Irgendeine Spur von Tom Hanks und Halle Berry? In Port de Sóller gibt es derzeit nur noch ein Thema: die Dreharbeiten zur deutschen Kinoproduktion „Cloud Atlas" (Wolkenatlas). Innerhalb weniger Stunden ist am Montag (12.9.) auf der Hafenmole eine kleine Stadt aus Wohnwagen und weißen Zelten entstanden. Ein zwei Meter hoher und mit einer schwarzen Folie überzogener Bauzaun dient als Sichtschutz. Im Hintergrund wanken die drei Masten der „Earl of Pembroke". Die große Galeone ist einer der Schauplätze, auf dem der Streifen mit Starbesetzung auf der Insel gedreht wird.

Drei Wochen lang werden die US-amerikanischen Kult-Regisseure Andy und Lana Wachowski („Matrix"-Trilogie) sowie der Deutsche Tom Tykwer („Lola rennt", „Das Parfum") auf Mallorca einen kleinen Teil des insgesamt 100 Millionen Euro teuren Films drehen. In den Hauptrollen der epischen Erzählung sind neben Halle Berry und Tom Hanks auch Topstars wie Hugh Grant und Susan Sarandon zu sehen. Die Drehorte sind außer Sóller noch Formentor und Sa Calobra.

„So etwas erleben wir hier nicht alle Tage", sagt die Kellnerin eines Cafés im Hafen euphorisch. An diesem Nachmittag hat sie schon viele Touristen darüber informieren müssen, was es mit der Wagenburg und dem schwarzen Bauzaun auf sich hat.

Filmdrehs sind auf Mallorca zwar keine Seltenheit, aber eine Produktion von dieser Größenordnung hat es auf der Insel schon viele Jahre nicht mehr gegeben. Mehr als 400 Personen sind bei den Dreharbeiten im Einsatz. Hinzu kommen etwa 200 Komparsen, die bei einem Casting vor zwei Wochen ausgesucht worden waren.

Für die Inselwirtschaft ist die Produktion ein Segen. Der Inselrat rechnet mit Einnahmen von mehr als 2,8 ­Millionen Euro. Der größte Nutznießer wird die Tourismuswirtschaft sein. Rund 8.000 Übernachtungen und 16.000 Essen werden dem größtenteils aus Deutschland angereisten Produktionsteam in Rechnung gestellt werden. Auch dürfen sich eine Vielzahl von logistischen Dienstleistern freuen, die Lieferwagen, Kräne und allerhand technisches Material zur Verfügung stellen.

„Cloud Atlas" könnte sich als Zugpferd für viele weitere große Produktionen erweisen, glaubt der spanische Produzent José Luis Escolar. Mallorca biete vor allem für Filmszenen am Meer nahezu optimale Voraussetzungen. Zumindest in Spanien gebe es keine andere Küste, die so jungfräulich erhalten sei wie die mallorquinische. Auch die hervorragenden Lichtverhältnisse und die hohe Anzahl von Sonnenstunden könnten bei manch einer Produktion künftig den Zuschlag für ­Mallorca geben.

Aus Sicht der Urlaubsbranche sind die Filmemacher eine weitere Möglichkeit, das Geschäft in der Nachsaison auf Mallorca zu beleben. Filmproduktionen laufen selten im Hochsommer, sondern fast ausschließlich im Herbst und Frühjahr. Das große Hotelangebot und die gute Fluganbindung seien zwei große Vorteile, mit denen Mallorca im Mittelmeer zu einem wichtigen Filmstandort werden könnte, so José Luis Escolar.

Das hat man nun offenbar auch bei Mallorcas Inselregierung erkannt, die im November des vergangenen Jahres die sogenannte Mallorca Film Commission ins Leben rief. Dabei handelt es sich um ein Büro, das wichtige Filmproduktionen akquirieren soll. An ihrer Spitze steht der Filmemacher Pedro Barbadillo (siehe Kasten) Ihm ist es auch zu verdanken, dass Mallorca mit „Cloud Atlas" ein richtig dicker Fisch ins Netz gegangen ist.

Von großer Bedeutung sei auch der Werbeeffekt, den große Filmproduktionen für eine Gegend hätten, sagt Barbadillo. Beispiele für Orte, die nach einem Dreh zur Pilgerstätte von Filmfans wurden, gibt es viele. Das wohl spektakulärste Beispiel ist Bergues, ein abgelegenes Dörfchen in Nordfrankreich, wo die erfolgreiche Komödie „Willkommen bei den Sch´tis" gedreht wurde. Der Anzahl der Touristen habe sich danach um 900 Prozent erhöht, so Barbadillo. Auch Barcelona habe durch den Woody-Allen-Film „Vicky Cristina Barcelona" profitiert – und dies obwohl die Mittelmeer-Metropole schon vor den Filmaufnahmen einen hohen internationalen Bekanntheitsgrad gehabt habe.

So könnte „Cloud Atlas" den Beginn einer neuen Ära einläuten. „Es wäre die zweite goldene Welle großer Filmdrehs nach den 60er und 70er Jahren", meint Barbadillo. Damals hatte das Franco-Regime dafür gesorgt, dass die US-amerikanische Filmindustrie einen großen Teil ihrer Produktionen nach Spanien verlegte. Allein auf Mallorca wurden damals rund 70 Spielfilme gedreht, 30 davon in der Gegend um Pollença. Schauspieler wie Clark Gable sorgten für Glamour auf der vom Tourismus damals noch recht unberührten Insel.

Die Konkurrenz freilich ist groß. Auch Inseln wie Malta und Sardinien buhlen im Mittelmeer um Regisseure und Produzenten und gehen nicht selten als Sieger hervor, wie beispielsweise im Fall von „Ágora". Der Film war 2008 vom spanischen Regisseur Alejandro Amenábar auf Malta gedreht worden. Später erklärte der Filmemacher, er hätte gerne auf Mallorca gearbeitet, auf der Insel allerdings keinen richtigen Ansprechpartner gefunden. Malta lockt die Produzenten mit steuerlichen Vergünstigungen von bis zu 20 Prozent. „Da können wir nicht mithalten", sagt Pedro Barbadillo.

Ihm fallen gleich eine Reihe von Maßnahmen ein, wie sich Mallorca in Zukunft noch besser positionieren könne. Beispielsweise durch einen großen watertank. Dabei handelt es sich um ein etwa 200 mal 100 Meter großes Becken, in denen Seefilme wie beispielsweise „Titanic" gedreht werden. Diese seien ein einträgliches Geschäft. Neben Malta gebe es die Becken bisher nur in England, Mexiko und Australien. Im Gegensatz zu den genannten Orten habe Mallorca jedoch einen klaren Vorteil, den es zu nutzen gelte: das fast immer gute und beständige Wetter.

Im E-Paper sowie in der Printausgabe vom 15. September (Nummer 593) lesen Sie außerdem:

- Halle Berry Auf Souvenirjagd im Hafen, Tom Hanks wandert in der Tramuntana

- Mallorca Film Commission: Unterwegs im Namen der Insel

Hier geht's zum E-Paper: epaper.mallorcazeitung.es.