Mallorcas Fischer sind Schwierigkeiten gewohnt. Sie setzen sich jeden Tag den Gefahren des Meeres aus, zahlen oft einen Großteil ihrer meist nicht gerade üppigen Einnahmen an die Bank für den Kredit ihres Schiffs und streiten sich mit Umweltschützern über umstrittene Fangmethoden und gefährdete Fischbestände.

Nun aber steht den rund 700 Berufsfischern der Balearen neues Ungemach ins Haus – und das in bisher ungeahntem Ausmaß. Eine geplante EU-Verordnung mit radikalen Auflagen und eine auf die Balearen ausgerichtete Kampagne der Meeresschutz-Organisation Oceana treibt die Insel-Fischer auf die Barrikaden. „Beide Initiativen sind ein Frontalangriff auf die Schleppnetzfischerei", sagt Antoni Garau, der Sprecher des balearischen Fischer-Verbands.

Mit den Schleppnetzen (pesca de arrastre) werden nicht bestimmte Fische aus dem Wasser geholt, sondern alles, was sich auf oder über dem Boden befindet. Damit wird die Meeresflora- und Fauna weiträumig geschädigt – im Extremfall bleibt nichts zurück.

Sortiert wird der Fang dann an Bord, ungenießbare Lebewesen oder im Netz verhedderte Pflanzen werden zurück ins Meer geworfen. Mit dieser Methode bestreiten die Fischer der Balearen 60 bis 80 Prozent der angelandeten Fänge. Der Rest kommt von der pesca artesanal, der umweltverträglicheren „handwerklichen" Fischerei. „Es stimmt, dass die Schleppnetzfischerei dem Meeresboden nicht gut tut. Aber sie garantiert den Fang. Ohne sie gäbe es kaum frischen, lokalen Fisch auf Mallorcas Märkten. Sie sichert unsere traditionelle Mittelmeerkost", sagt Garau.

Die EU will nun ab 2013 feste Fangquoten für einzelne Arten vorschreiben. „Daran können sich Schleppnetzfischer aber schwer halten, weil ja alles in einem Netz landet. Es werden immer andere Arten mitgefischt", sagt Garau.

Außerdem soll der komplette Beifang an Land gebracht werden müssen, um eine bessere Kontrolle der tatsächlich gefischten Arten zu ermöglichen. „Auch das ist praktisch nicht durchführbar. Man braucht dafür Platz an Bord und muss den Beifang kühlen. Dann soll er eigentlich zu Tierfutter verarbeitet werden. Dafür gibt es aber auf den Balearen keine Fabrik." Letztendlich seien damit viele Kosten und kein Ertrag verbunden. Für die knapp kalkulierte Fischerei könnte das ein Todesstoß sein, für die in europäischen Gewässern im Schnitt zu drei Viertel überfischten Bestände die Rettung.

Ein weiterer Streitpunkt: ­Mallorcas Fischerfamilien fühlen sich von der EU mit industriellen Hochseefischern über einen Kamm geschert. Ihnen passt nicht, dass die Verordnung für ganz Europa gelten soll, ohne die besonderen Verhältnisse der Mittelmeerländer zu berücksichtigen. Dass die derzeitigen Vorschriften verbesserungswürdig seien, gibt auch Garau zu. Doch auf keinen Fall könne man 60 Meter lange Hochsee-Trawler, die monatelang auf dem Meer seien und mit 200 bis 300 Tonnen Fisch in den Hafen zurück kämen, mit den Fischern Mallorcas gleichsetzen. Denn die EU will künftig nur noch zwischen Booten bis 12 Metern (traditionelle Fischerei) und ab 12 Metern (industrielle Fischerei) unterscheiden. „Unsere Schiffe sind alle zwischen 7 und 25 Meter lang, sie gehören Familienbetrieben und kehren jeden Abend in den Hafen zurück." Insofern, so Garau, handele es sich auch hier um traditionellen Fischfang. „Abgesehen vom hoch technisierten Fang des Roten Thuns gibt es rund um die Balearen keine industrielle Fischerei."

Die Meeresschutz-Organisation Oceana will das so nicht stehen lassen. Zwar stimme es, dass die Schleppnetz-Fischerei rund um die Balearen nicht ganz so viel Schaden anrichte, sagt die Meeresbiologin Marta Carreras. Aber auch rund um die Inseln seien einzelne Arten bereits überfischt. „Wenn die Fischerei-Vorgaben nicht geändert werden, sind auch hier viele Arten in Gefahr. Noch sind wir an einem Punkt, das verhindern zu können." Oceana setzt sich derzeit mit einer Kampagne für eine verantwortungsvollere und nachhaltigere Fischerei auf den Balearen ein.

Momentan liege die Fang-Kapazität der balearischen Flotte über der Kapazität der Fischbestände, sich zu regenerieren, sagt Carreras „Die Boote heute sind viel leistungsstärker, eines fischt jetzt so viel wie früher mehrere." Während ein Boot auf Mallorca in den 80er Jahren durchschnittlich über 40 PS verfügte, seien es jetzt 77. Speziell die Schleppnetz-Schiffe seien zudem häufig leistungsstärker als offiziell angegeben. „In manchen Mittelmeergegenden kommen sie durchschnittlich auf 732 PS, obwohl nur 280 PS vermerkt sind."

Außerdem sind laut Oceana neben den rund 50 Schleppnetz-Fischern der Balearen regelmäßig bis zu 40 valencianische Schleppnetz-Kutter zwischen Ibiza und Formentera unterwegs. Und obwohl die Fangkapazität der Fischer gestiegen sei, lägen die gemeldeten Fänge der Balearen bereits seit den 40er Jahren relativ stabil zwischen 3.000 und 4.000 Tonnen jährlich.

Vor allem sechs von Schleppnetzfischern verfolgte Arten sind laut Oceana auch auf den Balearen überfischt: Der Seehecht (merluza; Merluccius merluccius), die gestreifte Meerbarbe, (salmonete de roca; Mullus surmuletus), die rote Meerbarbe (salmonete de fango; Mullus barbatus), der Kaiserhummer (cigala; Nephrops norvegicus), die rote Gamba (gamba roja; Aristeus antennatus) und die weiße Gamba (gamba blanca; Parapenaeus longirostris). Der Seehecht steht zudem auf der Roten Liste der bedrohten Arten der Weltnaturschutzunion. Darüber hinaus sei aber auch der Zustand der Fischbestände, die mit Trammelnetzen (trasmallo) gefangen werden besorgniserregend. „Es werden mittlerweile viel zu lange Trammelnetze eingesetzt, während die Korbreuse kaum mehr zum Einsatz kommt, weil sie bei den überfischten Beständen zu geringe Erträge bringt."

Wie verlässlich sind diese Einschätzungen? Wissenschaftliche Untersuchungen, mit denen die Bestände der kommerziell verwertbaren Arten untersucht werden, gebe es nur wenige, gesteht Oceana zu. Die Meeresschützer gehen deswegen davon aus, dass die tatsächliche Situation noch schlimmer ist. Anders Mallorcas Fischer. „Nach meiner Auffassung ist nur die rote Gamba gefährdet. Es werden tatsächlich nur noch kleinere Exemplare gefangen. Wir müssen sie eine Zeit lang schonen. Da bin ich einverstanden", sagt Garau. Abgesehen davon sei auf den Balearen allenfalls noch der Kaiserhummer überfischt.

Mallorcas Fischer sehen sich außerdem zu Unrecht von Oceana ins Visier genommen. Denn an der spanischen Festlandsküste sei die Überfischung viel schlimmer. „In einem einzigen Hafen in Tarragona gibt es so viele Schleppnetzboote wie hier über die ganzen Balearen verteilt", sagt Garau. Die Fischer interpretieren die Kampagne vielmehr als ein persönliches Steckenpferd von Oceana-Chef Xavier Pastor. Den gebürtigen Mallorquiner, der sich seit Jahren in verschiedenen Funktionen für den Schutz der Meereswelt einsetzt, finden sie überheblich und eingebildet. „Mallorca ist sein persönliches Versuchslabor. Er kommt immer wieder mit etwas Neuem", klagt Garau.

In den kommenden Jahren, so der Verbandssprecher, würde sich die Flotte der pesca de arrastre ohnehin um 10 Prozent reduzieren, weil mehrere Fischer aus wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen ihren Beruf aufgeben wollen. Außerdem werde derzeit vor Menorca in einem Pilotprojekt der Balearen-Regierung und des ­Ozeanographischen Instituts eine neue, für den Meeresboden schonendere Form der Schleppnetzfischerei getestet, die gut zu funktionieren scheine.

Nur in einem Punkt scheinen Oceana und die Berufsfischer auf einer Linie zu liegen: beim Thema Hobby-Fischer. Denn immer mehr Balearen-Bewohner angeln und fischen in ihrer Freizeit. Schätzungsweise 70.000 Balearen-Bürger holen regelmäßig Fische aus dem Meer. Darunter sind auch viele Harpunentaucher (pesca submarina), die es speziell auf große Fische wie etwa Barsche (meros) abgesehen haben und besonders viel Schaden anrichten.

Oceana schätzt ihre gesamte Fangmenge auf 1.200 Tonnen jährlich, die Berufsfischer auf 2.000 Tonnen. Erlaubt ist das Hobby-Fischen nur für den Eigenverzehr. Doch sowohl Umweltschützer als auch Berufsfischer kritisieren, dass die Hobby-Fischer die erlaubten Fangmengen überschreiten – sei es aus Jagdlust oder um den Fang illegal an Restaurants zu verkaufen. Oceana fordert, dass die Hobby-Fischer ausgebildet und stärker kontrolliert werden. Eine Angellizenz gibt es in Spanien ohne den Nachweis jeglicher Kenntnisse.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 10. November (Nummer 601) lesen Sie außerdem:

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