Noch ein paar Tage Sonne und Strand, alte Freunde treffen, die Familie verabschieden. Dann steigt Joan Mora nächsten Donnerstag (28.7.) ins Flugzeug Richtung Alemania. Dort beginnt der junge Mallorquiner wenige Tage später als Trainee bei dem multinationalen Unternehmen Cargill, das in Frankfurt Biodiesel herstellt.

„Ich freue mich sehr darauf", sagt der 24-jährige Chemie-Ingenieur, der nach seinem Studium in Barcelona und Zürich gezielt in Deutschland nach Arbeit gesucht hat. „Ich wollte schon immer gerne eine Zeit im Ausland leben."

Joan Mora lernt bereits seit seinem zwölften Lebensjahr Deutsch. Der Ingenieurmangel der deutschen Industrie, die aktuell eifrig um Fachkräfte aus Spanien wirbt, kam ihm gerade recht. In seiner Heimat, wo mehr als 20 Prozent Erwerbslosigkeit die Jobaussichten von Uni-Absolventen trüben, hielt er sich erst gar nicht lange mit der Arbeitssuche auf.

So wie Mora würden auch noch Tausende andere Spanier gerne ihre Koffer packen – das zumindest vermitteln zahlreiche Medienberichte vom Festland. Nicht so auf Mallorca. Der Arbeitsemigrant Mora ist hier eher eine Ausnahme. Trotz der anhaltend schwierigen Wirtschaftslage zieht es bislang nur wenige Insulaner in die Ferne. Statistiken über künftige Deutschland-Residenten von Mallorca gibt es nicht. Doch vieles deutet darauf hin, dass es nicht viele sein werden.

Im Gegensatz zum spanischen Festland (siehe Kasten) können die Deutschkurs-Anbieter hier keinen Boom feststellen. Tendenziell ist zwar auch auf der Insel das Interesse an der Sprache leicht gestiegen. Das erklären die Akademien aber vor allem mit dem Wunsch, die Jobaussichten für die Tourismusbranche auf Mallorca zu verbessern.

„Bei uns erkundigten sich zwei Personen, die Deutsch lernen wollten, um in Deutschland zu arbeiten. Als ich ihnen erklärte, dass das Niveau B2 unmöglich in einem halben Jahr zu erreichen ist, gingen sie wieder", erzählt Beatriz Company Schlink von der Sprachschule inlingua in Palma, die auf der Insel die Prüfungen für die Deutsch-Zertifikate des Goethe-Instituts abnimmt. Das Niveau B2 gilt als Voraussetzung, um auf dem deutschen Arbeitsmarkt Fuß zu fassen und entspricht fortgeschrittener Mittelstufe. Auch andere Sprachakademien auf der Insel wie die Escuela Oficial de Idiomas haben keine oder wenige künftige Exilanten unter ihren Deutschschülern.

Das geringe Interesse am Arbeitsexil in Alemania wird auch mit der mallorquinischen Mentalität erklärt. „Die Leute hier hängen sehr an der Insel, in Madrid ist man viel eher bereit, auszuwandern", sagt Kursorganisatorin Elena Melevio von der Sprachschule Dialog. Den Hang zum Nesthocken stellt auch die deutsche Residentin Kathrin Zeymer bei ihrem Nachwuchs fest. Sie und ihr spanischer Mann, der Mediziner Javier Moreno, haben an vielen Orten gelebt, ihre Söhne – einer ist Koch (22), der andere Gärtner (20) und will noch studieren – wollen auf der Insel bleiben. „Wir Eltern sagen immer, die müssten raus. In Deutschland hätten sie gute Chancen, weil sie die Sprache sprechen."

Im Vergleich zu anderen spanischen Regionen leben tatsächlich nur wenige gebürtige Balearen-Bewohner im Ausland. Laut einer Statistik des spanischen Arbeitsministeriums stammen 1,03 Prozent der ausgewanderten Spanier von den Balearen. Zum Vergleich: 25,91 Prozent sind Galizier. Insgesamt sind 1.456.414 Spanier im Ausland gemeldet, in Deutschland leben insgesamt 86.699.

Außerdem sind gerade die in Deutschland gesuchten Fachkräfte auf der vom Tourismus geprägten Insel nicht besonders stark vertreten. Auf Mallorca ist das Ausbildungsniveau im Schnitt niedriger als im übrigen Spanien, die Schulabbrecherquote besonders hoch, und die kleine Universität bietet nicht alle Studiengänge an. So gibt es etwa kein Medizinstudium und nur verkürzte Ingenieurs-Studiengänge.

Die 600 bis 700 voll ausgebildeten Ingenieure auf den Balearen haben ihr Studium andernorts absolviert. Bis zur Wirtschaftskrise hatten so gut wie alle von ihnen Jobs. Sie arbeiten etwa für Hotelketten, in der Baubranche oder beim Stromversorger Endesa. „Die Situation hat sich aber auch für uns deutlich verschlechtert", sagt der Vorsitzende des Berufsverbands auf den Balearen, Alfredo Arias.

Bereits im Frühjahr besuchten Vertreter der deutschen Arbeitsagentur das „Colegio Oficial de Ingenieros Industriales Superiores de Baleares". „Sie erkundigten sich, welche Fachrichtungen bei uns vertreten sind und erklärten uns, für welche Bereiche sie genau Fachkräfte suchen. Sie machten aber auch deutlich, dass Bewerber bereits gut Deutsch sprechen sollten", sagt Arias. Der Verband leitet nun entsprechende Angebote aus Deutschland an die Mitglieder weiter. Arias bezweifelt, dass es viele Kollegen gibt, die bereit zum Auswandern sind. „Die Sprache ist eine zu große Hürde, und viele haben Familie und sind hier fest verwurzelt."

Für die gering qualifizierten Arbeitslosen auf Mallorca, von denen viele vor der Krise auf dem Bau geschuftet haben, bietet Deutschland kaum Möglichkeiten. Anders als in den 60er Jahren, als Gastarbeiter für einfache Fabrik-Jobs gesucht waren, werden nun Spezialisten gebraucht. Den Weg nach Deutschland ziehen dennoch auch Mallorquiner in Betracht, die nicht zu den gesuchten Berufsgruppen zählen. „Wenn hier mein Arbeitslosengeld ausläuft und es weiterhin unmöglich ist, einen Job zu finden, würde ich auch nach Deutschland gehen", sagt Raúl Leon. Der Aktivist der Protestbewegung 15. Mai ist Anfang 30 und verdiente früher auf dem Bau sein Geld. Deutsch spricht er nicht.

Aber gerade die Sprache ist neben der Qualifikation der Schlüssel für den Erfolg. Nur wenige internationale Unternehmen stellen Ausländer ohne Deutschkenntnisse ein. Der junge Ingenieur Mora absolvierte seine Vorstellungsgespräche mühelos auf Deutsch. Bevor er auf Jobsuche ging, hatte er sich eigens noch bei seinem in Berlin lebenden Cousin einquartiert und einen Intensivkurs auf C1-Niveau für Fortgeschrittene besucht.

Vor Ort ging er auf Jobmessen und gab bei den Ständen der Unternehmen seine Bewerbungsunterlagen ab. Dabei war er beeindruckt von der Menge des Angebots. Nach zwei Monaten hatte er seine Trainee-Stelle in der Tasche, obwohl er zunächst nur nach Praktika Ausschau gehalten hatte. „Dem Unternehmen gefiel, dass ich internationale Erfahrung habe und zum Studium von Mallorca nach Barcelona gegangen bin und dann nach Zürich und Berlin", sagt Mora. Auch sein Gehalt macht ihm Freude. Er rechnet mit 2.000 Euro netto monatlich. „In Spanien kommen Ingenieure bei ihrem ersten Job höchstens auf 1.500 Euro im Monat."

Auch der Architekt Fernando González (24) aus Palma ging seine Arbeitssuche in Deutschland mit einer langfristigen Strategie an. Er lernte während seines Studiums in Navarra Deutsch und bewarb sich dann um ein EU-Stipendium für Auslandspraktika. Ende 2010 zog er in ein Studentenwohnheim in Köln, besuchte einen Intensiv-Sprachkurs und fand schließlich in einem Architekturbüro einen Praktikumsplatz.

Heute bekommt er als Selbständiger weiterhin Aufträge von dem Büro. Für ihn ist das eine perfekte Lösung. „Auch in Deutschland haben es die Architekten nicht einfach, aber es ist trotzdem viel besser als in Spanien. Und wenn ich wieder nach Mallorca zurückkomme, bin ich perfekt gerüstet für den deutschen Markt auf der Insel." Freunde hat González bereits gefunden, er vergnügte sich auf dem Kölner Karneval und fühlt sich rundum wohl. Wenn nur nicht das Wetter wäre. „Wir haben hier keinen Sommer, sondern 20 Grad und Regen."