars gibt.

Was aber macht das Modell dann so attraktiv? Als Hauptargument führen die Veranstalter die sogenannte Budgetsicherheit der Kunden ins Feld. Der Familienvater weiß somit ziemlich genau, welche Kosten ihn im Urlaub erwarten, und ist vor bösen Überraschungen am Ende des Urlaubs gefeit. Besonders in Zeiten der Wirtschaftskrise ist der Festpreis für Flug, Zimmer, Verpflegung sowie das Eis und die Limonade am Pool ein kaum zu schlagendes Argument.

Die Gastronomen vertreten hingegen die Philosophie, dass Mallorca stärker auf eine zahlungskräftigere Klientel setzen sollte. Sie appellieren vor allem an die Balearen-Regierung, den sogenannten Qualitätstourismus stärker zu bewerben. „In den fetten Jahren ist zu wenig in eine Verbesserung des touristischen Angebots investiert worden. Wir haben es verpasst, mit mehr Qualität ein zahlungskräftiges Publikum anzusprechen", meint Verbandschef Juan Cabrera und erntet den Widerspruch der Tourismusbranche: „Bei All-inclusive wird nichts verramscht. Es handelt sich nur um eine andere Urlaubsform, für die Urlauber zum Teil tief in die Tasche greifen", sagt Hans Müller, Einkaufschef bei Thomas Cook.

Fest steht: All-inclusive ist mittlerweile ein fester, nicht mehr wegzudenkender Bestandteil des touristischen Angebots auf den Balearen. Selbst der im März gewählte neue balearische Ministerpräsident José Ramón Bauzá macht aus dieser Tatsache keinen Hehl: „Für einige Unternehmen gibt keine Alternative zu diesem Modell", sagte er bei seinem ersten offiziellen Treffen mit mallorquinischen Hoteliers am vergangenen Montag (4.7.).

Die Reiseveranstalter haben auf veränderten Kundenwünsche reagiert und gemeinsam mit den Hoteliers das Angebot deutlich ausgebaut. „Die Frage heißt nicht: All-inclusive oder nicht, sondern: Wollen wir den Kunden auf der Insel haben oder nicht?", meint Tui-Chef Volker Böttcher.

Einen Anteil von 30 Prozent auf Mallorca hält Tui als Marktführer auf den Balearen auf lange Sicht durchaus für realistisch. Derzeit gibt es in 22 Prozent aller Hotelanlagen, in denen der Veranstalter mit Hauptsitz in Hannover seine Gäste unterbringt, die Möglichkeit, All-inclusive zu buchen. Das sind immerhin 6 Prozent mehr als noch vor drei Jahren. Thomas Cook, die Nummer zwei auf Mallorca, hat den von Tui angestrebten Anteil von 30 Prozent schon erreicht. Auch Rewe Touristik bringt es auf ein Drittel, und Alltours, der Kleinste unter den vier Großen, hat seine Präsenz auf diesem Gebiet seit 2007 von 30 auf 40 Prozent erhöht.

Einen Stellenwert wie in der Türkei, wo je nach Zielgebiet bis zu 80 Prozent der Hotels All-inclusive anbieten, werde es auf Mallorca niemals geben, glaubt Tui-Chef Volker Böttcher. Dafür sei das Angebot außerhalb der Hotels zu gut. Hans Müller glaubt, dass All-inclusive insgesamt zu einer Qualitätssteigerung des gastronomischen Angebots auf der Insel geführt habe. „Viele Restaurants sind heute sehr kreativ beim Kampf um die Kunden. Vor allem in einigen Stadtvierteln Palmas wie Santa Catalina hat sich die Restaurantszene verbessert."

Vielfach werde ein falsches Bild vom „Alles inklusive"-Touristen vermittelt, meint Hoteldirektor Carlos Pujol. Entgegen der weitverbreiteten Annahme, die Gäste blieben ausschließlich im Hotel, seien viele von ihnen sehr mobil. Etwa die Hälfte der im Sommer knapp 1.700 Gäste in Cala Barca buche sich auch einen Mietwagen. So wie beispielsweise Familie Jacobsen aus Kiel, echte Neulinge in Sachen All-inclusive. „Wir wollten das einmal ausprobieren, werden aber sicher nicht den ganzen Tag nur am Pool und in einem der vier Restaurants verbringen", sagt Vater Ralph. Geplant sind Ausflüge in die Tramuntana.

De Budgetsicherheit steht bei den Gästen längst nicht mehr an erster Stelle: „Es ist auch großes Stück Bequemlichkeit, die wir uns im Urlaub gönnen", sagt Björn Kelbratowski, der Familienvater aus Varel. Die Kinder betteln nicht um jedes Eis. Sie gehen an die Hotelbar und bestellen sich die Leckerei. Die Belgierin Inge Vanbockrijk, die schon zum dritten Male hintereinander mit ihren drei Töchtern den Urlaub im Hotel Cala Barca verbringt, schätzt die Vielfalt des Angebots.

Auch zweifeln viele Familien daran, ob All-inclusive wirklich günstiger ist. Familie Cravos aus Wien ist bereits zum 20. Mal in Cala Barca und kam schon dorthin, als es das todo incluido-Angebot noch nicht gab. Ihr Urlaub sei nicht günstiger geworden, seit es im Hotel alles für einen Preis gebe, sagt Mutter Daniela. Was man an einem Tag spare, gebe man an anderen Tagen bei Restaurantbesuchen auf der Insel wieder aus. „Uns geht es um Qualität. Wenn wir ausgehen, machen wir einen Bogen um Pizza- und Pommesbuden und suchen die mallorquinische Küche", pflichtet Vater Peter bei.

Vor dem Hintergrund der Revolutionen in Nordafrika hat der All-inclusive-Markt auf Mallorca an Bedeutung gewonnen. Familie Friederici aus Kitzingen bei Würzburg war schon in der Türkei, in Tunesien und auch in Ägypten. Aber seit die elfmonatige Tochter Melina auf der Welt ist, haben sich die Prioritäten verschoben. Auf Mallorca sei das Angebot zwar ein wenig teurer. Für die Insel spreche jedoch, dass man nur eine Stunde von zu Hause entfernt sei und man sich mit Kind auf Mallorca doch besser aufgehoben fühle. „Wir wollten in Europa bleiben. Das war uns wichtig – und dennoch nicht auf All-inclusive verzichten." Da war Mallorca erste Wahl.