Als Bierstraßen-DJ Ralli (alias Ralf Bolten) den am Donnerstag (28.7.) verstorbenen Schlagerstar Bernd Clüver (63) zuletzt vor ein paar Wochen im „Deutschen Eck" an der Playa de Palma beim Frühstücken traf, sah er schlecht aus. „Er war total eingefallen, hatte eine Regenjacke an, den Kragen hochgestellt und eine Kappe ins Gesicht gezogen. So als ob er nicht erkannt werden wollte." Bolten, der Clüver seit Jahren kannte und mehrmals gemeinsam mit ihm aufgetreten ist, war sich zunächst gar nicht sicher, ob es sich bei der Person um seinen alten Bekannten handelte. „Dann ließ er auch noch seine Zigaretten und seine Autoschlüssel liegen. Ich hab mir gedacht, was ist mit dem bloß los", erinnert er sich.

In den Wochen vor seinem tragischen Tod steckte Clüver, der seit Anfang der 90er Jahre einen großen Teil seiner Zeit auf Mallorca verbrachte, offensichtlich in einer schweren Lebenskrise. Das Glück hatte den einst so erfolgreichen und berühmten Sänger verlassen. Sängerin Nicole (46, „Ein bisschen Frieden"), die Clüver noch vor kurzem auf seiner Finca besuchte, erklärte der „Bild"-Zeitung: „Ich hatte da eine Vorahnung, dass mit ihm etwas geschehen könnte."

Das hört sich fast nach Selbstmord an, doch der Sänger starb nach einem Unfall. Clüver hatte an dem Abend in der Wohnung eines Freundes, einem plastischen Chirurgen in Illetes, gemeinsam mit mehreren Personen zu Abend gegessen. Dort soll er auch Alkohol getrunken haben, allerdings nicht besonders viel, weil er noch vorgehabt habe, mit dem Auto zurück auf seine Finca bei Llucmajor zu fahren. Als er sich gegen ein Uhr habe verabschieden wollen, soll er aus seinen Sandalen geschlüpft sein, ins Schwanken geraten und die steile Treppe, die zu dem Mehrfamilienhaus führt, hinuntergefallen sein.

Mehrere Bewohner des Hauses wachten auf. „Ich rief einen Krankenwagen", berichtet eine deutsche Mieterin dort. Clüvers Freund, der Mediziner, soll noch Erste Hilfe geleistet haben. Ein Krankenwagen brachte Clüver nach Son Espases, in der Klinik starb der Sänger. Das Obduktionsergebnis steht noch nicht fest.

Bereits vor dem tragischen Unfall war es still um Bernd Clüver geworden. Der einstige Hitparaden-Stürmer, der in den 80er Jahren anfing, regelmäßig in der Discothek Oberbayern an der Playa de Palma aufzutreten, war nicht mehr gefragt. „Er kam immer sehr gut an, aber das Publikum hat sich geändert. Jetzt kommen mehr junge Leute, die keinen Schlager mehr wollen", sagt Beatrice Ciccardini, die Clüver vor 25 Jahren ins Oberbayern geholt hatte. Vor fünf Jahren wechselte er in das kleinere Bolero und dann ins Salsa Rossa. „Da gehen Leute hin, die tanzen wollen", erklärt ­Ciccardini. Schließlich beschloss die Leitung der Discotheken, dass dort keine Sänger mehr auftreten sollen. Im Frühling 2010 sang Clüver dort zum letzten Mal. „Er war enttäuscht, aber wir müssen das machen, was das Publikum will", sagt Ciccardini, die Clüver jahrelang fast jede Woche sah, entschuldigend. „Wir waren total befreundet."

Als der aus Hildesheim in Niedersachsen stammende Clüver mit seiner damaligen zweiten Ehefrau Anja Anfang der 90er Jahre nach Mallorca zog, half ihm Ciccardini bei der Wohnungssuche. Zunächst wohnte das kinderlose Paar in Cala Blava, dann zog es auf eine kleine Finca bei Llucmajor und lebte dort mit vier Hunden.

Dort blieben die Clüvers offenbar auch noch nach der Scheidung im vergangenen März. Clüver plante, die Finca zu verkaufen und zurück nach Deutschland zu gehen. Die Trennung von seiner Frau Anja, einer früheren Miss Germany (1986/1987), überraschte viele seiner Bekannten. „Die zwei waren immer ein Herz und eine Seele", sagt Ciccardini.

Diesen Eindruck teilt auch Eddie Lange, frühere Gesellschaftsredakteurin der Mallorca Zeitung, die Clüver zu mehreren Interviews getroffen hat. „Das war ein ganz süßes Paar, wie ein Einheit, einer fing den Satz an, der andere beendete ihn. Sie hielten immer Händchen." Clüver engagierte sich stark für soziale Projekte in Lateinamerika, insbesondere für die Ashaninkas, ein Indianervolk im peruanischen Regenwald. Mehrmals reiste er dorthin. Im Freundes- und Familienkreis sammelte er Geld, um den Menschen eines Urwald-Dorfes eine dringend benötigte Reisschälmaschine zu finanzieren. „Ich habe in meinem Leben so viel erreicht, da kann ich gerne etwas von meinem Glück weitergeben", sagte Clüver.

Seinen Durchbruch hatte der Schlagerstar erlebt, als er 1973 zum ersten Mal in Dieter Thomas Hecks ZDF-„Hitparade" auftrat. Mit seinem Lied „Der Junge mit der Mundharmonika" eroberte er im Sturm die Hitparade und blieb dort 27 Wochen lang an der Spitze. Er wurde zu einer festen Größe in der Schlagerszene, trat mehr als 400 Mal im Fernsehen auf, stand bei tausenden Shows auf der Bühne und verkaufte mehr als zehn Millionen Platten. Zu seinen Erfolgen gehören Songs wie „Der kleine Prinz", „Bevor du einschläfst" oder „Das Tor zum Garten der Träume".

Für Aufsehen sorgte Clüver, als er 1978 mit dem Lied „Mike und sein Freund" als erster deutscher Schlagersänger über Homosexualität sang. Er spielte auch in einigen Filmen mit und arbeitete zeitweise als Radiomoderator. Clüver nahm auch zweimal an Vorentscheidungen zum Eurovision Song Contest teil. Mit dem von Dieter Bohlen geschriebenen Titel „Mit 17" landete er 1983 auf Platz drei, 1985 wurde er Fünfter mit „Wind von Palermo". Zuletzt veröffentlichte er 2006 sein Studioalbum „Offen und ehrlich" auf seinem Label Phenomenia Records.

Im Dorf Llucmajor verkehrte der Kettenraucher Clüver in den Bars meist unerkannt, zumindest bei den Einheimischen. „Der Mann kam oft, zum Teil jeden Tag, meistens saß er mit einem jüngeren deutschen Freund mit blonden, langen Haaren an der Theke und trank Bier. Dass er berühmt ist, wusste ich nicht. Er sprach nicht viel und sein Spanisch war eher schlecht", sagt Cristina Santorcaz, die Wirtin der Bar Tabu an der zentralen Plaza.

In den vergangenen Wochen sei Clüver dort nicht mehr aufgetaucht. Andere deutsche Residenten in Llucmajor sahen Clüver in den vergangen Monaten „wahrscheinlich schwer alkoholisiert" durchs Dorf torkeln. „Er konnte kaum laufen."

Mit seiner Ex-Frau Anja, die nach der Aufgabe ihres Maklerbüros in Arenal in einem Modeladen in Palma arbeitete, soll eine Art „Rosenkrieg" geführt worden sein. Das gemeinsame Haus bekamen sie nicht verkauft. Ein Bekannter Clüvers sagt: „In letzter Zeit ging es ihm schlecht, er litt sehr unter der Trennung, hatte Liebeskummer."

Bei vielen Fans von Bernd Clüver weckte sein Tod Erinnerungen an die eigene Jugend und seine großen Erfolge. „Bernd Clüver, ich werde Sie vermissen, Sie haben Jahre meines Lebens begleitet", schrieb ein MZ-Leser auf der Internetseite der Mallorca Zeitung. Und eine Leserin: „Ich hatte das Glück, ihn mehrmals live zu erleben, und auch die Hitparaden-Zeit werde ich nie vergessen. In den Herzen seiner Fans und in seiner Musik wird er weiterleben."

In der Printausgabe vom 4. August (Nummer 587) lesen Sie außerdem:

- Interview mit dem Psychotherapeuten Mario Scheib

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